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Streit um »Saurüsselalm«: Wer darf was in den Bergen tun?

Seit Wochen streiten sich Naturschützer mit den Betreibern der »Saurüsselalm«. Nicht nur vor Gericht: Die Frühaufs bekommen Hassmails und ihre Mitarbeiter werden körperlich angegangen. Über einen Streit, der nur noch wenig mit der Alm zu tun hat.

Es ist ein herrlicher Tag, die Sonne scheint, die Kühe auf der Weide vor der »Saurüsselalm« geben mit ihren Glocken ein Konzert und unter der Markise sitzen Wanderer beim Essen: Obadzda, Weißwürste, Wurstsalat. Es passieren also Dinge, die man auf jeder Alm beobachten kann. Hier sind sie fast ein Politikum. Denn es gibt einige Menschen, die nicht glauben, dass diese Alm noch eine normale Alm ist.

Die Pächter der Alm, Martin und Tanja Frühauf, verstehen die Welt nicht mehr. Seit 2005 sind die beiden Gastronomen am Tegernsee, über Jahre haben sie das »Postillion« geführt, in der Gegend geholfen, wo sie konnten und jetzt das: Ihre Mitarbeiter werden mit Flaschen beworfen, Menschen verstecken sich in Gebüschen und fotografieren sie heimlich und sie bekommen Mails, in denen sie wüst beschimpft werden. „Es ist eine Hetzjagd“, sagt Martin Frühauf. „Vor allem gegen den Hausbesitzer, neuerdings aber auch gegen uns.“ Seit Wochen würden sie schlecht schlafen, sagen sie. Dabei wollten sie der Gegend rund um den Tegernsee doch mit einem neuen gastronomischen Konzept oben auf der »Saurüsselalm« einen Gefallen tun.

Ein Angriff auf die Bergwelt

Aber seit Monaten streiten sich der Verein »Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal« mit der »Saurüsselalm« vor Gericht. Konkret mit dem Hausbesitzer, Franz Josef Haselberger. Dabei geht es vor allem darum, ob die 15 Sonderveranstaltungen, die der Alm zugesprochen wurden, rechtens sind. Eigentlich, so scheint es, geht es aber um etwas Grundsetzlicheres: Wer darf was in den Bergen tun?

In den Medien wurde die »Saurüsselalm« in den vergangenen Wochen gerne als »Luxusalm« bezeichnet. Das liegt daran, dass die Frühaufs eine umfangreiche Weinkarte haben, Champagner ausschenken und eine Veranstaltung organisiert haben, bei der Spitzenköche aus dem Tegernseer Tal kochten und der Preis für den Abend bei 249 Euro lag. Für ein Event dieses Umfangs ein normaler Preis. Und wenn man etwa nach Tirol schaut, sind solche Menüs auch nichts Ungewöhnliches. Die Vorsitzende der »Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal«, Angela Brogsitter-Finck sagt aber: »Das hat mit Alm üblichen Essen nichts mehr zu tun.« Sie ist der Meinung, dass normale Wanderer hier nicht einkehren könnten, wenn sie nicht das nötige Kleingeld dafür haben. Ihre Angst ist es, dass die »Saurüsselalm« ein Angriff auf die Bergwelt darstellt. Was, wenn alle Almen es ihr gleichtun?

Wenn man Brogsitter-Finck zuhört, kommt man nicht umhin sich zu fragen, ob sie schon mal auf der »Saurüsselalm« zum Essen war. Denn ihre Angst ist größtenteils unberechtigt. Klar, diese spezielle Veranstaltung konnte sich nicht jeder leisten. Aber daraus zu schließen, dass hier oben kein gewöhnlicher Almbetrieb stattfindet, ist falsch. Doch darum scheint es in dem Rechtsstreit und den aus der teilweisen sehr hitzigen Berichterstattung über den Fall entstandenen Auswüchse auch gar nicht zu gehen.

Denn die Abneigung, die Brogsitter-Finck wie viele andere im Tegernseer Tal für den Almbesitzer, Franz Josef Haselberger, empfindet, hat gewissermaßen Tradition. »Am Haslberger bin ich schon seit Menschengedenken dran«, sagt sie. Der Grund: Oft geht dieser seine vielen Bauprojekte erstmal an und holt sich Genehmigungen ein, wenn schon Tatsachen geschaffen sind. Dass man sich mit dieser Strategie nicht nur Freunde macht, ist klar. Schnell ist der Vorwurf im Raum: Wenn man nur genug Geld hat, kann man sich alles erlauben.

Traditionelle Abneigung

In diese über Jahrzehnte aufgeheizte Stimmung sind nun die Frühaufs geraten. Und es scheint: Egal, was sie machen, immer ist es falsch. Wenn eine Veranstaltung mal länger geht, als 22 Uhr, heißt es, sie zerstörten die Natur; wenn sie der Aufforderung des Landratsamts nachkommen und ihre Gäste mit schwarzen Shuttlebussen ins Tal fahren lassen, wird ihnen daraus ein Vorwurf gemacht.

Es ist verzwickt. Denn unter diesen Umständen ist es schwer vorstellbar, dass sich der Streit ohne weiteres beilegen lässt. Natürlich haben die Naturschützer recht, wenn sie fordern, dass Menschen Sorge für Wildtiere zu tragen haben, was auch bedeutet, dass man eine Nachtruhe einhält. Und auch Haslbergers Stil, sich bei seinen Bauunternehmen nicht an die Regeln zu halten, ist nicht gerade gesellschaftsfähig. Aber aus einer traditionellen Abneigung gegen den Almbesitzer heraus, auch seine Angestellten, die Frühaufs, in Sippenhaft zu nehmen, ist genauso falsch.


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Moritz Hackl