Iconomy: Design-Icons unter 100 mit Konrad Birkenstock
Von der klobigen Gesundheitssandale zum antibürgerlichen Protestschlapfen der Öko- und Alternativbewegung bis zum Modestatement mit Luxus-Touch: Birkenstock-Sandalen haben schon einiges durchgemacht.
25.10.2023 - By Manfred Gram
Bei Birkenstock stehen heuer gleich drei Jubiläen an. Die Sandalen-Modelle »Madrid«, »Arizona« und »Gizeh« werden nämlich 60, 50 und 40 Jahre alt. Aus pragmatischen Gründen wird an dieser Stelle der »Arizona« herausgepickt. Erstens ist 50 einfach der rundere, schönere Geburtstag, zweitens ist es – laut Hersteller – das Bestseller-Modell und steht daher drittens wie kein anderer seiner Patschenkollegen für das Unternehmen. Das gehört seit 2021 zu L Catterton, einer Holdinggesellschaft, die von der Familie Arnault kontrolliert wird. Clan-Chef Bernard Arnault ist übrigens aktuell mit 220,6 Milliarden US-Dollar Privatvermögen der reichste Mensch der Welt. Unter anderem, weil er größter Anteilseigner des Luxuskonglomerats LVMH Moët Hennessy – Louis Vuitton SE ist. Mit den Arnault-Milliarden erfolgte jedenfalls bei Birkenstock eine weltweite Expansion, die heuer im Herbst an die Börse führen soll. Fast 30 Millionen Sandalen werden aktuell im Jahr zusammengeschustert. Acht Milliarden Euro soll das Unternehmen wert sein. Das beschreibt jetzt auch ziemlich gut die Welt Anfang des 21. Jahrhunderts. Gesundheitsschuhe, die in den 1960ern und 1970ern zum Inbegriff der Öko-Bewegung und später Symbol alternativbürgerlicher Spießigkeit wurden, schaffen den Sprung an die Börse und werden allgemein als Luxus- und Trendartikel wahrgenommen.
Und damit man sieht, dass die Sache ernst ist, führt Birkenstock seit 2020 mit »1774« sogar eine eigene Luxuslinie, die auf das Gründungsjahr des Unternehmens verweist und für die Designer:innen und Modehäuser regelmäßig beliebte Modelle neu interpretieren. Aktuell gibt es etwa eine Kooperation mit dem Hause Dior und man arbeitete u. a. bereits mit Manolo Blahnik, Faye Toogood oder Jil Sander zusammen. Aber abgesehen davon hat man auch so mittlerweile einiges an Farben und Glitzer im Programm, mit der die einstige Fadesse aus Schwarz, Braun und Weiß weggefärbt wurde. Unterm Strich also alles so ziemlich die Antithese zum (ehemaligen) Hippie- und Lehrer-Latschen-Image. Schuhe, bequem und gesund, aber unansehnlich wie die Nacht schwarz ist, sind jetzt ein geschmackssicheres Statement für Neo-Bourgeoisie und Boheme gleichermaßen. Das Bequeme, aber irgendwie Hässliche gilt nunmehr als schick. »Ugly for a reason« heißt folgerichtig die (scheinbar) selbstironische Punchline, unter der nun Gentrifizierungsgewinner:innen aller Länder auf Korksohlen vereinigt werden. Ein marketingtechnischer Husarenritt!