Der Kellerneubau von Château Cheval Blanc (Architekt: Christian de Portzamparc) fügt sich nahtlos ins Landschaftsbild.

Der Kellerneubau von Château Cheval Blanc (Architekt: Christian de Portzamparc) fügt sich nahtlos ins Landschaftsbild.
© Gerard Uferas

Pierre Lurton: Bordeaux' Mister LVMH

Das Weinportfolio des Luxusgüterkonzerns LVMH umfasst Dutzende Marken. Dank des Vertrauens zwischen Mehrheitseigner Bernard Arnault und Güterdirektor Pierre Lurton strahlen deren Weine heute mehr denn je.

Pierre Lurton erinnert sich noch genau an den Tag, der ihn zum Direktor auf Château Cheval Blanc machen sollte. Das war 1991, noch etliche Zeit bevor Bernard Arnault das Kultweingut an der Grenze Saint-Émilions zu Pomerol übernahm. Lurton war gerade einmal 33 Jahre alt, hatte aber bereits eine bemerkenswerte Erfolgsbilanz auf einem der Weingüter seiner Familie vorzuweisen, dem ebenfalls als Saint-Émilion Premier Grand Cru Classé klassifizierten Clos Fourtet. Cheval Blanc wäre ein großer Sprung auf der Karriere­leiter gewesen, denn während hinter dem Rang des Clos Fourtet ein B steht, steht ­hinter demjenigen von Cheval Blanc ein A.

Nun saß er beim Vorstellungsgespräch den Repräsentanten der Eigentümerfamilie Fourcaud-Laussac gegenüber. Die hätten recht nachdenklich dreingeschaut, berichtet Lurton hinter dem Direktionsschreibtisch auf Cheval Blanc und amüsiert sich noch heute königlich: »Sie sind noch ziemlich jung«, hätten sie zu ihm gesagt, »und Sie haben einen Familiennamen, bei dem in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte: Jetzt haben die Lurtons noch ein weiteres Weingut übernommen. Könnten Sie nicht wenigstens der Namen Ihrer Mutter verwenden, wenn Sie auf Cheval Blanc arbeiten?« – »Das könnte ich im Prinzip schon«, habe er daraufhin geantwortet, sagt Lurton, »aber ehrlich gesagt bin ich im Zweifel, ob das die Sache besser macht. Meine Mutter trug vor ihrer Heirat den Namen Lafitte

Die Rebflächen von Château Cheval Blanc liegen an der Grenze zur Nachbar-AOC Pomerol. 
© Cecile Burban
Die Rebflächen von Château Cheval Blanc liegen an der Grenze zur Nachbar-AOC Pomerol. 

Ein neues Kapitel

Da am 21. April 1991 ein verheerender Frost über die Weinberge zog, fiel Lurtons erster Jahrgang auf Cheval Blanc dann gleich komplett aus. »Das war wohl ein gutes Zeichen«, schmunzelt der 64-Jährige. Und in der Tat waren die seither vergangenen 30 Jahre ein einziger Triumphzug. Cheval Blanc, diese Ikone der kühlen und gleichzeitig eindrucksvollen Eleganz, strahlt mehr denn je, der 2011 eingeweihte Kellerneubau ist mehr als nur ein Dokument des Erfolgs: Mit seiner raffinierten Architektur und den eigens für das Château konzipierten Gärbehältnissen aus Beton verleiht das Gebäude dem Esprit Cheval Blanc einen sichtbaren Ausdruck, steht für eine Funktionalität, die durchdrungen ist von Stilbewusstsein.

Der Barriqueausbau im Keller von Cheval Blanc.
© Cecile Burban
Der Barriqueausbau im Keller von Cheval Blanc.

Die bedeutendste Änderung in Lurtons Amtszeit war zweifellos der Einstieg von LVMH-Mehrheitseigner Bernard Arnault gemeinsam mit dem (2018 verstorbenen) belgischen Milliardär Baron Albert Frère. Die Stunde der beiden befreundeten ­Cheval-Blanc-Liebhaber schlug, als ein Teil der Eigentümerfamilie Fourcaud-Laussac verkaufen wollte. Wie so oft bei komplexen Erbschaftsverhältnissen, war der Besitz für die Familie nicht zu halten. Damit ging eine Familientradition zu Ende, die 1832 be­gonnen hatte – und die dem Weingut erst seine eigentliche Form gegeben hatte. ­Jean-Jacques Ducasse, dessen Tochter mit einem Laussac-Fourcaud verheiratet war, hatte Parzellen vom Nachbarn Figeac erworben und so das noch heute praktisch unverändert existierende 39 Hektar große Lagen-Ensemble geschaffen. Sein Schwiegersohn Jean Laussac-Fourcaud etikettierte den Wein 1852 erstmals mit dem Namen »Cheval blanc«. Zuvor hatte immer »Vin de Figeac« auf dem Etikett gestanden. Und er pflanzte den Weinberg mit dem ungewöhnlichen, aber ebenfalls heute noch weitgehend erhaltenen Sortenspiegel, in dem sich Cabernet Franc und Merlot die Ertragsfläche in etwa fifty-fifty teilen.

Bernard Arnault (r.) mit Pierre Lurton vor Château Cheval Blanc.
Foto beigestellt
Bernard Arnault (r.) mit Pierre Lurton vor Château Cheval Blanc.

Auf Gegenseitigkeit

Als Bernard Arnault und Albert Frère Cheval Blanc 1998 übernahmen, »hat sich mein Leben komplett verändert«, berichtet Lurton. »Zuvor hatte ich kaum Kontakt mit den Eigentümern, aber danach lebte ich in einem anderen Universum, und das mit gerade mal 42. Fantastisch! Die neuen Eigentümer haben sofort lebhaften Anteil an unserem Alltag genommen. Und ich habe sehr schnell gemerkt, dass sie mir komplett vertrauen.«

Die Verantwortung auf Lurtons Schultern sollte sogar noch wachsen: Nur ein Jahr nach dem Erwerb von Cheval Blanc kaufte LVMH die Sauternes-Legende ­Château d’Yquem von der Familie Lur Saluces. Alexandre de Lur Saluces blieb bis zum Jahr 2004 verantwortlich, dann ging die Leitung auf Pierre Lurton über. Und Lurton tat mit dem Team auf d’Yquem das Gleiche, das Bernard Arnault mit demjenigen auf Cheval Blanc getan hatte: ließ es in Ruhe weiterarbeiten, brachte ihm Respekt entgegen und unterstützte es mit Rückendeckung und finanzieller Stabilität. Yquems promovierte Önologin Sandrine Garbay, die ähnlich früh zu Yquem gekommen war wie Lurton zu Cheval Blanc, mit 27 als Laborkraft, mit 31 als leitende Kellermeisterin, wurde noch von Alexandre de Lur Saluces eingestellt. Bis zum heutigen Tag ist sie die Garantin dafür, dass die Feinjustage der so immens komplexen Produktion eines Botrytisweins Jahr für Jahr gelingt.

Château d’Yquem ist eine Trutzburg aus dem 16. Jahrhundert.
© Shutterstock
Château d’Yquem ist eine Trutzburg aus dem 16. Jahrhundert.

Le Grande Luxe

»Bernard Arnault hat einen unglaublichen Überblick über seine Unternehmen und gewährt ihnen große Autonomie«, erläutert Lurton weiter. »Der Hausstil bleibt erhalten, und man bekommt die finanziellen Mittel, um ihn sogar noch präziser und finessenreicher ausdrücken zu können.« 

Gerade im Fall von Yquem sei diese Haltung von unschätzbarem Wert: »Yquem ist der größte Weißwein der Welt, aber er ist überhaupt nicht in Mode.« Dabei, fährt Lurton mit einer nur allzu verständlichen Werbeeinblendung fort, gebe es so viele gute Gelegenheiten für ein Glas Yquem: Er passe wunderbar als Aperitif, zum Geflügel mit Morchelrahm, zu Roquefort, zu Pasteten. Kein Kontext, der momentan sehr populär ist. »Doch Bernard Arnault sagt: ›Wir schauen nicht auf die Zahlen, mach einen guten Yquem.‹ Er nimmt auch Verluste hin, denn er weiß, dass es um ein weinbauliches Erbe und um die langfristige Bewahrung einer großen Kultur geht.« Dann lehnt sich Lurton in seinem Schreibtischstuhl zurück. »LVMH wird als Luxusgüterkonzern bezeichnet, und manche ­Leute sagen, dem Wort ›Luxus‹ hafte etwas Snobistisches an. Aber das ist doch völlig verkehrt! Wie Bernard Arnault mit Yquem verfährt, dieser Blick auf die langfristigen Traditionslinien: Das ist er, der ›grand luxe‹, und nichts anderes.«

Zum »BEST OF PIERRE LURTON« Tasting


Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2021

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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