Blick über die Weingärten von Slinde Vineyards im norwegischen Sognefjord.

Blick über die Weingärten von Slinde Vineyards im norwegischen Sognefjord.
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Wein aus Skandinavien: Das Gute liegt so nördlich

Wein aus Dänemark, Schweden und sogar Norwegen? Das ist auch wegen des Klimawandels keine Utopie und es gibt immer mehr davon. Ein Ausflug zu exotischen Winzern, abenteuerlichen Experimenten und singulären Weinkulturen vor unserer nördlichen Haustüre.

Aquavit, Wodka und Leichtbier; anderes gibt es in Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland nicht zu trinken. Dieses Klischee war nie richtig und ist somit einfach falsch: Nicht nur dank immer informierteren Konsums von Importweinen, sondern auch einer jungen Winzerkultur im Norden, die aus der Not spezieller Rahmenbedingungen oft eine Tugend macht. Die Dänen etwa konsumieren aktuell zu zwei Drittel vor allem importierten Rotwein inklusive zehn Prozent Rosé, auch der Markt für Schaumwein wächst. Und wenn Natural Wines am Weltmarkt mit rund zwei Prozent der Produktion alles andere als Big Players sind, in Kopenhagen liebt man diese Weine: Die Stadt nimmt beim Konsum dieser Kategorie Platz drei hinter Paris und Tokio am Weltmarkt ein.

Seit 2000 ist Dänemark, wo keine Monopolbehörde den Verkauf alkoholischer Getränke reguliert, selbst offizielles europäisches Weinbauland mit den vier Hauptregionen Bornholm, Fünen, Jütland und Seeland. Dank der Klimaerwärmung steigen Fläche und Produktion ständig an – die Produktion von Schaumwein steht im Vordergrund. Die Unterregion Dons in Jütland ist dafür mittlerweile eine erste geschützte Herkunft (PDO) – es ist die nördlichste in der EU überhaupt und umfasst potenzielle 500 Hektar. Die Neusorten Souvignier Gris, Solaris und Johanniter sowie die roten Sorten Rondo und Regent für Rosé eignen sich für das dänische Klima besonders gut. Abgesehen von den Sparklings aus Dons scheint sich der Nordwesten Seelands am besten für den Weinbau zu eignen. In der Danish Vine Association waren 2017 dort bereits 96 Winzer mit 98 Hektar Rebfläche als kommerzielle Produzenten registriert. Dazu kommen mehr als 1000 registrierte Hobbyweingärtner. Die Weine sind fast ausschließlich regional erhältliche Nischenprodukte im Preisband von 15 bis 30 Euro ab Hof.

Dyrehøj Vingaard bei Kalundborg ist heute mit 30.000 Rebstöcken das größte Weingut Dänemarks. Hier, in der sonnigsten Ecke, sorgt der neuseeländische Winemaker Zach Brierly für gute Qualitäten wie die »Solaris Reserve«. Niels und Nina Fink vom Weingut Vejrhøj in Fårevejle machen seit 2011 mit Weinen wie dem »Solaris Sterling« auf sich aufmerksam. Stolz ist man auf die Schaumweine von Skærsøgaard, aus Almind im Dons PDO – die Cuvée Brut 2015 aus den Sorten Solaris und Orion wurde mit 90 Parker-Punkten geadelt. Der andere Winzer, der es bisher zu Bewertungen von Wine Advocate schaffte, ist Jacob Stokkebye, der heute neben Kaviar auch rund 10.000 Flaschen Weiß- und Schaumwein in Fünen erzeugt. Er arbeitete als Sommelier in französischen Sternen­restaurants und auf dem Weingut des dänischen Königshauses in Cahors, bevor er sich 2009 entschloss, der beste Winzer Dänemarks werden zu wollen. Hervorzuheben ist der Solaris namens »Liva«, ausgebaut in gebrauchten Barriques von der Domaine de Chevalier in Bordeaux.

Und Rotwein? Da wären etwa Susanne und Søren Hartvig Jensen vom Kelleris Vingård in Kvistgård, die neben Rondo sogar Cabernet Sauvignon auspflanzten. »Ich bin nicht nur ein wenig verrückt, ich bin komplett crazy, weil ich mich auf Rotwein spezialisiert habe,« so Søren, »aber nachdem die Konsumenten Weine mit längerem Fassausbau lieben, bin ich auf diese Herausforderung mit Freude eingegangen.«

Die norwegischen Hobby-Winzer sind für die Zukunft optimistisch und voller Tatendrang.
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Die norwegischen Hobby-Winzer sind für die Zukunft optimistisch und voller Tatendrang.

»Enormes Potenzial«

Schweden ist ein starker Markt für Wein, es werden jährlich rund 25 Liter pro Kopf – etwa so viel wie in Deutschland konsumiert, rund zur Hälfte werden Weine aus der Neuen Welt, vor allem aus Südafrika, importiert. Von den drei nordischen Ländern wächst der Eigenanbau von Wein in Schweden am schnellsten, aktuell bewirtschaften die schwedischen Winzer etwa 150 Hektar. Glaubt man allerdings Emma Serner, selbst Winzerin und Präsidentin der Schwedischen Handelsorganisation für Önologie und Weinbau, so könnten rund 10.000 Hektar vor allem im Süden des Landes gute Voraussetzungen zum Anbau von Weintrauben besitzen. Auch Lotta Nordmark von der schwedischen Landwirtschaftsuniversität sieht »enormes Potenzial für Winzer in Schweden, dank des verbesserten Klimas und der neuen pilzresistenten Piwi-Rebsorten« hier gute, nachhaltig erzeugte Weine zu produzieren. Das schwedische Monopol Systembolaget bietet heute bereits rund 240 klassische Traubenweine aus Schweden an, die Format zeigen.

Wer sich vor Ort einen Überblick über den schwedischen Wein machen will, besucht in Malmö das Swedish Wine Center (swedishwinecenter.se), hier kann man die besten Weine glasweise probieren. Bei den Weißweinen dominiert klar die Piwi-Sorte Solaris, dazu etwas Muscaris, Souvignier Gris, aber sogar auch Donauriesling wie im »Cuvée Lyckeri« vom Weingut Kullaberg, das von österreichischen Önologen vom Kaliber eines Robert Steidl beraten wird.

Die blauen Trauben reifen in Südschweden bereits sehr gut: Weingarten von Flaedie in der Region Skane.
© Gettyimages
Die blauen Trauben reifen in Südschweden bereits sehr gut: Weingarten von Flaedie in der Region Skane.

Mehr Sonne als in Bordeaux

Bei den seltener erzeugten schwedischen Rotweinen – sie kommen von den Weingütern Arild, Skeppard und Snårestad – kommen die Sorten Pinot Noir, Rondo, Siramé und Cabernet Cortis zum Einsatz. Auch Rosé, Schaumwein (Sekt heißt hier »Mousserande«) und Orangeweine werden angeboten. Weinproben bieten selbstverständlich auch die Weingüter. Besonders die Regionen Scania und Södermanland haben sich inzwischen für den Weinbau als geeignet erwiesen. Südlich von Malmö führen Lena Jörgensen und Murre Sofrakis das Weingut Vingården i Klagshamn, 2001 wurden die ersten Solaris-Reben gepflanzt.

Weiter östlich bei Skåne liegen die 6,5 Hektar der Hällåkra Vingård, hier entsteht eine große Vielfalt an Weinen, man arbeitet mit Solaris, Rondo, Regent, Leon Millot, Pinot Noir, Pinot Gris, and Auxerrois Blanc. Bereits 2008 wurde hier der erste Rotwein aus Rondo abgefüllt. Ein weiteres Weingut ist Nordic Sea in Simrishamn Winery mit seiner ultramodernen Kellerei samt Weinbar und Restaurant. Hier erzeugt die Oenoforos Group, gegründet von Takis Soldatos, einige der bestverkauften Weine des Landes. Das Weingut Blaxsta gilt nicht nur als eines der ersten Weingüter Schwedens, seine 3,5 Hektar in der Södermanland-Region südwestlich von Stockholm gelten als die nördlichsten Weinlagen der Welt. Kaum zu glauben, dass hier um 25 Prozent mehr Sonnenstunden verzeichnet werden als beispielsweise in Bordeaux. Entsprechend werden hier Chardonnay, Vidal Blanc, Merlot und auch Cabernet Franc kultiviert. Im Herzen der Östgöta-Ebene bei Väderstad bewirtschaften Niclas und Anna Albinsson von Särtshöga Vingård ihre 8000 Stöcke Solaris, voll Zuversicht, in Zukunft den weltbesten Schaumwein aus dieser Sorte herstellen zu können. Aktuell sind es bereits 4000 Flaschen Blanc de Blancs und Brut Nature jährlich, die Produktion wächst. Die Weingüter unterhalten oft selbst Restaurants und Beherbergungsbetriebe, auch wegen der Absatzbeschränkungen angesichts des Systembolaget-Monopols.

Beim schwedischen Weingut Kullabergs Vingard in Kullahalvön werden mittlerweile zehn Hektar mit pilzwiderstandsfähigen Reben bewirtschaftet.
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Beim schwedischen Weingut Kullabergs Vingard in Kullahalvön werden mittlerweile zehn Hektar mit pilzwiderstandsfähigen Reben bewirtschaftet.

Chianti, Rioja und Met

Norwegen ist bei der Auswahl seiner Weine sehr konservativ, hier zeigen die Konsumenten wenig Interesse an der Neuen Welt, man bevorzugt zu 75 Prozent Rotwein und tendiert zu Chianti, Rioja oder Bordeaux. Für klassischen Weinbau ist das Klima in Norwegen zu rau. Dazu kommt, dass der Verkauf von alkoholischen Getränken mit Ausnahme von Leichtbier ein staatliches Monopol darstellt. Ab-Hof-Verkauf wäre einem Winzer nicht gestattet, ausschließlich über die Lokale des »Vinmonopolet« wird an Interessenten verkauft. Wie die Wikinger trinken Norweger nach wie vor Met (»Mjød«), der aus Honig und Würzkräutern hergestellt wird. Erzeugt wird auch Beerenwein aus der schwarzen Krähenbeere, die hier »Krekling« heißt. Und allen Widrigkeiten zum Trotz gibt es auch bereits in Norwegen ein halbes Dutzend kommerzieller Weingüter. Auch ein Winzerverband wurde bereits gegründet, und hat eine Schar an Hobbywinzern als weitere Mitglieder. Der Lerkekåsa Vineyard ist wohl der nördlichst gelegene Weinbaubetrieb in der Provinz Telemark, jener Region, in der die gleichnamige Skitechnik entwickelt wurde. Der wohl prominenteste Winzer-Konsultant Norwegens ist der deutsche Winzerstar Klaus-Peter Keller aus Rheinhessen, der mit seiner ehemaligen Praktikantin Anne Enggrav in Kirstiansand erste Erfolge einfährt, natürlich mit Riesling.

Trauben aus Finnland

Finnland schließlich ist definitiv Teil des »Wodka-Gürtels«. Auch wenn der Konsum von Hochprozentigem in den letzten Jahren deutlich abgenommen hat, hat Vodka immer noch einen Marktanteil von einem Viertel aller alkoholischen Getränke. Die Finnen schätzen kräftige, fruchtigere Weine, auch eine gewisse Süße, hier sind die saftigen, roten Chilenen sehr gefragt. Eine eigene  Weinproduktion hat Finnland noch nicht. Rund 100 Kilo Trauben wachsen allerdings auf einer Felseninsel namens Olkiuoto, wo Warmabwasserröhren von Atomkraftwerken für eine Versuchanlage den Boden eisfrei halten.


Schwedischer Wein

Eine kleine Selektion schwedischer Weine wurde uns von Weinhändler Tobias Lindblom von Nordic Vineyards (nordicvineyards.com) zur Verfügung gestellt. Hier können diese Produkte auch online bestellt werden.

91 Falstaff-Punkte: 2020 Kullabergs Immelen (Souvignier Gris/Solaris)
Kullabergs Vingard; Nyhamnslage
13,5%, NK, kullabergs.se

Helles Goldgelb, Silberreflexe. Kandierte Orangenzesten, ein Hauch Muskatnuss, weiße Tropenfrucht, florale Nuancen, dezente Kräuterwürze. Saftig, kraftvoll, mineralisch, dezente fruchtige Süße, feiner Säurebogen, Birnen im Abgang, zarte Holzwürze im Nachhall, salzig und gut anhaftend, Entwicklungspotenzial.

nordicvineyards.com, € 55,50

90 Falstaff-Punkte: 2020 Flädie Aniara Renässans (95% Solaris, 5% Phönix)

Flädie Vinproduktion, Bjärred
13,5%, NK, fladievinproduktion.se

Helles Gelbgrün, Silberreflexe. Weiße Tropenfrucht, ein Hauch von Melone und Limette,
floraler Touch, mineralisch. Straff, grüner Apfel, rassig strukturiert, salzig-zitronig im Abgang, klar und frisch wie ein Gebirgsbach, toller Rieslingersatz, auch als Aperitif gut einsetzbar

nordicvineyards.com, € 25,10

89 Falstaff-Punkte: Arlids Vingard Solaris 

Arlids Vingard, Kullaberg, Skane
12%, NK

Helles Gelbgrün, Silberreflexe. Nuancen von frischen Wiesenkräutern, weißer Apfel, ein zarter Hauch von Limetten, eher verhaltenes Bukett. Leichtfüßig, zart nach Walnuss und Honigmelone, angenehme, leicht reduktive Würze, zitronig-mineralisch im Abgang, ein lebendiger, frischer Speisenbegleiter, salziger Nachhall.

nordicvineyards.com, € 16,50

89 Falstaff-Punkte: 2019 Lotima Selense  (30% Muscaris/ 70% Solaris)

Lottenlund Estate, Allerum,
12,5%, NK, lottenlundestate.se

Helles Goldgelb, Silberreflexe. Frische Wiesenkräuter, grüner Apfel, etwas Birne, tabakige Nuancen, ein Hauch von Walnuss. Schlank, weiße Frucht, frische Säurestruktur, zart blättrig, zitronig-salziger Nachhall, bietet unkomplizierten Trinkspaß.

nordicvineyards.com, € 37,–

88 Falstaff-Punkte: 2020 Skepparps Vingard Solaris Grand Prix

Skepparps Vingard, Kivik
12%, DV, (500 ml), skepparpsvingard.se

Helles Gelbgrün, Silberreflexe. Nuancen von weißem Pfirsich, frischer Apfel, Zitruszesten, floraler Touch. Schlank, feine Fruchtsüße, etwas Steinobst, frischer Säurebogen, apfelige Note im Abgang, dezente Mineralität, sauber, aber wenig komplex.

nordicvineyards.com, € 19,–

88 Falstaff Punkte: NV Klagshamn Ego 7 Solaris 

Vingarden i Klagshamn,
15%, NK , vingardeniklagshamn.se

Helles Goldgelb, Silberreflexe. In Solera entstandener Multivintagewein. Weiße Tropenfrucht, Limetten, grüner Apfel, ein Hauchvon Blütenhonig, blumiges, einladendes Bukett. Kraftvoll, sehr mineralisch, rassiger Säurekern, Limetten im Abgang, mittlere Länge, zarte vegetale Nuancen im Nachhall.

nordicvineyards.com, € 36,–


Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2022

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Peter Moser
Peter Moser
Wein-Chefredakteur Österreich
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