Monika Neustifter © Adrian Almasan

Monika Neustifter © Adrian Almasan

Monika Neustifter: »Meine Herausforderungen haben mehr mit meiner Rolle als Mutter als mit meiner Arbeit als Winzerin zu tun«

Die Winzerin im Interview über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, den mentalen Druck und welche Unterstützung sie von Gesellschaft und Politik fordert.

von Julia Weninger
08. März 2024

»Ich bin oft im Zwiespalt, ob ich meine Zeit zwischen Weinkeller und Familienleben gerecht aufteile. Genügend Zeit mit den Kindern zu verbringen ist wichtig und das kann man später nicht mehr aufholen«, so Monika Neustifter, die rund 24 ha gemeinsam mit ihrem Vater Karl Neustifter in Poysdorf bewirtschaftet.  Zum Biobetrieb »Weingut Neustifter« gehört auch das »Wein.Hotel« mit »Wein.Restaurant« sowie die von ihrem Bruder geführte »Wein.Küche«.

»Viele akzeptieren, dass mit kleinen Kindern einiges nicht möglich ist«, so die Winzerin. Sie selbst möchte das aber  oft nicht akzeptieren: »weil mir meine Arbeit als Winzerin und meine Weine sehr wichtig sind«. Mit Falstaff PROFI spricht sie über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, den mentalen Druck und welche Unterstützung von Gesellschaft und Politik wünschenswert wäre.

Als Winzerin und Mutter von zwei Kindern, wie gelingt es Ihnen, den Spagat zwischen der Verantwortung in Ihrem Weingut und der Betreuung Ihrer Familie zu bewältigen? Welche Strategien setzen Sie ein, um alle Ziele zu erreichen?

Ich habe gelernt, Aufgaben abzugeben bzw. zu delegieren und Prioritäten zu setzen. Seit der Geburt meiner Kinder haben wir auch eine zusätzliche Mitarbeiterin, die viele meiner Aufgaben übernommen hat. Man muss sich mit dem Gedanken anfreunden, nicht mehr alles selbst machen zu können oder zu dürfen. Vielleicht auch damit, dass nicht immer alles perfekt ist oder genauso gemacht wird, wie man es sich vorgestellt hat. Erfolgreich im Team zu arbeiten ist eine Fähigkeit die man sowohl auf dem Weingut als auch in der Familie gut brauchen kann. Im täglichen Familienleben ist gute Organisation wichtig – und fokussieren!

Wie würden Sie Ihre Erfahrungen bezüglich der Herausforderungen beschreiben, die Frauen in der Weinbranche im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen möglicherweise erleben?

Oftmals gibt es Vorurteile, Rollenklischees: Frauen sind nur im Büro, Marketing usw. ein Mann macht den Wein. Bei uns im Betrieb sind dieses Rollen oft anders verteilt bzw. arbeiten wir in vielen verschiedenen Bereichen – wie in einem Familienbetrieb üblich – das lässt sich oft nicht trennen. Auf unserem BIO-Weingut arbeiten viele Frauen mit – auch im Weingarten. Viele davon sind oft schneller als die männlichen Kollegen. Unsere Kunden wissen mittlerweile, dass ich den Wein mache und es kommt immer weniger vor, dass jemand etwas anderes voraussetzt. Eine Herausforderung ist für mich oft die körperliche Anstrengung, weil viele Maschinen und Werkzeuge einfach schwer und unhandlich sind, bzw. für Männer gedacht. Wir achten bei uns am Betrieb darauf, dass wir einzelne Arbeitsschritte und Handgriffe an die körperlichen Voraussetzungen von Frauen anpassen. Diese Erleichterungen werden übrigens auch von unserem männlichen Personal gerne genutzt.

Gibt es spezifische Hindernisse oder Schwierigkeiten, denen Sie persönlich als Winzerin begegnet sind?

Wie in der vorigen Frage bereits erwähnt – z.B. da mir das klassische Rührwerk (Anmerkung: wird zum Mischen von Wein oder zum Aufrühren der Hefe verwendet) immer zu schwer war und ich es nicht gut montieren konnte, habe ich mir ein extra leichtes Modell zugelegt, dass ich gut verwenden kann.

Sie haben vorhin betont, wie wichtig es sei, Zeit mit Ihren Kindern zu verbringen, da man diese später nicht mehr aufholen kann. Wie finden Sie die Balance zwischen Ihren beruflichen Verpflichtungen und dem Bedürfnis, genügend Zeit mit Ihrer Familie zu verbringen?

Ich versuche die besonders wichtigen Aufgaben dann zu erledigen, wenn die Kinder im Kindergarten sind bzw. bei der Oma. Kleinere Erledigungen mache ich auch mit den Kindern gemeinsam. Ich achte aber darauf, dass es Arbeiten sind, die den Kindern auch Spaß machen oder nebenbei gehen. Alles andere funktioniert meist nicht gut und beide Seiten sind unzufrieden. Ich arbeite auch oft nachts, wenn alle schlafen. Da beantworte ich auch gerne meine E-Mails und ich erledige Arbeiten zu denen ich untertags nicht komme. Wenn wir dann einen Tag für die ganze Familie haben, versuchen wir ihn gemeinsam zu genießen.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten wünschen Sie sich von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besser zu unterstützen?

Die Betreuungsmöglichkeiten haben sich schon sehr verbessert, eine flächendeckende Betreuung ab 1 Jahr ist wirklich wichtig, vor allem für Familien, die nicht so viel Unterstützung aus der eigenen Familie haben. Wenn man keine kleinen Kinder hat, ist das Thema nicht so präsent, es sollte aber in der Gesellschaft präsenter sein. Mental load ist ein Thema, das noch stärker thematisiert werden sollte, es gibt sehr viele Aufgaben, die in der Familie erfüllt werden müssen. Das ist kein Nebenjob, das ist ein Hauptberuf. Das wird aber selten so gesehen.

Wie nehmen Sie den mentalen Druck wahr, der oft mit der Doppelrolle als Winzerin und Mutter einhergeht?

Ich habe oft das Gefühl, dass es unmöglich ist alle Aufgaben zu erledigen, die erledigt werden müssen. Oft ist es nicht möglich. Das muss ich dann akzeptieren und mir überlegen, wie es doch funktionieren könnte und ich meinen Ansprüchen an mich als Winzerin und als Mutter gerecht werden kann. Ich habe das große Glück, dass mich mein Mann und unsere Familien bei den Arbeiten am Weingut und mit den Kindern sehr unterstützen. So kann ich mich dann auch mal für eine Rolle entscheiden und mich voll auf die Kinder oder voll auf das Weingut konzentrieren, ohne dass ich ein schlechtes Gewissen haben muss. Diesen „Luxus“ haben aber sicher nicht alle, als Winzerin und als Selbstständige ist es schon so, dass das Weingut und die Arbeit immer mit ist im Kopf, nicht nur 8 Stunden am Tag sondern rund um die Uhr. Mit Kindern und Familie ist es das gleiche. Zwei Fulltime-Jobs – das macht man nur, wenn man seine Arbeit liebt.

Gibt es bestimmte Aspekte, die Sie besonders quälen?

Die Selbstverständlichkeit, dass es immer die Mutter sein muss, die sich um die Kinder kümmert oder zuhause bleibt, wenn jemand krank ist. Auch wenn man sich diese Arbeiten als Eltern aufteilt oder man mehr arbeitet, hat man als Mutter oft noch das Gefühl, man müsste sich rechtfertigen.

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März: Welche Bedeutung hat dieser Tag für Sie persönlich und für die Frauen in der Weinbranche im Allgemeinen?

Ich finde es wichtig, dass die Aufmerksamkeit an diesem Tag auf die Frauen gelenkt wird, denn Frauen sind oft die Stütze eines Betriebs, auch wenn sie oft nicht das Gesicht nach außen sind. Ohne uns Frauen würde Vieles nicht funktionieren und das darf auch mal Anerkennung finden.

Alles über Neustifters Leidenschaft für Wein, die Arbeit in den Weingärten und die neuen großen Projekte lesen Sie bei den Kolleg:innen von Falstaff.

Lesenswert

Christian und Barbara Wymetal © SeVi

Christian und Barbara Wymetal © SeVi

Interview

»Wir wurden angesehen, als kämen wir von einem anderen Stern«

Christian Wymetal ist Hotelier im Paradies – nämlich auf Sansibar. Im Interview mit PROFI erzählt er, wie es dazu gekommen ist, womit er seine Frau und seinen Hotelmanager zum Verzweifeln bringt, wie der wachsende Tourismus Sansibar verändert hat und dass es gar nicht so einfach ist, einen österreichischen Spitzenkoch auf die Insel zu locken.

© Eyestix Studio/Unsplash

© Eyestix Studio/Unsplash

Marketing

TikTok als Marketing-Booster für Gastronomen

Ab ins Rampenlicht ist die Devise! TikTok kann eine immense Reichweite für Restaurants, Cafés oder Bars bedeuten. PROFI gibt einen Überblick über innovative Strategien im digitalen Marketing – aktuelle Trends und Best Practices inklusive.

Eckhart Hilgenstock, Foto beigestellt

Eckhart Hilgenstock, Foto beigestellt

Interview

Revolution durch Künstliche Intelligenz: Wie Unternehmen in Hotellerie und Gastronomie durch KI-Innovationen profitieren können

Im Interview mit PROFI spricht Berater, Coach und Manager Eckhart Hilgenstock über sein neues Buch »KI-Einsatz in Unternehmen: Chancen, Risiken, Erfolge« und hat auch ein paar Tipps für Hoteliers und Gastronomen, die digital einen Gang hoch schalten wollen.

Karin Mitchel © Susanne Böcksteiner

Karin Mitchel © Susanne Böcksteiner

Interview

Die Zukunft des bargeldlosen Zahlungsverkehrs

Erfahren Sie, wie innovative Lösungen den bargeldlosen Zahlungsverkehr revolutionieren und Unternehmen dabei helfen, ihre Prozesse zu optimieren und ihre Mitarbeiter:innen zu entlasten. Im exklusiven Interview spricht »Hobex«-CFO Karin Mitchell über die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in der Zahlungsbranche.

Gerhard Stübe und Renate Androsch-Holzer © Thomas Grundschober/Austrian Convention Bureau/convention-photography.at

Gerhard Stübe und Renate Androsch-Holzer © Thomas Grundschober/Austrian Convention Bureau/convention-photography.at

Karriere

»Austrian Convention Bureau«: Renate Androsch-Holzer ist die neue Präsidentin

Gerhard Stübe gibt nach fünf Jahren sein Amt ab. Erstmals führt eine Frau den Dachverband der Kongress- und Tagungsbranche

Hubert Wallner bereitet Calamari Fritti mit Kapern, Zitronenkaviar und Koriandermayonnaise zu. © Rene Strasser

Hubert Wallner bereitet Calamari Fritti mit Kapern, Zitronenkaviar und Koriandermayonnaise zu. © Rene Strasser

Kulinarik

Das war die Jubiläumsgala der »Jeunes Restaurateurs«

In Grafenegg wurden 20 Jahre kulinarische Exzellenz in Österreich gefeiert.

Meist gelesen

Vivien Schulter spricht über Mitarbeiterbindung und was diese in der Hotellerie, Gastronomie und im Tourismus bewirken könnte.

© Rene Strasser

Food & Beverage

Erfolgsstrategien zur Mitarbeiter:innenbindung: Tipps für Hotellerie, Gastronomie und Tourismus

Vivien Schulter im Interview: Die Expertin für Personalentwicklung und Motivation spricht über Mitarbeiterbindung in der Hotellerie, Gastronomie und im Tourismus. Sie gibt praktische Tipps zur Überwindung branchenspezifischer Herausforderungen, zur Schaffung einer positiven Arbeitskultur und zur Förderung beruflicher Entwicklung. Mitarbeiter langfristig binden und den Wettbewerbsvorteil steigern – das ist das Ziel!

Andreas Heindl © Heindl

Andreas Heindl © Heindl

Schokolade

Andreas Heindl: »Schon Sisi hat sich die ›Pischinger‹-Torten liefern lassen«

Der »Heindl«-Chef verrät im PROFI-Interview wie ihn Heurigenbesuche zum »Pischinger«-Fan gemacht haben, ob Schokolade bald zum Luxusgut wird, warum der erste »Pischinger«-Shop ein tolles Business ist und wie das Unternehmen die multiplen globalen Krisen unbeschadet überstanden hat.

Absolute Konzentration herrscht bei der Verkostung am »Single Vineyard Summit«. © Anna Stöcher

Absolute Konzentration herrscht bei der Verkostung am »Single Vineyard Summit«. © Anna Stöcher

Wein

»ÖTW Single Vineyard Summit 2024«: Die Elite der Weinverkostungen in Österreich

Vom 9. bis 13. September 2024 wird Grafenegg in Niederösterreich zum Zentrum der Weinwelt.

Friederike Schnitger, Foto beigestellt

Friederike Schnitger, Foto beigestellt

Interview

Geheimnisse für Top-Service und Führungskraft in der Gastronomie

Ein Gespräch mit Friederike Schnitger über die Geheimnisse hinter exzellentem Service und inspirierender Führung in der Gastronomie. Friederike Schnitger teilt ihre bewährten Strategien und Einsichten, die ihren Betrieb zu einem der besten gemacht haben.

Winzer Philipp Grassl © Philipp Horak

Winzer Philipp Grassl © Philipp Horak

Carnuntum

Entdecke Carnuntum: Österreichs Bio-Wein-Vorreiter

Mit beeindruckenden 64 Prozent biologisch bewirtschafteten Rebflächen zeigt das Weinbaugebiet im Osten Niederösterreichs, wie nachhaltiger Weinbau die Branche revolutioniert und den Weg in eine umweltfreundlichere Zukunft weist.

Die »Soulsisters« Jessica Leitner-Reitzer und Jennifer Franic-Reitzer © Soulsisters' Hotel

Die »Soulsisters« Jessica Leitner-Reitzer und Jennifer Franic-Reitzer © Soulsisters' Hotel

Interview

»Durch das Rebranding sind viele Stammgäste weggefallen«

Warum das Konzept des Kapruner »Soulsisters’ Hotel« dennoch ein Erfolg ist, wieso sie den elterlichen Betrieb komplett umgekrempelt haben und wie sie traditionellen alpinen Charme mit kosmopolitischer Eleganz vereinen, verraten die beiden Schwestern Jessica Leitner-Reitzer und Jennifer Franic-Reitzer im PROFI-Interview.

Der Newsletter für echte Profis

Be inside and take your chance! Regelmäßige Karriere-Updates aus Gastronomie und Hotellerie, kostenlos in Ihr Postfach!