Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, während Ronda in goldenes Licht getaucht wird. Ein Moment, in dem die Magie Andalusiens lebendig wird.

Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, während Ronda in goldenes Licht getaucht wird. Ein Moment, in dem die Magie Andalusiens lebendig wird.
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Andalusien: Wiege der spanischen Weinkultur

Bereits vor 3300 Jahren sollen die Phönizier in Andalusien erste Reben gepflanzt haben. Die Römer fanden eine blühende Reblandschaft vor, sogar die Mauren erlaubten den Weinbau. Trockener Sherry und süßer Málaga eroberten am Seeweg die weite Welt. Heute ist Andalusien zunehmend Quell hochwertiger trockener Tafelweine.

Mit rund 32.000 Hektar Rebfläche gilt Andalusien mit seinen acht Provinzen als zweitgrößte Weinbauregion Spaniens. Hier entstehen im südlichsten Teil des europäischen Festlandes in einem Klima mit milden Wintern und trocken-heißen Sommern eine enorme Vielzahl von höchst unterschiedlichen Weintypen. In sechs geschützten Herkünften (D.O.) und gleich 13 Vino-de-la-Tierra-Bereichen (VdlT) erschaffen engagierte Winzer eine enorme Stilpalette von trockenen und süßen Weinen, am bekanntesten sind Andalusiens fortifizierte Weine – allen voran der legendäre Sherry.

Neben diesen leider etwas aus der Mode gekommenen Klassikern entstehen heute sowohl in den küstennahen Gebieten bei Cadiz bis hinauf in die Bergzüge bei Ronda und Málaga spannende und unverwechselbare trockene Weiß- und Rotweine. Mit zahlreichen eigenständigen Sorten vinifiziert eine neue Generation von Winzern eine wachsende Zahl von Produkten, die es zu entdecken lohnt.

Málaga, viel mehr als süsser Muskat

Der Wein aus der Region Málaga wurde bereits in der Antike gerühmt und ist einer der frühesten schriftlich bekannten Regionalweine überhaupt. Für den traditionellen Süßwein D.O. Málaga, der ausschließlich aus den Sorten Moscatel de Alejandría, Moscatel Morisco und Pedro Ximénez erzeugt wird, brach im Laufe des 20. Jahrhundert der Markt fast zur Gänze zusammen. Dereinst gab es hier rund 100 Bodegas in der Stadt, zahlreiche prominente Firmen verschwanden von der Bildfläche. Vor nicht allzu langer Zeit stand der Málaga-Wein praktisch vor dem endgültigen Aus. Es war der umtriebige Starwinzer Telmo Rodriguez, der bekannte Qualitätsdynamo aus Rioja, der das Potenzial der uralten Reben und das Terroir der Berge um Málaga wieder zum Funkeln brachte.

Sherry wird immer mehr als Lagenwein denn als Markenprodukt betrachtet und gewinnt dadurch an Präzision.
© Monica Gumm-Gross
Sherry wird immer mehr als Lagenwein denn als Markenprodukt betrachtet und gewinnt dadurch an Präzision.

Sein vor mehr als zwanzig Jahren begonnenes »Molino Real«-Projekt brachte Málaga im wahrsten Sinn des Wortes zurück in aller Munde. Der in Málaga geborene, in den USA als Weinhändler tätige Jorge Ordóñez, sprang 2004 auf diesen Zug auf und begründete eine Partnerschaft mit der Winzerfamilie Kracher aus Illmitz in Österreich. Mit Louis Kracher als Experte gelang es rasch, eine Serie von süßen, aber nicht fortifizierten Weinen zu entwickeln, die in der Esencía mit mehr als 500 Gramm Restzucker und kaum 5 Vol.-% kulminierten. Gleichzeitig wurde einer der besten trockenen Weine aus Moscatel definiert, der unter dem Namen Botani ein Welterfolg wurde.

Jorges Schwester Victoria war bereits in dieses Projekt involviert. Die studierte Ärztin entschied sich 2015 gemeinsam mit ihrem Sohn Guillermo ein eigenes Weingut namens Victoria Ordóñez & Hijos in Málaga zu gründen. Ein kleines, aber sehr feines Beispiel für ein Boutique-Weingut in den Bergen von Málaga ist Sedella Vinos, gegründet 2006 vom Önologen Lauren Rosillo, der auch in anderen Regionen Spaniens tätig ist. Sein roter Sedella wird aus uralten Reben der Sorten Romé und Garnacha gemacht und je nach Jahrgang bis zu 20 Monate im französischen Holz ausgebaut.

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Ronda spricht Deutsch

Die Weinregion rund um die pittoreske Stadt Ronda – gebildet von der Serrania de Ronda auf rund 750 Meter Seehöhe – liefert einen wichtigen Beitrag zur D.O. Sierra de Málaga, jener Herkunftsbezeichnung, die den trockenen Weiß- und Rotweinen vorbehalten ist. In jüngerer Zeit hat sich hier eine Weinszene von wachsender Dynamik entwickelt und die nahen touristischen Regionen wie Marbella und Costa del Sol haben für eine substanzielle regionale Nachfrage gesorgt. In den letzten Jahrzehnten sind in Ronda zahlreiche neue Familienweingüter entstanden, darunter auch von Weinenthusiasten, die aus kühleren Klimazonen nach Andalusien gekommen sind. So gründete um 2000 der Schweizer Theo Conrad seine Bodega, ein schmuckes Boutique-Weingut, dessen Topwein »Cristina« ein reiner Malbec ist.

Seit 2012 gehört der Betrieb dem Schweizer Olivier Bourgeois. Der Oberösterreicher Martin Kieninger betreibt einige Kilometer nördlich von Ronda sein kleines Bio-Weingut, hier entstehen feine Rotweine aus der andalusischen Tintilla de Rota, aber auch Blaufränkisch und Zweigelt fehlen nicht im Sortiment. Die deutschstämmige Familie Schatz, Nachfahren einer Südtiroler Winzerfamilie, besucht man einige Kilometer weiter westlich. Friedrich Schatz, der Doyen der Bodegas F. Schatz, hat bereits vor fünfzig Jahren das Potenzial dieser uralten Weinregion erkannt und sich hier niedergelassen und die Finca zu einem Hotspot des biodynamischen Weinbaues weiterentwickelt. Zu den Fixsternen unter den Stillweinerzeugern in der Region Ronda zählen der Rotweinspezialist Cortijo Los Aguilares, der speziell mit der würzigen Sorte Petit Verdot punktet und die Finca La Melonera.

Dieses Projekt wurde mit der Idee gegründet, alte andalusische Rebsorten wie die gestreifte Melonera, Balsco oder Romé zu erhalten, dazu verwendet die Önologin Ana de Castro für ihre balancierten Cuvées auch Syrah, Garnacha und Cabernet Sauvignon, die dank der Höhenlage in rund 900 Meter eine subtile Frische aufweisen. 

Der Architekt Martin Kieninger wurde in Ronda vom Weinfieber gepackt und vinifiziert hier heute Blaufränkisch.
© Monica Gumm-Gross
Der Architekt Martin Kieninger wurde in Ronda vom Weinfieber gepackt und vinifiziert hier heute Blaufränkisch.

Jerez neu gedacht

Der Sherry ist der mit Abstand bekannteste Wein Andalusiens und bildet mit Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa Maria das geografische Dreieck, in dem der Sherry in all seinen vielfältigen Varianten hergestellt wird. Das Fundament bildet hier ein besonderer Bodentypus, der aufgrund seiner weißhellen Farbe »Albariza« genannt wird. Bis zu achtzig Prozent Kreide sind hier gemeinsam mit Kalkstein, Sanden und Lehm gemischt, vergleichbar ist das Terroir mit jenen der Champagne oder Chablis in Frankreich.

Im Sherry-Dreieck wird heute fast ausschließlich die weiße Rebsorte Palomino (Listán) angepflanzt, die für die Sherry-Produktion verwendet wird. Je nach Vinifikationsverfahren und Reife entstehen vier unterschiedliche trockene Stile, die stets mit Weinbrand verstärkt werden und einen Mindestalkohol von  15 Vol.-% aufweisen. Die Palette reicht vom leichtfüßigen, jung zu trinkendem Fino (in Sanlúcar heißt der Stil Manzanilla), weitere Stufen sind Amontillado, Palo Cortado und Oloroso. Während der Fino unter einer sogenannten Florhefe reduktiv ausgebaut wird, kommt bei den drei anderen eine zweite oxidative Reifung im Solera-Verfahren dazu.

Der Markt für Sherry ist mangels Nachfrage im Vergleich zu den besten Zeiten extrem unter Druck. Viele einst bekannte Namen sind verschwunden und ihre Bestände an Reserven von anderen Firmen übernommen worden. Dafür sind einige Sherry-Manufakturen entstanden, wie Equipo Navazas, wo man in kleinen Mengen vergessene, exquisite Schätze aus allerlei Bodegas ans Tageslicht befördert oder De la Riva, eine einst legendäre Marke, die seit 2017 durch die beiden Qualitätsdynamos Willy Pérez vom Weingut Luis Perez und Ramiro Ibáñez von Cota 45 neu belebt wurde. 

Karte: Stefanie Hilgarth / carolineseidler.com

Die neuen Stillen

Heute werden rund um Jerez die besten Terroirs zunehmend für die Produktion von trockenen Stillweinen herangezogen. Auch beachtliche Rotweine entstehen unter Herkunftsbezeichnung Cádiz VdlT, denn die DO Jerez ist den durch Alkoholzusatz fortizierten Weinen vorbehalten. Mit seinem Weingut Bodegas Cota 45 sorgt Ramiro Ibáñez in seiner ehemaligen Schiffreparaturhalle am Guadalquivir in Sanlúcar de Barrameda mit seinen nicht fortifizierten Weinen für Aufsehen. Zusammen mit einigen anderen Produzenten hat er das »Manifesto 119«-Kollektiv geformt, dass sich daran macht, die Besonderheiten des Albariza-Terroirs auszuloten. Und so entstehen hier Weine aus legendären Einzellagen wie Miraflores oder Carrascal. Neben den Sorten Palomino und Pedro Ximénez nimmt man sich auch fast ausgestorbenen Rebsorten wie Perruno und Uva Rey an.

Alle Weine werden ohne Verwendung von Brandy hergestellt, die UBE-Serie salzig und trocken, andere natürlich oxidiert als Palo Cortado (vinos criados al natural), sehr speziell und facettenreich der süße PX namens Pandorga. Zur Avantgarde zählen die Weine von Willy Perez, Armando Guerra, Callejuela, Forlong und Primitivo Collantes. Eine besondere Zusammenarbeit ist jene von Alejandro Muchada mit dem bekannten Champagne-Winzer David Léclapart aus Trépail. 2016 starteten die beiden ihr biodynamisches Projekt in Sanlucar, denn die weißen Kalkböden hatten den Franzosen sofort begeistert. Heute entstehen hier finessenreiche Weine mehrheitlich aus der weißen Palominotraube, die echtes Kultpotenzial ausstrahlen, salzig, engmaschig und unverwechselbar. Ein Hauch von Flamenco am Gaumen!


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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2023

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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Von Peter Moser