Kultstätte für alle »Gin-natics«: Die berühmte »Atlas Bar« in Singapur hat das größte Gin-Angebot der Welt.

Kultstätte für alle »Gin-natics«: Die berühmte »Atlas Bar« in Singapur hat das größte Gin-Angebot der Welt.
© E.K. Yap

Der Gin-Hype ist ungebrochen: Das sind die Trends 2024

Der sagenhafte Gin-Hype wurde schon oft für beendet erklärt. Doch davon kann keine Rede sein. Gin ist gefragter denn je. Falstaff zeigt neue Trends und geht der Frage nach, wie der Boom überhaupt entstanden ist.

Eine Meldung, die reichlich kurios anmutet: Aus den Überresten der Produktion von Manner-Schnitten soll Gin gewonnen werden. Doch was auf den ersten Blick wie eine Zeitungsente wirkt, hat tatsächlich einen wahren Kern. Das Wiener Unternehmen »Unverschwendet«, dessen Geschäfts­modell der nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln ist, will zusammen mit dem traditionsreichen Süßwarenhersteller Manner und der steirischen Spirituosenmanufaktur Gölles tatsächlich aus Waffelresten Gin herstellen. Zwei spezielle Spirituosen sollen es sein, mit nicht minder kuriosen Namen: einerseits der »Kein Gin Dry« mit Wacholder und Zitrusnoten sowie der »Kein Gin Chocolate« auf Basis von Wacholder und Kakaobohnen.

Die eigenwilligen Namen sind dem Lebensmittelgesetz geschuldet. Aus dem geht nämlich hervor, dass der Basisalkohol eines Gins aus landwirtschaftlicher Produktion stammen muss. Waffelreste fallen da nicht darunter. Also lautet das Motto: Gemacht wie Gin, schmeckt wie Gin – darf aber nicht so heißen. Also »Kein Gin«!

So kurios das klingen mag, entspricht es doch dem gegenwärtigen Trend. Denn die Nachfrage nach ungewöhnlichen Gin-Kreationen scheint ungebrochen. Und das, obwohl der sagenhafte Gin-Hype schon geraume Zeit andauert. Doch noch immer gelangen laufend neue Kreationen auf den Markt. Und weil fast jeder Schnapsbrenner inzwischen einen Gin im Angebot hat, ist die Zahl der Hersteller und Produzenten längst unüberschaubar geworden. »Beim Gin sind einfach eine enorme Menge an Geschmackskomponenten möglich, von Wacholder über Thymian bis zu Ginger«, sagt Gerhard Kozbach-Tsai auf die Frage, was denn eigentlich an Gin so faszinierend sei. Als Inhaber und Barkeeper der Wiener Kult-Bar »Tür 7« muss er es wissen: »Für mich ist Gin der bessere Wodka.«

Gin-hype made in Austria

Der Gin-Hype der vergangenen Jahre ist in vielerlei Hinsicht erstaunlich. In den 1990er-Jahren gab es etwa in Österreich kaum Gin-Produzenten, heute sind es mehr als 130. Kozbach-Tsai: »Da wird auch die Tradition des Schnapsbrennens fortgesetzt. Viele Junge, die aus einer Schnapsbrennerfamilie stammen, wollen etwas Innovatives, Neues machen.« In Österreich war es Hans Reisetbauer, der bereits 2003 seinen »Blue Gin« auf den Markt brachte. Berühmt geworden durch seine Obstbrände, war Reisetbauer schon immer ein Fan eines guten Gin Tonic. Als die bekannten Marken ihn nicht mehr begeistern konnten, entschloss er sich eigenen Gin zu produzieren. Damit erwies sich Reisetbauer als Visionär, denn er konnte damals nicht ahnen, dass Gin einmal die Welt erobern würde.

Gin ist weit mehr als einfach ein Wacholderschnaps, sagen die meisten Bartender. Denn die Möglichkeiten an geschmacksgebenden Rohstoffen – im Fachjargon »Botanicals« genannt – scheinen neben dem vorherrschenden Wacholder fast unbegrenzt. Jeder destilliert neben Wacholder noch zusätzlich, was er will, erlaubt ist so gut wie alles. Und das schon seit ewigen Zeiten. So wird etwa der im Jahr 1860 entstandene »Beefeater 24«, aus Wacholderbeeren, Koriander, Angelikawurz, Mandeln, Süßholzwurzel, Liliensamen sowie Zitronen- und Orangenschalen gemacht. Oder der allseits bekannte »Bombay Sapphire« in der berühmten blauen Flasche: Für ihn werden so ungewöhnliche Botanicals wie Schwertlilie, Zimtkassie, Kubebenpfeffer oder Paradieskörner verwendet, um den Wacholdergeschmack etwas abzuschwächen.

Für Verwirrung sorgen mitunter auch die unterschiedlichen Gin-Arten und Stile wie etwa »London Dry Gin«, »Aged Gin«, »Sloe Gin« oder »Gin Rosé«.

Es begann in Amsterdam

Begonnen hat alles mit einem Mann namens Lucas Bols im Jahre 1575. Der Holländer brannte damals am Rande Amsterdams einen Wacholderschnaps, der eine für den Magen beruhigende Wirkung haben sollte. Dieses medizinische Getränk ist noch heute unter der Bezeichnung »Geneva« in der holländischen Kultur fest verankert. Der »Geneva« gilt allgemein als die Mutter des Gins, hat aber etwa mit einem London Dry Gin, wie man ihn heute kennt, wenig bis gar nichts zu tun. Die großen und bekannten englischen Gin-Marken entstanden im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, es waren Brennereien wie »Gordon’s« oder »Tanqueray«. Erst im Jahr 2000 kam die Marke »Hendrick’s« zur Welt. Heute gibt es weltweit schier unendlich viele Gins, auch die Japaner haben sich längst dem Trend angeschlossen. Die Rohstoffe, die dafür verwendet werden, sind dementsprechend exotisch und für eine Spirituose mehr als ungewöhnlich. Auszug aus der Degustationsnotiz des japanischen Gins »Roku« von Beam Suntory: »Neben der dominierenden Note von Yuzu, einer japanischen Zitruspflanze, verwöhnen die Aromen von Kirschblüten und grünem Tee.«

Es ist schon erstaunlich, dass bei einem Produkt wie Gin, den es inzwischen in allen erdenklichen Variationen gibt, noch immer neue Trends möglich sind. Gerhard Kozbach-Tsai: »Momentan sind besonders fruchtige und frische Gins gefragt, vorwiegend mit Zitrusnoten, von Grapefruit bis Zitrone.« Der Vorteil dabei: Wacholder harmoniert geschmacklich wunderbar mit den frischen Noten unterschiedlicher Zitrusfrüchte. Einer der Vorreiter dieses neuen Trends: der italienische Hersteller Malfy mit dem »Gin con Limone«, eine Kombination aus Amalfi-Zitronen und Wacholder. Inzwischen gibt es viele Nachahmer wie etwa den »Yuzilla-Gin« mit importierten Bio-Yuzus aus Japan, kombiniert mit neun sonnigen Botanicals, darunter Mandarinen, Grapefruits, Limetten und Zitronengras.

Die aktuellen Trends

Auch Gin mit weniger Alkohol liegt derzeit im Trend. So brachte etwa Beefeater vor zwei Jahren eine Light-Variante mit 20 Volumenprozent auf den Markt. Ein klassischer Gin ist das allerdings nicht, denn der benötigt mindestens 37,5 Volumenprozent Alkohol. Geht es nach den Fachleuten der Branche, so ist auch das Segment der »Gin-Liköre« derzeit im Wachsen. Einige Hersteller haben schon vor Jahren entsprechende Gin-Liköre auf den Markt gebracht. Es sind Getränke mit wenig Alkohol, aber mit über 100 Gramm Zucker pro Liter angereichert. Und das ist nicht ganz unumstritten. Bei den meisten dieser Liköre dürfte der Begriff Gin gar nicht mit auf der Flasche stehen, denn der gesetzlich vorgeschriebene Mindestalkoholgehalt wird dabei nicht immer erreicht.

Einer weiterer der aktuellen Gin-Trends ist gar nicht so neu, wie es scheint: Regionale Gin-Varianten gibt es schon seit Jahren. »Da wird sich aber noch viel mehr tun«, sagt Barbesitzer Kozbach-Tsai, »die Nachfrage nach speziellen Varianten aus ganz bestimmten Regionen ist größer denn je. Die Fantasie kennt dabei keine Grenzen, je ausgefallener der Gin und je ungewöhnlicher die Gegend, aus der er stammt, desto mehr gefällt das den Leuten.« Der Gin-Hype ist noch längst nicht vorbei.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 08/2023

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Herbert Hacker
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