Neue Möglichkeiten am Arbeitsplatz: Office goes Lifestyle
Die einen glauben, dass künftig viel weniger klassische Büroflächen gebraucht werden. Die anderen beschwichtigen und argumentieren mit der baldigen Konjunkturerholung. Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte, sondern im Sowohl-als-auch – und in gänzlich neuen, ziemlich lässigen Arbeitsmöglichkeiten.
23.02.2021 - By Heimo Rollett
Den sogenannten Schweinezyklus gibt es ohnehin, egal, ob mit oder ohne Corona: Niemand plant neue Immobilien in schlechten Zeiten, sondern erst, wenn es gute Prognosen gibt – dann kommen nach ein paar Jahren (Entwicklung, Planung, Bau) viele neue Büroflächen auf einmal auf den Markt, was in der Folge wiederum zu schlechten Zukunftseinschätzungen des Markts führt, und voilà! – wieder traut sich keiner. Corona verlängert diese Schockstarre nun.
Die Kernfrage
Die Nachfrage nach Büroflächen in Wien ging durch die Pandemie ordentlich zurück – um 40 Prozent. Wobei man betonen muss, dass das für die Bundeshauptstadt gar keine so schlechte Bilanz ist. Rund 180.000 Quadratmeter wurden letztes Jahr neu angemietet, das ist nicht so weit weg vom Fünf-Jahresschnitt (200.000 Quadratmeter). Die Kernfrage lautet aber: Wer wird in Zukunft wie arbeiten?
»Ich bin überzeugt davon, dass die in den letzten Jahren so stark nachgefragten Großraumbüros nicht länger auf der Wunschliste der großen Unternehmen bleiben werden«, erklärt Friedrich Wachernig, Vorstand der S Immo AG. Der Berater CBRE meint, dass Büros die kommunikativen und operativen Defizite der räumlichen Trennung der Mitarbeiter kompensieren werden müssen. Das Headquarter der Zukunft werde weniger Schreibtische beherbergen, dafür mehr Platz für Interaktion bieten, heißt es bei EHL Immobilien. Es dient dem Image, der Identifikation, der Kommunikation und der Kreativität. Wie ein Flagship-Store ist es das Aushängeschild, das auch Nachwuchskräfte anlocken soll. Es muss Spaß machen, emotional sein. Statt einer Schreibtischbude ist das Headquarter der Zukunft Tanzfläche für Ideen, privates Kaffeehaus, Förderraum für Kommunikation und Inspiration. Wissensarbeit ist längst zum Lifestyle geworden, weg von der Legebatterie des unproduktiven Abarbeitens.
Luft nach oben
Klingt doch ganz gut. Und es kommt noch besser! Neue Produkte und Räume werden entwickelt, die das Arbeiten zwischen den Extrempolen Homeoffice und klassischem Büro ermöglichen. Gehobene Co-Working-Spaces und flexible Arbeitsflächen funktionieren und werden immer mehr. Sascha Siegert, Geschäftsführer von COLLECTION BC Austria, berichtet von einer hohen Nachfrage nach Co-Working-Flächen, Kleinbüros und virtuellen Firmenadressen in Wien. Der regionale Arbeitsplatzanbieter andys.cc hat im Krisenjahr 2020 einen weiteren Standort beim Wiener Praterstern aufgemacht. Solche Mieter können für Eigentümer durchaus attraktiv sein: »Wir erreichen schon bei einer 50-prozentigen Auslastung den Break-even-Punkt. Eigentümer profitieren im Vergleich zur herkömmlichen Vermietung somit schneller von einer guten Rentabilität «, erläutert Marcus Weixelberger, CEO und Gründer von andys.cc, die Vorteile seines Business-Modells.
Gerade in Wien gebe es aber, abgesehen von Spaces, einem Ableger der Regus-Gruppe, keinen großen internationalen Flexible-Office-Anbieter, bestätigt Stefan Wernhart von EHL Immobilien. Da sei durchaus noch Luft nach oben – und auf die Seite. Denn Co-Working-Flächen an dezentralen Orten wie in Randbezirken, in Quartieren, an Bahnhöfen oder anderen neuralgischen Punkten würden absolut Sinn machen. Dann könnte die Arbeitswoche der Zukunft so aussehen: zwei Tage im Headquarter mit Meetings und Kollegen, ein Tag im Homeoffice, und an zwei Tagen mit dem Rad schnell ins nahe Co-Working. Vielleicht der Rhythmus der Zukunft …