Wildbret ist eines der nachhaltigsten Lebensmittel, die man auf heimischen Speisekarten finden kann.

Wildbret ist eines der nachhaltigsten Lebensmittel, die man auf heimischen Speisekarten finden kann.
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So wie die Jagd erfreut sich auch die Wildküche wachsender Beliebtheit

In Sachen Nachhaltigkeit hat Wildbret die Nase vorn und auch Spitzenköche schwören auf das Fleisch von Reh, Wildschwein, Gams & Co. – Falstaff präsentiert vier Rezepte zum Nachkochen.

Gefragt nach Wildbret, gerät Koch Max Stiegl ins Schwärmen: Geschmorte Fasan-Haxl. Curry aus Hirsch-Schulter. ­Reh-Chili-Leberkäs: »So was herrliches!«, Wildhasenleber: »Grandios!« Oder die Consommé aus Wildschwein, die man derzeit auf der Karte habe, mit Chili, Sellerie und Zitronengras. »Die hat so einen leicht heißen Touch, sensationell. Ich liebe es!« Warum er so gerne mit Wild arbeitet? Selbsterklärend, meint der 43-Jährige, der in Purbach am Westufer des Neusiedler Sees kocht. »Wild ist bio, regional, naturnah und nicht mit Antibiotika vollgespritzt.«

Und: Es hat einen unverwechselbaren fein-aromatischen Geschmack. Die Tiere ernähren sich von dem, was sie in freier Wildbahn finden – Kräuter, Blätter und Gräser. Da sie sich viel bewegen, ist ihr Fleisch kräftig und zart. Es sowohl fett- als auch cholesterin­arm, dafür reich an Vitaminen, Mineralstoffen und – als Folge der vielsei­tigen Nahrungsauswahl – wertvollen ­Omega-3-Fettsäuren. Rund drei Mal mehr enthält es davon als das Fleisch von Rind, Lamm und Huhn, verglichen mit Schwein ist der Anteil gar zehn Mal so hoch. Das macht Wildbret neben Fisch zu einer der gesündesten Fleischarten.

»Das Wildbret ist ein einzigartiges Nahrungsmittel von besonderer Qualität«, sagt auch Miroslav Vodnansky, Leiter des Mittel­europäischen Instituts für Wildtierökologie und 2. Vizepräsident des Vereins Grünes Kreuz. »Da es aus der heimischen Natur kommt, handelt es sich um ein reines Naturprodukt mit einem starken regionalen Bezug.«

Gegessen wird Wild seit mehreren Millionen Jahren. Schon vor der Entdeckung des Feuers stand es auf dem Speiseplan der Menschen, zunächst roh und ungesalzen, später gebraten und geschmort, mit der Zeit immer ausgefeilter. Eines der ältesten hierzulande überlieferten Wildrezepte stammt aus dem 1827 erschienenen »Linzer Kochbuch«: »Hasen in einer Pastete« gab es damals. Trotz der langen Tradition und den vielen positiven Eigenschaften macht Wildbret mit weniger als einem Kilogramm nur einen kleinen Anteil am jährlichen Fleischkonsum der Österreicher aus. Vermutlich eine Folge des jahrhundertelangen adligen Jagdprivilegs. Anders als in Frankreich etwa blieb Wildfleisch in den Küchen der Bevölkerung eine Randerscheinung.

Aufwärtstrend

Das Interesse an der heimischen Delikatesse aber wächst seit Jahren. Nachhaltigkeit, Regionalität und Tierwohl sind die ernährungspolitischen Schlagwörter der Stunde. Wildbret, sagt Miroslav Vodnansky, liege »klar im gesellschaftlichen Trend«. Auch Koch Max Stiegl aus dem burgenländischen Purbach spürt die gestiegene Nachfrage. »Jeder, der bewusst lebt und sich ausgewogen ernähren will, freut sich über unser gutes Wild.« Dennoch: Das Fleisch bekomme noch immer zu wenig Aufmerksamkeit, findet er. Gaststätten werben etwa mit Kobe aus Japan und Biorind aus Argentinien. »Ein Schwachsinn«, meint Stiegl und schwärmt sogleich wieder von heimischem Hasenherz und Hirschripperl. Bei Wild denken viele noch immer an »durchgebratenes Fleisch mit grauer Soße drüber«. Das aber gilt schon lange nicht mehr.

Heutzutage wird Wildbret als Bolognese zur Pasta serviert, zu »Pulled Reh« gezupft oder in Frühlingsrollen verpackt. Die junge, mit zwei Hauben dekorierte Köchin Viktoria Fahringer serviert das »Superfood«, wie sie es nennt, gerne als Carpaccio: Feinste Scheiben Reh- oder Hirschfilet, je nach Jahreszeit garniert mit frischen Kräutern oder Steinpilzpesto. Zarte Fleischstücke von der Schulter gibt es bei der Kufsteiner Köchin gerne rosa gebraten. Denn die alte Regel, wonach Wildbret stets durchgegart werden sollte, ist längst überholt. Wie bei jedem Fleisch hängt die Zubereitungsform von den Cuts ab. Rückenstücke von Reh, Hirsch, Wildschwein und Hase lassen sich sowohl im Ganzen als auch ausgelöst als kurz gebratenes Steak zubereiten. Keulen dagegen werden meist geschmort, eignen sich aber auch, um sie im Ganzen zu braten. Schulterstücke werden oft ausgelöst, auf kleiner Flamme gekocht und als Ragout, Gulasch oder Geschnetzeltes serviert.

»Nichts ist falsch am klassischen Reh- oder Hirschrücken«, meint Max Stiegl. »Aber es ist längst nicht alles.« Er kocht gerne mit wenig genutzten Stücken und Tieren. Biber, Steinbock, Wachteln, Rebhühner. »Was brauchen wir Bresse-Hühner aus Frankreich, wenn wir so was Gutes vor der Haustür haben?« Das Burgenland mit seiner vergleichsweise kleinteilig strukturierten Landwirtschaft und den vielen Biotopen zählt zu den besonders wildreichen Regionen des Landes. Im Seewinkel tummelt sich Wasser- und Niederwild, im Südosten Federwild. Auch das seltene Mufflon, ein ursprünglich aus Korsika und Sardinien stammendes Wildschaf mit besonders zartem Fleisch, fühlt sich im Burgenland wohl.

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Welche Stücke sind am Besten?

Hirsch: Der Rücken zählt zum Edelsten, was der Hirsch zu bieten hat. Das Fleisch ist zwar kernig, aber zart und geschmacksintensiv. Er kann im Ganzen gebraten werden, dabei sollte man die dünne Fettschicht am Fleisch belassen.

Reh: Rehe haben ein kurzfaseriges, rötlichbraunes, mageres Fleisch. Das beste Stück ist auch hier der Rücken. Er wird gerne im Ganzen gebraten. Aus den ausgelösten Rückenfilets lassen sich aber auch feine Medaillons zum Braten in der Pfanne, Grillen oder Pochieren herausschneiden. Auch die Rehkeule wird meist im Ganzen gebraten oder geschmort.

Gams: Gamsfleisch ist dunkel und sehr aromatisch und kann auch etwas fettiger sein. Kitze und einjährige Tiere haben das zarteste Fleisch; bei älteren Tieren empfiehlt es sich, das Fleisch vor der Zubereitung in eine Beize zu legen. Die Schulter ergibt im Ganzen, mit den Knochen geschmort, einen wunderbaren Braten.

Wildschwein: Das Fleisch von Wildschweinen ist dunkelrot, aromatisch und saftig. Es hat oft einen höheren Fettanteil als andere Wildarten, im Vergleich zum Hausschwein ist es aber immer noch mager. Der Wildschweinnacken eignet sich besonders gut als Schmorbraten, entbeint lassen sich Steaks auch grillen und kurz braten.

Mufflon: Feinschmecker schätzen das zarte Fleisch der Mufflons.  Besonders beliebt sind die zarten Oberfilets aus dem Mufflonrücken. Sie eignen sich sowohl zum Kurzbraten als auch für Medaillons oder zum Grillen. Für festliche Anlässe empfiehlt sich eine geschmorte Keule.

Hase: Das Fleisch von Feldhasen ist dunkel, rotbraun und würzig. Am schmackhaftesten sind junge, knapp einjährige Exemplare. Vor der Zubereitung werden das Fett und sämtliche Häute entfernt.
Die Schulter und Keulen eignen sich bestens zum Schmoren, man kann sie aber auch braten. Auch der Hasenrücken kann im Ganzen gebraten werden. Auch Rückenfilets werden sehr geschätzt. Ausgelöst eignen sich diese hervorragend zum Kurzbraten. Kenner schätzen auch die Innereien vom Hasen – insbesondere die Leber.

Fasan: Das etwas hellere, langfaserige Fleisch, besonders von jungen Tieren, wird in der Wildküche seit jeher geschätzt. Wie bei Wildgeflügel allgemein gelten die Keulen und Brüste als die besten Stücke. Aber Achtung: Das Fleisch älterer Tiere kann auch ganz schön zäh sein, überdies sind Fasane echte Sportler und haben deshalb schon grundsätzlich ein eher festes Fleisch.

Rebhuhn: Junge Rebhühner sind eine wahre Delikatesse. Sie werden üblicherweise im Ganzen zubereitet, entweder gebraten oder geschmort. In Einzelteile zerlegt, lassen sich die Keulen, aber auch die Brustfilets braten, schmoren oder grillen.

Wachtel: Die heute im Handel und in der Gastronomie erhältlichen Exemplare stammen alle aus Zuchtbetrieben. Das Fleisch ist besonders aromatisch und zart. Gefüllt oder ungefüllt können Wachteln einfach im Ganzen gebraten oder am Spieß gegrillt werden. Oft werden die Brüste mit Speckscheiben belegt, damit sie beim Garen nicht austrocknen. Ausgelöste Keulen und Brüste können auch angebraten und geschmort werden.

 

Regionale Spezialitäten

Max Stiegl bezieht sein Wildbret von lokalen Jägern und Jagdgesellschaften. »Wir haben Glück, dass wir den Esterházy vor der Haustür haben.« Mit 40.000 Hektar Jagdfläche zählt dieser hierzulande zu den größten privaten Jagdanbietern. 2017 wurde der Betrieb – als einer der ersten des Landes – mit dem begehrten »Wildlife Estates Label« ausgezeichnet. Eine Würdigung für das langjährige Engagement zur Förderung von Artenvielfalt und Biodiversität. Durch Hecken und Begleitstreifen werden dem Wild Lebens- und Rückzugsräume geschaffen, die 2020 neu errichtete Fleischmanufaktur ermöglicht die energieautarke, hochmoderne Weiterverarbeitung. Unter der Dachmarke Pannatura, bei der der Esterházy-Grundbesitz eingegliedert ist, gibt es das Fleisch aus burgenländischer Jagd landesweit zu kaufen. Ebenso veredelte Wildspezialitäten wie Pastete, Hirschschinken oder Cabanossi vom Wildschaf.

Eine Übersicht regionaler Wildanbieter, Manufakturen und Gastronomiebetriebe verschafft die 2020 gestartete Online-Plattform »Wildes Österreich«. Wer am Land wohnt, kann Wildbret meist direkt vom Jäger beziehen. Durch urbane Hofläden, die eng mit Erzeugern zusammenarbeiten, wird man ­dieser Tage auch in der Stadt schnell fündig. Im Wiener Hofladen der burgenländischen Meinklang-Farm etwa gibt es immer wieder Wild aus heimischer Jagd. Qualitativ hochwertiges Wildfleisch hat einen angenehm-aromatischen, leicht säuerlichen Geruch und ist dunkelrot bis rotbraun. Der strenge, früher fälschlicherweise als »wildtypisch« beschriebene Beigeschmack ist Folge falscher Verarbeitung oder Lagerung und heute passé. Strenge Qualitätskontrollen und Kurse für Jäger, die ihr Fleisch direkt ­vermarkten, stellen sicher, dass Wildbret dieselben Hygienestandards wie Fleisch von Schlachttieren erfüllt.

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Comeback der Jagd

Die lange als Alt-Herren-Hobby abgeschriebene Jagd erlebt seit einigen Jahren eine Renaissance. Rund 130.000 Menschen verfügen hierzulande über einen Jagdschein. Das Interesse wächst – vor allem unter jungen Leuten und Frauen. Der Anteil der Jägerinnen lag zuletzt bei rund zehn Prozent – in den Kursen zur Jagdprüfung machen sie schon rund ein Drittel aus. Die Menschen haben entdeckt, wie spannend die Natur ist, dass Jagd mehr ist als der Abschuss von Tieren.

Miroslav Vodnansky vom Verein Grünes Kreuz beschreibt sie als »nachhaltige, mit Naturerlebnis und -erkenntnis verbundene Naturnutzung, bei der auch der Mensch zum Bestandteil der Natur wird«. Eine auf dem Nachhaltigkeitsprinzip beruhende Jagd könne mit Recht als »gelebter Naturschutz« bezeichnet werden. »Wenn die Jäger das Wild nutzen wollen, müssen sie auch dafür sorgen, dass seine Lebensgrundlagen ausreichend gesichert und die Naturräume erhalten werden.« Auch zum Klimaschutz tragen Jagd und Wildgenuss bei. Zur Leibspeise von Reh und Co. zählen junge Triebe und Baumrinde. Ist die Population zu groß, hat der im Kampf gegen den Klimawandel so wichtige Wald keine Chance. Selbst manche, die sonst vegan leben, lassen sich vom nachhaltigen Wildbret überzeugen: Stichwort Jeganer.

Zur Nachhaltigkeit gehört auch, dass die Verfügbarkeit je nach Saison und Jagderfolg variiert. »Viktoria, ich geh bald wieder auf die Jagd«, meldet sich Fahringers Onkel von Zeit zu Zeit. »Wahrscheinlich stehen zwei Rehe, ein Hirsch und drei Gamsböcke auf der Abschussliste.« Manchmal dauert es mehrere Wochen, bis er ein Tier erwischt. Ähnliches berichtet man auch im Wiener Hofladen Meinklang: »Wenn der Senior was geschossen hat, bekommen wir eine WhatsApp: Braucht’s ihr was?« Für ein Pop-Up, das sie gemeinsam mit den Kochprofis Agnes Karrasch und Niño Fjordside Andersen aus dem Michelin-besternten »Koks« veranstalteten, lieferte »der Senior« wilde Tauben. Das auf den Faröer Inseln beheimatete »Koks« steht für ultra-regionale, naturnahe Küche. Ins Burgenland übertragen heißt dies: Koji-gereifte Wildtaubenbrust, die Knochen mit Resten der Weinproduktion zur Soße verkocht. Ein intensiver Genuss, denn das Fleisch der wilden Vögel ist deutlich kräftiger und aromatischer als jenes der herkömmlichen Zuchttiere. Gleiches gilt für die Wildleber, die Max Stiegl so gerne serviert. Sensationell sei die. Und so selten, dass man sie gar nicht erst auf die Karte schreibe. »Wenn’s mal eine gibt, ist die schnell weg.« Auch dies gehört zum Wildgenuss: Das Bewusstsein um das Fleisch als rares, wertvolles Produkt.

Rezepte aus Wild:


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Verena Carola Mayer
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