Nirgendwo sonst in der Schweiz geht es beim Weinbau so hoch hinaus wie im Wallis.

Nirgendwo sonst in der Schweiz geht es beim Weinbau so hoch hinaus wie im Wallis.
© Valais Wallis Promotion / Christian Pfammatter

Wallis: Die Berge im Glas

Das Wallis mit seinen 4732 Hektar Rebfläche ist nicht nur der grösste Weinbaukanton der Schweiz, sondern auch eine wahre Schatzkiste für Entdecker. Inmitten der Alpen entstehen hier – häufig aus autochthonen Sorten – einige der spannendsten Tropfen der Schweiz.

Das Wallis ist der Schweizer Weinbaukanton der Superlative. Nirgendwo gibt es mehr Rebfläche hierzulande als im Wallis mit seinen 4732 Hektar. Auch höhere Reb­berge findet man nirgends in der Schweiz. Die häufig terrassierten Lagen des grössten Weinbaukantons des Landes erstrecken sich vom Rhôneknie bei Martigny bis nach Brig – grösstenteils am nach Süden ausgerichteten Rhôneufer, das zwischen Martigny und Salquenen fast durchgehend mit Rebstöcken bepflanzt ist. Das u-förmige Tal, das vor rund 20.000 Jahren durch den Rückzug der Gletscher geformt wurde, geniesst besonders trockenes und sonniges Klima. Verstärkt werden die steppenartigen klimatischen Bedingungen durch den Föhn, der hier besonders im Herbst windet, was den Anbau von spät reifenden Sorten wie etwa Syrah begünstigt. Gleichzeitig kann hierdurch in deutlich höheren Lagen als anderswo in der Schweiz Weinbau betrieben werden, wie etwa in Visperterminen im Oberwallis, wo die Reben in sagenhaften 1100 Metern Höhe gedeihen.

Die Wurzeln des Walliser Weinbaus reichen weiter zurück, als man lange Zeit annahm. Archäologen fanden heraus, dass die Weinrebe bereits zur Eisenzeit um 500 bis 600 vor Christus im Wallis existierte und nicht wie ursprünglich angenommen mit den Römern in die Region kam. Über Jahrhunderte hinweg diente der Walliser Weinbau ausschliesslich der Selbstversorgung, erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde er kommerzialisiert. Nach der Reblauskatastrophe, die zu diesem Zeitpunkt die meisten Weinregionen Europas verwüstete, verlor das Wallis fast all seine einheimischen Rebsorten und der Anbau von produktiveren Sorten wurde gefördert. Namentlich handelte es sich hierbei um Chasselas, der im Wallis Fendant genannt wird, Pinot Noir, Gamay und Silvaner, der hier Johannisberg heisst. Allesamt Sorten, die bis heute zu den am meisten kultivierten im Kanton gehören.

Nach dem Ersten Weltkrieg geriet der Walliser Weinbau in eine tiefgreifende Krise. Der Markt wurde mit ausländischen Weinen überschwemmt, woraufhin sich viele Produzenten zusammenschlossen und die Winzergenossenschaft Provins gründeten. Provins ist bis heute die grösste Kooperative der Schweiz und verantwortet rund 20 Prozent der gesamten Produktion des Wallis.

Im Wallis finden sich rare autochthone Rebsorten, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die Walliser Weinwirtschaft ihre kommerzielle Blüte. Die Weinproduktion war ein immens wichtiger Wirtschaftszweig und die Rebfläche des Kantons stieg auf über 5000 Hektar. Wie in vielen Weinregionen Europas brachte der Erfolg jedoch auch Schattenseiten mit sich: Zu hohe Erträge in den Rebbergen brachten die Weinqualität der Walliser Gewächse an den Rand des Kollapses. Darunter litten auch berühmte Klassiker wie der Dôle, die Walliser Cuvée aus Pinot Noir und Gamay, der heute dank einer neuen Winzergeneration wieder neues Leben eingehaucht wird.

Walliser Spezialitäten

Die notwendige Qualitätsrevolution in den 1980ern brachte auch die Wiederbelebung der Walliser «Spezialitäten» mit sich, womit Rebsorten gemeint sind, die nicht dem Quartett Fendant, Pinot Noir, Gamay und Johannisberg angehören. Einige dieser Sorten legten infolgedessen stark an Fläche zu. Petite Arvine, Cornalin und Humagne Rouge etwa, die zu den autochthonen Rebsorten des Kantons gehören und sich heute grosser Beliebtheit erfreuen. Platzhirsch ist dennoch der Pinot Noir, der rund ein Drittel der gesamten Walliser Rebfläche einnimmt und im äusserst diversen Terroir des Kantons grosse Weine hervorbringt.

Aufgrund der immer intensiver werdenden Hitze im Tal braucht es hierfür jedoch immer mehr Fingerspitzengefühl, das unter anderem Weinmacher Patrick Regamey vom Weingut Histoire d’Enfer mit seinen herausragenden Pinot-Gewächsen regelmässig an den Tag legt. Zu den genannten «Spezialitäten» zählt aber auch der aus dem französischen Jura stammende Savagnin Blanc, der im Wallis Heida oder Païen genannt wird. Am bekanntesten ist die Rebsorte für die Weine, die in den Höhenlagen von Visperterminen entstehen – teils aus Reben, die noch aus der Zeit vor der Reblaus stammen. Vielversprechend ist die Rhône-Sorte Syrah, eine weitere Spezialität, die sich im Wallis äussert wohl zu fühlen scheint. Dies beweisen unter anderem die Spitzengewächse von Jean-René Germanier oder dem Weingut Adrian & Diego Mathier, die selbst Kenner der prestigeträchtigen Weine vom französischen Teil der Rhône überzeugen dürften.

Dank der besonderen klimatischen Bedingungen, die im Wallis herrschen, ist das Gebiet zudem für die Süssweinproduktion prädestiniert. Sie werden häufig aus der Sorte Marsanne nach Vorbild des Sauternes gekeltert. Wie in anderen für ihre Süssweine bekannten Gebiete begünstigt das hiesige Klima die Entwicklung der Edelfäule Botrytis. Der Pilz macht die Traubenhäute porös, wodurch der Wassergehalt abnimmt und sich Zucker, Säure und Aromastoffe konzentrieren. Wie einzigartig die Walliser Süssweine sind, verdeutlicht sicherlich die Ausnahmewinzerin Marie-Thérèse Chappaz, die erst kürzlich vom «Wine Advocate» für ihren Grain par Grain Petite Arvine Domaine des Claives aus dem Jahr 2020 mit sagenhaften 100 Punkten ausgezeichnet wurde. Der einzige Schweizer Wein, der die Höchstpunktzahl je erhielt, stammt aus den Walliser Alpen.


Wallis auf einen Blick

Geografie
Das Wallis ist der grösste Weinbaukanton der Schweiz und umfasst knapp ein Drittel der gesamten Rebfläche des Landes. Vom Rhôneknie bei Martigny ausgehend zieht sich das Gebiet bis hinauf nach Brig. Das Kernland des Walliser Weinbaus befindet sich auf dem nach Süden ausgerichteten rechten Rhôneufer, das von Salquenen bis Martigny fast ununterbrochen bewachsen ist.

Böden und Klima
Das Wallis ist die sonnenreichste und niederschlagsärmste Region der Schweiz. Begünstigt wird das hiesige Steppenklima durch die hohen Berggipfel, die das Tal vor Regen schützen, genauso wie vom Föhn, der hier windet. Die Böden im Wallis sind äusserst divers und reichen von Granit und Gneis, die im Unterwallis dominieren, über kalkreiche Schieferböden bis hin zu einer Mischung aus Schwemmland, Schiefer, Mergel, Sand und Kalk, die ab Salgesch zu finden ist.

Traubensorten
Rund 60 Prozent der 4732 Hektar Rebfläche des Wallis sind mit roten Rebsorten bestockt, wovon knapp die Hälfte auf die Sorte Pinot Noir entfällt. Bei den weissen Sorten dominiert mit rund 17 Prozent der Anbaufläche der Chasselas oder Fendant, wie er im Wallis auch genannt wird. Daneben werden diverse autochthone Rebsorten kultiviert, deren Anteil sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt hat und heute bei rund 35 Prozent liegt. Die bedeutendsten hiervon sind Arvine, Cornalin und Humagne Rouge.

Dominik Vombach
Dominik Vombach
Chefredaktion Schweiz
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