Falstaff Filmtipp: »The Menu« – Vom Geben und Nehmen
Wer das »Hawthorne« betritt, kommt in den Genuss von Spitzenküche, aber vor allem auch »Experience«. Ein wohlkomponiertes Werk mit Biss, guter Weinkarte und einer echten Starköchin.
Bereits in den ersten Sekunden von »The Menu« wird klar – hier geht es um Balance. Um das Gesamtkunstwerk eines Abends, die perfekte Symmetrie. Gourmet-Foodie Tyler (Nicholas Hoult) und seine Begleitung Margot, die mit »The Queens Gambit«-Star Anya Taylor-Joy exzellent besetzt ist, verbringen einen Abend im exklusiven Spitzenrestaurant »Hawthorne« auf einer abgelegenen Insel. Der exzentrische Chefkoch Slovik (Ralph Fiennes, »Harry Potter«) hat es sich zur Aufgabe gemacht, seiner erlesenen Auswahl an wohlbetuchten Gästen ein Menü zu präsentieren, das weit über den bloßen Tellerrand hinaus geht. Eine Sinfonie auf dem Silbertablett.
»Nicht essen – schmecken!«
Garniert mit Musik von Colin Stetson werden aus der bühnengleichen Küche heraus intellektuell herausfordernde Gänge serviert, die teils »ganze Ökosysteme« beinhalten, wie »Chef« zu Beginn erklärt. Allein der erste Gang ist eine dekonstruierte Insel, mundgerecht portioniert. Die einzige Anforderung, die Slovik an seine Gäste (für einen stolzen Preis von 1250 Dollar) stellt, ist, dass sie nicht essen sollen – sie sollen schmecken! »Die Rohstoffe des Lebens und des Todes« erleben, die die chorisch-militaristisch abgerichtete Koch-Mannschaft unter vollem Körpereinsatz kredenzt. Dass Gäste und Küche sich allerdings nicht einig werden, worum es bei einem Restaurantbesuch eigentlich gehen sollte, wird schnell deutlich. Denn wer nimmt, der muss auch geben. Mehr wollen wir an dieser Stelle allerdings nicht verraten.
Zuckerbrot und Peitsche
Bei aller Ernsthaftigkeit und Eleganz, mit der »Game of Thrones«-Regisseur Mylod seine Horror-Komödie inszeniert, beweist er immer ein überraschend feines Gespür für die Prise Witz, die in den Kinosesseln angenehm aufatmen lässt – nur um mit dem brachialen Klatschen des Chefkochs, mit dem ein jeder Gang angekündigt wird, die Zügel gleich wieder anzuziehen. Ähnlich verhält es sich mit dem Überthema des Films, dass der Gourmet-Bubble mit pointiert absurder Satire den goldenen Spiegel vorhält, und dabei trotzdem jeden Gang mit lang gezogenen Close-Ups und einer Weinbegleitung serviert, die jeden Weinliebhaber sofort entlarvt.
Menü von Dominique Crenn
Das »Menu«-Menü wurde von Spitzenköchin Dominique Crenn entwickelt, die mit ihrem Restaurant »Atelier Crenn« in San Francisco drei Michelin-Sterne erkocht hat und erst 2021 den »Icon Award« von »World’s 50 Best« verliehen bekam. Und Crenns einzigartiger Stil ist für Insider tatsächlich zu erkennen: die intelligente Molekularküche im »Hawthorne« spiegelt stets die »poetische Kulinarik« mit Metaebene, für die Crenn so bekannt ist.
Vor allem für Gourmets und solche, die es werden wollen, ist »The Menu« eine klare Film-Empfehlung, perfekt für düstere Winterabende.
Das Paring stammt ebenfalls von Crenn. Hier finden Sie die Weine aus dem Film!
Ab 17. November 2022 im Kino.