Die hyperaktive Metropole der schönen Künste und coolen Partys: Tel Aviv.

Die hyperaktive Metropole der schönen Künste und coolen Partys: Tel Aviv.
© GettyImages | kolderal

Long Weekend: Tel Aviv

Seit einigen Jahren entwickelt sich das »Miami des Nahen Ostens« zu einem Treffpunkt kulinarischer Experimente, die so überzeugend sein können wie die Menschen dieser quirligen Stadt.

Freitag

Israels Wochenende beginnt bereits am Freitag: während ­ es andere Landesteile ruhiger angehen, bietet uns die pulsierende Stadt Museen, Restaurants, Bars und Clubs im Überschwang.

Das Café »Nahat« eröffnet den Tag – der Name steht für Ankommen und Erholung. Und seit die Umgestaltung des ikonischen Dizengoff-Platzes abgeschlossen ist, kann man an den Tischen vor dem Café auch gleich einen Gutteil der Bauhaus-Architektur in Augenschein nehmen. Hier sind seit 2015 wahre Kaffee-Experten am Werk (Dan Urieli und Assaf Bitton), die auch unsereins gewiss nicht enttäuschen. Ganz zu schweigen vom bestechenden Feingebäck.

Im Tel Aviv Museum of Art (schließt ­um 14 Uhr) finden wir nicht nur die größte Sammlung zeitgenössischer israelischer Kunst (Itzhak Danziger und Marc Chagall), sondern auch internationale Größen (Vincent van Gogh und Wassily Kandinsky) sowie in Wechselausstellungen Grafik und Design. In der stylishen Brasserie »Pastel« zaubert Hillel Tavakoli die Farben der Museum-Highlights schmackhaft in seine Kreationen mediterraner Küche der Sonderklasse – ideal für die Pause im neuen Flügel des Museums. Wir bewegen uns weiter südlich und spazieren durch das Sarona-Viertel, das aus etwa dreißig alten Gebäuden aus der Zeit der deutschen Templer-Bewegung besteht und jüngst zu einer hippen Einkaufsmeile im Herzen der Stadt umgestaltet wurde.

Haben Sie schon einmal von Garum gehört? Bereits die alten Römer liebten die salzige Fischsauce, und Asaf und Yotam Doktor haben sie für uns in ihrem Restaurant »Abie« wieder zum Leben erweckt. Die Neugierde, alte Rezepte des Mittelmeerraums zu erforschen, verwandelt die Küche in ein experimentierfreudiges Labor und bietet bei alledem unprätentiös israelische Küche, die uns erinnert, dass sie mehr kann als Humus und Falafel.

Der Tag endet trendig im »Romano« ­ in einem sorgsam adaptierten historischen Gebäude mit den richtigen Vibes aus Live-Musik und feinen Getränken. Hier befin­­-den wir uns in den bewährten Händen des Genies Eyal Shani. Und sollte sich an diesem Abend noch der kleine Hunger einstellen: Es gibt einfache Gerichte, die voll darauf abzielen, die Qualität des Produkts zu betonen. Kann denn Leben schöner sein?

Samstag

An Samstagen zieht es Besucher wie Einheimische an die sandigen Strände, die die Stadt vom Gastro-Hafen im Norden bis zum historischen Jaffa im Süden prägen.

Eine Einkehr im »Hôtel de Ville« an der Ecke Dizengoff-/Jabotinsky-Straße macht die Mixtur aus Pariser Bistros und dem hippen Tel Aviv fühlbar. Bis 17 Uhr kann man hier brunchen und Yogev Yehros ebenso klassisches wie verspieltes Menü verkosten; die Gnocchi Parisienne seien besonders hervorgehoben. Die frankophilen Weine und Cocktails aus den Händen des preisgekrönten Ariel Leizgold könnten Ihre Pläne für den Tag durchkreuzen! Sollten Sie abends wiederkehren: Die Canard à l’orange mit dem flau­migsten Püree lässt Sie an Versailles denken.

Den Kontrapunkt finden Sie im »Café Bialik«, dem Veteranen israelischer ­Kaf­fee-Kultur und lokaler Salatkreationen, gelegen an einer geschichtsträchtigen Ecke Tel Avivs und umringt von Künstlern jeglicher Richtung. Live-Auftritte sind die Regel; es fällt schwer, sich wieder loszureißen. Das Viertel kreiert den ultimativen Chill-Modus, mit dem die Stadtväter erfolgreich werben.

Zum Entspannen empfiehlt sich der Frishman Beach, an dem sich eine bunte Skulptur des Staatsgründers Ben Gurion dem Vergnügen hingibt: schwimmen, surfen, Volleyball spielen, spazierengehen, laufen – oder Tanzworkshops, die ebenso einladend wie spontan den Alltag vergessen lassen.

Zurück im Stadttrubel sollten Sie sich von dem Namen »North Abraxas« nicht verwirren lassen: Es liegt im Zen­trum und gehört seit Langem zu den ersten Adressen der Stadt. Eyal Shani, fokussiert auf erste Güte an lokaltypischem Gemüse, Pita mit Hühnerleber und Kartoffeln mit Crème fraîche, kann getrost auf überladene Tischgedecke verzichten, die über mickrige Performance hinwegtrösten müssten. Hier ist der Chef at his best.

Niemand kann es uns nach so vielen ­Gaumenfreuden verübeln: Wir gehen ins »Herzl 16«. Ein neuer Stern am Barhimmel, zu erreichen durch eine kleine, unscheinbare Passage in der Herzl-Straße 1, weiter durch einen hinreißenden offenen Innenhof – und hinein in ein Bar-Vergnügen mit Live-Musik, mit der Tel Aviv seinen Ruf als Miami des Nahen Ostens wieder einmal bestätigt.

Sonntag

In Tel Aviv verschmelzen Ost und West, in Tanz und Theater, in Küche und Oper, die sich wechselseitig befruchten. Das Ergebnis ist ein Hochgenuss für alle Sinne, vor allem natürlich für Ihre Gaumenfreuden.

Ein guter Tag beginnt schon dem Namen nach im »Yom Tov Café« nahe dem quirligen Carmel-Markt: organischer Kaffee, frische Sandwiches, Boutique-Backwaren – und auch für Veganer ist gesorgt. Hier starten wir mit Cappuccino und kehren am Abend womöglich an die Bier-Theke zurück.

Wer die White City des Bauhaus partout nicht ohne eine Lebensweisheit verlassen will, ist im »Bucke Café« an der richtigen Adresse. Die Betreiber sind den ursprünglichen Werten nach Großvaters Art verpflichtet, was die lokaltypische Shakshuka zu einer Reise in den Ursprung der israelischen Küche geraten lässt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, und wer diesmal auf Live-Musik verzichten will, findet im Garten noch ein verträumtes Eck.

»Topolopompo« erscheint wie aus einer anderen Welt. Der Name ist Koreanisch für Drachenfeuer. Wobei Sie freilich die Mixtur aus koreanischen Gewürzen und der Süße der mediterranen Küche ganz Ihrem individuellen Geschmack anpassen können. Das Beste der beiden Welten ist ein ausgesprochen feiner Abschluss für diesen Trip in den Orient. Auch die Tel Aviver lieben das Mandarin-style Crispy Chicken dieses himmlischen Gourmet-Tempels, der für Temperament und Ekstase steht.

Auf höchstem Niveau klingt dieser Abend im »Whiskey Bar & Museum« stilvoll aus. In einem alten Tunnel des Templer-Viertels Sarona, der im 19. Jahrhundert einen Weinkeller beherbergte und eine Zeit lang auch dem Mossad diente, können Sie aus gut 1000 klassischen und High-End-Whisk(e)ys wäh­-len. Schottische und irische Bekannte finden sich hier, doch auch Überraschendes aus Hongkong und Indien, ­ das Sie womöglich nie wieder werden missen wollen. Und das Schöne: Jede Flasche im Museum können Sie sowohl verkosten als auch kaufen. Die Website verrät Ihnen das nächste Tasting-Seminar.

Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2019

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Markus Bugnyár
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