Chao Ga mit weichem Ei und karamellisierten Schalotten.

Chao Ga mit weichem Ei und karamellisierten Schalotten.
© Lena Staal, Johannes Kernmayer | Foodstyling: Gitte Jakobsen

Cortis Küchenzettel: Den Kater ganz mollig ertränken

Katerfrühstück ist ein guter Start ins neue Jahr. Aber eines, bei dem man hinterher nicht gleich wieder ins Bett muss. Sondern an die frische Luft!

Wer meint, dass wir Europäer dank ­jahrtausendelanger ­Symbiose mit dem Alkohol ganz gut ­wissen, wie sich die Kollateralschäden des Lustigseins am besten eindämmen lassen, der sollte einmal nach Vietnam fahren. Einerseits, weil man gesehen haben will, wie atemberaubend sich die mitunter schon während des Essens zudröhnen – nicht etwa mit Wein oder Bier, sondern mit Schnaps der richtig bösen Art. Und andererseits, weil sich die dort übliche Art der Regeneration am Morgen danach durchaus zur Nachahmung empfiehlt. 

Mir wird der Besuch des Mausoleums von Ho Chi Minh am Neujahrstag vor vielen Jahren jedenfalls immer in Erinnerung bleiben: So schnapsschwanger, wie die Luft in den heiligen Hallen an jenem Morgen war, hätten sie Onkel Ho gar nicht erst einbalsamieren müssen. Erstaunlicherweise aber wirkten die Co-Touristen aus der Provinz allem Alk-Dunst zum Trotz ganz entscheidend fitter, als der – lediglich durch Champagner – lädierte Gast aus Europa. Könnte es am Frühstück gelegen haben?

Das soll nicht heißen, dass unser Katerfrühstück – ob Eggs Benedict, Shakshouka oder Lachsbrötchen samt Konterbier – den herbeigesehnten Druckabfall in den Weiten des Brummschädels nicht zuverlässig herbeiführt. Das tut es. Es ist halt oft mit Sodbrennen verbunden: Selbst wenn man sich gar nicht mehr an die Sünden des Abends davor erinnern kann – der Magen tut es und ist beleidigt. Und in Wahrheit führt der Weg von einem Katerfrühstückstisch dieser reichhaltigen Art meist schnurstracks zurück ins Bett. Okay, das ­Klatschen beim Neujahrskonzert hört man auch im Halbschlaf, das Auslüften in der klaren Kälte des neuen Jahres aber verschiebt man in solchen Fällen meist, bis es schon wieder dunkel – und leider zu spät – ist. 

Diese Zeit haben sie in Vietnam aber nicht zu verlieren, dort will der Welt auch postkomatös noch schnell ein Haxen ausgerissen werden. Womit wir endlich bei Chao Ga sind. Die dick mit ungesalzenem Hühnerfond eingekochte Reissuppe mag aufs Erste nicht wirklich verlockend erscheinen, ihre Wirkung aber hat es in sich. 

Die schneeweiße Creme ist ein durch und durch freundliches, den Magen versöhnlich stimmendes Kompendium. Ein bisschen frisch geschnippelte Frühlingszwiebel dazu, ganz langsam zu süßer Kraft karamellisierte Schalotten und Knoblauch, ein paar Tropfen hocharomatisches Sesamöl – und Ingwer, der hilft schließlich gegen fast alle Wehwehchen ausschweifenden Lebenswandels. Wer es gehaltvoller mag, löffelt sich ein weiches Ei hinein oder röstet sich etwas vom Sauschädel des Vorabends an. Dass in so ein magenfreundliches Süppchen ordentlich Chili gehört, mag verwundern. Das für die Schärfe am Gaumen verantwortliche Capsaicin hat aber eine deutlich lindernde Wirkung bei Verdauungsbeschwerden. In diesem Sinne: Möge 2024 angenehm scharf werden!

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Erschienen in
Falstaff Nr. 10/2023

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Severin Corti
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