»Wir haben die bestausgebildete Winzergeneration jemals«, sagt Jürgen Oberhofer vom Institut für Weinbau und Önologie des DLR Rheinpfalz.

»Wir haben die bestausgebildete Winzergeneration jemals«, sagt Jürgen Oberhofer vom Institut für Weinbau und Önologie des DLR Rheinpfalz.
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Die jungen Wilden: Deutsches Winzertum auf neuen Wegen

Vom Mittelrhein und der Mosel über Rheinhessen nach Württemberg: Das weltweite strukturelle Überangebot an Wein macht auch vor den deutschen Winzer:innen nicht halt – die nachwachsende Winzergeneration scheint jedoch mehr als gewappnet.

Die Weinbaulandschaft in Deutschland ist im Wandel: Es gibt weniger, aber größere Betriebe. »Wir beobachten seit vielen Jahren einen Konzentrationsprozess im deutschen Weinbau«, berichtet Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Viele Winzer haben keinen Nachfolger, geben auf und verkaufen an erfolgreiche Betriebe. Die gesamte Rebfläche in Deutschland bleibt aber konstant. Und eine Reihe junger Weinbauern setzt andere Schwerpunkte als ihre Eltern und Großeltern.

Weniger Betriebe, mehr Rebfläche

Fast jeder fünfte Betrieb (19 Prozent) hatte 2020 mehr als zehn Hektar Rebfläche, wie Büscher sagt. Diese Weinbauern bewirtschafteten 62 Prozent der gesamtdeutschen Rebfläche. Zehn Jahre zuvor gehörte nur die Hälfte der gesamten Rebfläche zu den Betrieben mit mehr als zehn Hektar. Neuere Zahlen gibt es nicht.

Wer Weinbau sagt, muss auch Marketing sagen

Der klassische Winzer müsse inzwischen alles machen, auch Marketing, sagt Professor Jon Hanf von der Hochschule Geisenheim. Ein weltweites strukturelles Überangebot an Wein hat nach seiner Einschätzung die Wettbewerbsintensität deutlich gesteigert. Zur Arbeitsteiligkeit kämen höhere Löhne für Arbeitnehmer als für Familienangehörige. Daraus resultiere der Druck, in großen Einheiten produzieren zu müssen, um mehr Mengen zu verkaufen und arbeitsteilig arbeiten zu können. Die Konzentration der Betriebe sei die Folge.

»Dort wo die junge Generation ins Weingut einsteigt, wird oftmals in neue Vinotheken oder Technologien investiert und auf Qualität gesetzt«, berichtet Büscher. »Dafür werden dann größere Flächen benötigt, weil mit zunehmender Qualität die Erträge in der Regel sinken.«

Am Mittelrhein

So wie bei Thomas (40) und Martin (36) Philipps vom Weingut Philipps-Mühle am Mittelrhein.– des Vaters Müllerhandwerk hatte in dem Familienbetrieb keine Zukunft mehr. Die Brüder bauten den Weinbau-Hobbybetrieb ihrer Eltern von 0,3 Hektar zu einem Vollerwerbsbetrieb mit rund sechs Hektar aus und eröffneten nahe der Loreley eine Vinothek mit Weincafé.

An der Mosel

Hohe Ansprüche an Qualität hat auch der 24 Jahre alte Carlo Schmitt von der Mosel, der den Familienbetrieb nach Ausbildung und Studium in dritter Generation führt. Er war elf Jahre alt, als sein Vater in einer Steillage tödlich verunglückte. Das Weingut habe danach drastisch auf 1,5 Hektar verkleinert werden müssen. Inzwischen sei es fast doppelt so groß und soll weiter wachsen.

In Rheinhessen

Shanna Reis führt in vierter Generation das Weingut Reis & Luff im rheinhessischen Aspisheim – mit Unterstützung ihres Schwagers, der Eltern und Großeltern. Die 31-Jährige, die auch Jägerin, Buchautorin und Doktorandin ist, macht etwa ein Drittel der 30 Weine selbst, hat dabei auch eine junge Zielgruppe im Blick und schenkt im Hotel und Café ihrer Schwester aus – fünf Kilometer entfernt in Gensingen.

Bestausgebildete Winzer:innen

»Wir haben die bestausgebildete Winzergeneration jemals«, sagt Jürgen Oberhofer vom Institut für Weinbau und Önologie des DLR Rheinpfalz. »Früher war es reines Handwerk und heute benötigt man fast noch eine zweite Ausbildung zum Büromanager«, beschreibt er die Herausforderungen. Aber: »Wein hat ein sehr gutes Image.« Und auch Quereinsteiger haben Interesse, einen Betrieb zu übernehmen. Oft fehle ihnen aber das Geld. »Denn in der Fläche ist viel Kapital gebunden.«

Bio, Nachhaltigkeit und Piwis

Für die jungen Weinbauern spielen Bio, Nachhaltigkeit und neue pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) auch eine entscheidende Rolle. »Oftmals findet die Umstellung auf den Ökoweinbau in den Betrieben mit dem Generationswechsel statt«, stellt Büscher fest. »Wenn die Generation Fridays for Future älter wird und auf den Weingeschmack kommt, wird sie sicherlich Weine bevorzugen, die von unbehandelten Trauben der nachhaltigen Rebsorten stammen.«

Kollegialität statt Konkurrenz

»Den Druck aus der Familie, das Weingut zu übernehmen, gibt es kaum noch«, berichtet die Vorsitzende von Wein.Im.Puls in Württemberg, Mara Walz. Mehr als 60 Betriebe sind in der Vereinigung junger Winzer aus der Region zusammengeschlossen. Sie füllen unter anderem jedes Jahr eine weiße und eine rote Cuvée gemeinsam. »Die neue Generation an Winzern ist offen. Wir sehen den Nachbarn nicht als Konkurrent, sondern als Kollegen«, sagt die 31-Jährige.

Ist der Wein in guten Händen?

»Der Winzernachwuchs hat mit seinen frischen Ideen und unkomplizierten Weinpräsentation sehr stark dazu beigetragen, dass Wein hierzulande insgesamt als trendiges Produkt angesehen wird«, sagt Büscher vom Deutschen Weininstitut. »Das ist in anderen europäischen Weinerzeugerländern nicht immer der Fall.« Die junge Winzer-Generation mache vor allem eine »massive Professionalisierung aus«, sagt Professor Hanf. Viele Studierende, die aus kleinen Weingütern stammten, wollten auch gar nicht mehr dahin zurück, sondern woanders in der Branche arbeiten. (APA/dpa)

Ferdinand von Vopelius
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Portalmanager Österreich
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