Zur historischen Festungsanlage Elizabeth Castle gelangt man zu Fuß nur bei Ebbe. Ein Highlight ist der Panoramablick vom Burgturm.

Zur historischen Festungsanlage Elizabeth Castle gelangt man zu Fuß nur bei Ebbe. Ein Highlight ist der Panoramablick vom Burgturm.
© Visit Jersey

Long Weekend Jersey: Malerisch am Meer

Jersey, die größte der Kanalinseln, bietet nicht nur wunderbare Klippen und Buchten, die locker mit dem viel bekannteren Cornwall mithalten können. Auch Foodies werden während eines entspannten Kurzurlaubs glücklich.

Freitag

Am ersten Tag erkunden wir die Hauptstadt Saint Helier und waten bei Ebbe durch das Watt.

Ein bisschen französisch und doch so very british: Saint Helier, die Hauptstadt Jerseys, überzeugt mit ihren hübschen Häuserfassaden und den quer über die Straße gespannten Wimpelketten gleich auf den ersten Blick: Très charmant an der Südküste der größten der Kanalinseln gelegen, spürt man die Nähe Frankreichs an den Straßennamen (und später auf den Speisekarten). Gleichzeitig wähnt man sich in kitschig-schöner englischer Rosamunde Pilcher-Kulisse. Nur eben nicht in Cornwall, sondern mitten im Ärmelkanal.

Wieso Jersey in unseren Breiten vorrangig als Steuerparadies bekannt ist und fast gar nicht für seine atemberaubend schönen Seiten, ist wohl für jeden, der hier ein paar Tage verbracht hat, unverständlich.

Als Einstimmung ist ein Vormittag in den belebten Straßen der Hauptstadt also bestens geeignet. Nicht verpassen sollte man den »Central Market«, eine Markthalle aus Eisen und Glas, in der man die eine oder andere Besonderheit entdecken kann, die es nur auf der Insel gibt: wie die Kartoffel­sorte Jersey Royals. In der zweiten Markthalle, in der Fischer ihren Fang verkaufen, bekommt man einen Eindruck, was man auf fast jeder Speisekarte finden wird: Eine unüberschaubar große Auswahl an Fischen, Krabben, Austern und Muscheln. Wer Hunger bekommt, kann gleich (etwa im »Bistro Rosa«) auf einen Crab Salad gehen. Oder ein paar Minuten weiter spazieren, zu einem der besten Lokale der Insel: Dem »Bohemia«, in dem Küchenchef Callum Graham ein dreigängiges Lunch-Menü serviert, inspiriert von lokalen Produkten, mit Einflüssen aus dem nahen Frankreich.

Nachmittags geht es an die Ostküste: per Mietauto (neben dem Linksverkehr sind die schmalen Straßen herausfordernd), per Taxi oder mit dem Bus. Selten konnte man den Tidenhub – angeblich der drittgrößte der Welt – so eindrucksvoll beobachten wie hier: Mit jeder Welle zieht sich das Meer sichtlich um mehrere Meter zurück. Die freigelegte Wattlandschaft bietet sich für einen Spaziergang an. Am besten – die Flut kommt ähnlich schnell zurück – in kompetenter Begleitung: Trudie, eine vor Jahren ausgewanderte Deutsche – bietet »Jersey Walk Adventures« an, verteilt Gummstiefel, und führt weit, weit hinaus, der Sonne entgegen, zu den Austernbänken. Achtung: Frühzeitig buchen!

Die Jersey Oyster gilt als eine der besten Austernsorten der Welt, kein Wunder, findet sie hier ideale Bedingungen vor: Der Atlantik ist sauber und nährstoffreich, dank des Golfstroms kühlt das Meer nie unter sieben Grad ab, wird aber auch im Sommer nie zu warm. Zum Abschluss führt Trudie ins »Seymour Inn« zum – erraten – Austern-Verkosten. Allzu satt sollte man sich nicht essen, denn abends darf man sich das Dinner im herrschaftlichen »Longueville Manor« nicht entgehen lassen, das nicht nur für die Küche von Andrew Baird, sondern auch für die Weinkarte bekannt ist. Für den Drink danach geht es zurück nach Saint Helier mit seiner kleinen, aber feinen Barszene. 


Samstag

Am zweiten Tag geht es per Rad zum Leuchtturm und zur Schnulzentauglichen Portelet Bucht. 

Einer der vielen malerischen Küstenorte der Insel ist Saint Aubin. Von hier aus startet die heutige Radtour, der Radverleih liegt praktischerweise direkt am Beginn des sogenannten Corbière Walks, einer wunderhübschen Wander- und Radroute, die entlang stillgelegter Bahngleise führt. Zuletzt als Zugstrecke genutzt wurde diese Verbindung von den Nazis – denn, was hierzulande kaum bekannt ist, die Kanalinseln waren als einziges britisches Territorium im Zweiten Weltkrieg ab Juni 1940 bis Kriegsende von den Nationalsozialisten besetzt. Von diesen dunklen Jahren zeugen nicht nur einige Abwehrtürme, die die Nazis entlang der Küste errichtet haben, die Zeit wurde auch akribisch aufgearbeitet, etwa im »Jersey War Tunnels«, der geschichtsinteressierten Touristen jedenfalls empfohlen sei.

Die Radstrecke führt fast immer flach durch eine wunderhübsche Baumallee. Da der Golfstrom für äußerst mildes Klima sorgt, gedeihen hier etwa Palmen, Orchideen, Drachenbäume und Lilien prächtig. Mit etwas Glück entdeckt man auf einer der Weiden die Jersey Cows, ehe man nach rund sieben Kilometern beim Corbière Leuchtturm ankommt. Jedenfalls stoppen sollte man beim kleinen Eisstand in der Nähe, einer der wenigen Orte der Insel, bei dem man nicht mit Karte bezahlen kann. Ein wenig Geld abheben sollte man jedenfalls, gibt es doch in Jersey eine eigene, an den britischen Pfund angelehnte Währung, den Jersey Pound. Die Geldscheine und Münzen sind wunderbare Souvenirs. Überhaupt haben die Kanalinseln eine Sonderstellung: Sie gehören nicht zum Vereinigten Königreich, sondern sind direkt der Krone unterstellt, weshalb sie auch nie EU-Mitglied waren, sich also auch die Mühen und Folgen des Brexit erspart haben. 

Bei Ebbe kann man zu Fuß zum Leuchtturm spazieren, aber auch bei Flut ist er – aus etwas Distanz – ein hübsches Fotomotiv. Hier ist das Meer wild und rau, das Gebiet war früher von Seeleuten gefürchtet. 

Auf dem Weg zurück kann man entweder der bekannten Strecke bis Saint Aubin folgen oder man macht einen Abstecher zur familiengeführten Lavender Farm, die vor allem zur Lavendel-Erntezeit (ab Mitte Juni bis August) einen Besuch wert ist. 

Viel weniger überlaufen als die benachbarte St. Brelade’s Bay  – einer der wenigen Orte der Insel, an dem sich sehr viele Touristen tummeln – ist die Portelet Bucht. Hier geht es über – Achtung – sehr steile Steinstufen hinunter zum Meer: Glasklares Wasser, ein Sandstrand, rundherum Klippen – hier könnte man problemlos eine Rosamunde-Pilcher-Schnulze drehen. Auch Schwimmen ist möglich, sofern einem niedrige Temperaturen – auch im Sommer hat das Meer selten über 19 Grad – nichts ausmachen.  Zur Stärkung bestellt man Pizza im rustikalen »Portelet Bay Café« direkt in der Bucht. 

Am Nachmittag wartet die Ostküste: Bei St. Catherine’s Breakwater starten die »Jersey Seafaris«, die diverse Ausflüge auf Schnellbooten (den RIB Boats) anbieten. Wer will, kann sogar zum Abendessen nach Carteret in Frankreich fahren, etwas kürzer dauern die Ausflüge zu den zwei kleinen Inselgruppen Minquiers und Les Écréhous, hidden heros mit sagenhaft schönen Sandstränden. Die Guides an Bord erzählen dabei allerlei über die Geschichte der Inseln, vor allem aber ihrer Meeresbewohner: Mit etwas Glück begegnet man auf dem Weg Delfinen und Robben, unvergesslich! 

Abends steht ein Besuch im »Ocean«-­Restaurant im Hotel »The Atlantic« an: Chef Will Holland zählt zu den besten Köchen Großbritanniens. 


Sonntag

Britischer Wein, die steile Nordküste und das historische Elizabeth Castle stehen am dritten Tag auf dem Programm.  

Nein, weltberühmt ist der Wein aus Jersey nicht gerade, aber verkostenswert allemal – und zwar am allerbesten auf dem prächtigen La Mare Wine Estate im Norden der Insel, das ausgiebige Führungen über das Anwesen anbietet. Hier werden auch Cider produziert und Gin destilliert. Kleines Minus: Da die Kanalinseln nicht zum Schengen-Raum zählen, darf man leider nur sehr wenig Alkohol mit zurück aufs Festland nehmen, auch wenn die Gin-Variationen ein tolles Souvenir wären. Nach einer kleinen Stärkung im »Vineyard Café« bleibt noch Zeit für einen Abstecher an die Nordküste: Die ist ziemlich rau, steil und sehr eindrucksvoll, nur wenige Minuten vom Weingut entfernt liegt etwa das Devil’s Hole (benannt nach einer Galionsfigur, die einst nach einem Schiffbruch in der Höhle gefunden wurde) samt kleiner Aussichtsplattform. Theoretisch kann man die ganze Nordküste entlang auf schmalen Pfaden in und über den Klippen entlangwandern, immer wieder kommt man an verträumten kleinen Fischerdörfern vorbei, ein Highlight ist etwa der zigfach fotografierte, wunderbar bemalte Kiosk »The Hungry Man« in der Rozel Bay. Für eine ausgiebige Wanderung hat man während dieses Kurzurlaubs wohl leider keine Zeit – vielleicht beim nächsten Besuch.

Zurück in Saint Helier legt man im »Pomme d’or-Hotel« eine Mittagspause ein, ein für die Bewohner Jerseys bedeutsamer Ort: Am Ende des Zweiten Weltkriegs
wurde hier die Hakenkreuz-Fahne der Nazis vom Balkon gerissen und die englische gehisst, seither wird jedes Jahr im Mai vor dem Hotel die »Liberation« gefeiert. 

Zum Abschluss geht es noch hinaus in die Saint Aubin’s Bucht zum Elizabeth Castle. Je nach Gezeitenlage kann man die 750 Meter zur Festungsanlage zu Fuß zurücklegen. Bei Flut steigt man in ein höchst kurioses Amphibienfahrzeug, das einen zur historischen Burganlage bringt. Ursprünglich lebten hier Mönche, der Eremitenfelsen Hermitage Rock erinnert an den heiligen Helier, der der Legende nach Piraten zum Christentum bekehren wollte, von diesen aber enthauptet wurde, woraufhin er mit seinem Kopf unter dem Arm davon marschiert sein soll. (Die zwei gekreuzten Äxte im Wappen Saint Heliers erinnern daran). Wer sich für die Militärgeschichte Jerseys interessiert, ist in den Räumlichkeiten der Burg richtig. Alle anderen genießen den Spaziergang über die riesige Anlage, Pflicht ist der kurze Aufstieg durch das wappengeschmückte Iron Gate hinauf  zum Burgturm, der einst zur Beobachtung von unerwünschten Ankömmlingen genutzt wurde und heute Touristen einen wunderbaren Rundumblick auf das Meer und auf Jersey ermöglicht.  Vielleicht sieht man eine der Fähren vorbeiziehen, die zwischen Jersey und der zweitgrößten Kanalinsel Guernsey verkehrt, die man – so viel ist nach drei Tagen auf Jersey klar – eines Tages auch unbedingt besuchen möchte.

Tipps & Adressen

Hotels & Restaurants

The Atlantic Hotel/Ocean Restaurant **** (1)
Eine der elegantesten Adressen Jerseys  – und das  einzige Hotel der Insel, das zu den »Small Luxury Hotels of the World« zählt. Aus den Zimmern und Suiten blickt man entweder auf das Meer oder auf den Golfplatz. Im »Ocean Restaurant« kocht mit Will Holland einer der besten Küchenchefs Großbritanniens. 

Mont de la Pulente, Jersey JE3 8HE
T: +441534744101, theatlantichotel.com

Longueville Manor Hotel plus Restaurant *****  (2)
In einem prächtigen Park gelegen, zählt das ehemalige Herrenhaus aus dem 13. Jahrhundert zu den feinsten Adressen Jerseys. Andrew Baird führt das hervorragende Restaurant mit riesiger Weinkarte. 

Longueville Road, Jersey JE2 7 WF
T: +44153472550, longuevillemanor.com

© Stefanie Hilgarth / carolineseidler.com

Hotels

Golden Sands Hotel **** (1)
Sehr britisches Hotel, das vom Charme vergangener Zeiten lebt. Direkt an Jerseys beliebtestem Sandstrand in der St. Brelade’s Bay gelegen. Beliebt bei Familien.

La Route de la Baie, Jersey JE3 8EF
T: +441534 741241, goldensandsjersey.com

St. Brelade’s Bay Hotel  **** (2)
Ebenfalls direkt am Sandstrand gelegen, bietet das St. Brelade’s Bay Hotel 79 stilvolle Zimmer und Suiten mit Meeres-Weitblick sowie ein solides Spa-Angebot.

La Route de la Baie, Jersey JE3 8 EF
T: +44 1534 746141 , stbreladesbayhotel.com

L’Horizon Beach Hotel and Spa (3)
Eines der besten Hotels der Insel mit großartigem Blick auf Bucht und Meer. Breites Spa-Angebot, das Hotel bietet auch Wellness- und Fitness-Retreats an.

La Route de la Baie Jersey JE3 8 EF
T: +44 1534 743101, handpickedhotels.co.uk

Pomme d’Or Hotel **** (4)
Elegantes Stadthotel, am Hafen der Inselhauptstadt St Helier gelegen und mit rund 175-jähriger Historie eine der geschichtsträchtigsten Adressen der Insel. Sehr zentrale Lage, ideal als Ausgangspunkt für Ausflüge.

Liberation Square, Jersey JE1 3 UF
T: +44 1534 880110, seymourhotels.com

Restaurants

Bohemia Bar and Restaurant (1)
Callum Grahams, mit einem Michelin-Stern dekoriertes Restaurant in St Helier.

Green Street, St Helier
T: +44 1534 880588, bohemiajersey.com

Portelet Bay Cafe (2)
Das recht rustikale Lokal ist inselweit bekannt für seine Pizza  und die atemberaubend schöne Lage in der versteckten Sandstrand-Bucht Portelet Bay.

Portelet Bay, Jersey JE38PS
T: +441534 728550, porteletbaycafe.com

La Bouche (3)
Hübsches, kleines Lokal direkt in St Heliers Markthalle, bekannt v.a. für Frühstück und Brunch.

Central Market, St Helier
T: +44 1534 625890, labouche.je

Nachtleben/Bars

The Blind Pig (1)
Ungewöhnlicher Bar-Geheimtipp mit hübschem 1920er-Ambiente.

5 Mulcaster St, St Helier
T: +441534 610433, cesoirjersey.com

P.O.S.H (2)
Zentral gelegene, hübsche Champagnerbar mit Terrasse im noblen The Royal Yacht Hotel.

Weighbridge PL, St Helier
T: +441534 720 511, theroyalyacht.com/bars/the-posh-bar

Sehenswürdigkeiten

Hauptstadt St Helier
An der Südküste Jerseys gelegene Hauptstadt der Insel mit hübschen Straßen, vielen Lokalen und Bars. Ausgangspunkt für viele Ausflüge.

Elizabeth Castle
Vor St Helier thront das historische und sehenswerte Elizabeth Castle, bei Flut ist die Burganlage nur mit einem kuriosen Amphibienfahrzeug erreichbar, bei Ebbe spaziert man zu Fuß hin.

St Aubin’s Bay, St Helier JE2 3NU, Jersey
T: +44 1534 723971, jerseyheritage.org

Corbière Lighthouse
Jerseys ikonischer Leuchtturm, der nur bei Ebbe besucht werden kann. Guter Ausgangspunkt für Klippenwanderungen.

Unnamed Road, jersey.com

Jersey Lavender Farm
Seit den 1980ern wird auf Jersey Lavendel angebaut. Ein Besuch ist vor allem zur Erntezeit (Juni bis August) empfehlenswert.

Rue du Pont Marquet, JE3 8 DS
T: +441534 742933, jerseylavender.co.uk

La Mare Wine Estate
Dank des milden Klimas wird auf Jersey auch Wein angebaut. Bei einer Tour über das wunderhübsche La Mare Wine Estate erfährt man auch mehr über die dortige Cider-, Gin- und Brandyproduktion.

La Rue de la Hougue Mauger, St. Mary
T: +44 1534 481178, lamarewineestate.com

St Brelade’s Bay
Jerseys beliebteste und touristischste Badebucht mit hübschen Hotels,  Streetfood und zahlreichen Wassersportmöglichkeiten.

Anreise

Jersey liegt in der Bucht von Saint Malo im Ärmelkanal, rund 25 km von der französischen Westküste und rund 150 km von Großbritannien entfernt. Eine Anreise empfiehlt sich per Flugzeug über Paris oder insbesondere London: Von den Flughäfen Luton, Gatwick und Heathrow fliegen mehrere Airlines (u.a. British Airways und Easy Jet) mehrmals täglich nach Jersey, die Flugzeit beträgt rund eine Stunde. Von München aus gibt es einige (wenige) Direktflüge nach Jersey pro Monat.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 01/2024

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Mirjam Marits
Autor
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