Maximilian Mayr-Melnhof

Maximilian Mayr-Melnhof
beigestellt

Max Mayr-Melnhof: »Jagd ist weder Hobby, noch elitär«

Seit 1. Jänner 2024 hat der Salzburger den Vorsitz von »Jagd Österreich« inne. Im Interview spricht er über seine Leidenschaft sowie die Facetten der modernen Jagd und verrät nicht nur sein Lieblingsrezept, sondern übt auch scharfe Kritik und plädiert für die Korrektur des Bildes der Jäger:innen in der Öffentlichkeit.

Wie die Jungfrau zum Kind sei er dazu  gekommen. Ursprünglich wäre einer seiner Brüder dafür vorgesehen gewesen die Forstverwaltung zu übernehmen. Doch als dieser plötzlich Priester werden wollte, sprang er vor 30 Jahren als »Black sheep of the family« ein. Heute ist er nicht »nur« Schlossherr, sondern Land- und Forstwirt, Unternehmer und seit 2017 Salzburger Landesjägermeister. Ein Amt, das anno dazumal schon sein Vater innehatte - und das 30 Jahre lang. So lang werde er selbst nicht durchhalten, »denn nach zwei Perioden fängt der Fisch zum Stinken an«, sagt Maximilian Mayr-Melnhof, der mit 1. Jänner 2024 den Vorsitz von »Jagd Österreich« übernommen hat, im Interview.

Falstaff: Wer sind die Jäger:innen von heute?

Max Mayr-Melnhof: Die moderne Jagd ist vielschichtig und repräsentiert eine breite Palette von Menschen. In meinen Augen sind die Berufsjäger die Elite der Jägerschaft, da die Jagd ihr Beruf ist. In Salzburg gibt es etwas mehr als 50 Berufsjäger von insgesamt 11.000 Jägern. Wir können viel von ihnen lernen. Daneben gibt es eine Mischung von Jägern, angefangen von denjenigen, die die Jagd quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben, wie ich selbst, bis hin zu Spätberufenen.

Diejenigen, die von Kindesbeinen an in die Jagd eingeführt wurden, haben oft ein tiefes Verständnis, das frühzeitig entwickelt wurde. Die Spätberufenen wiederum lernen oft schnell und bestehen Prüfungen mit Leichtigkeit. Jedoch können sie manchmal die komplexen Zusammenhänge nicht so gut erfassen. Mir persönlich ist es wichtiger, jemanden zu haben, der Leidenschaft und ein Verständnis für die Jagd zeigt, auch wenn er bei Prüfungen nicht unbedingt glänzt. Die Hingabe und das Verständnis für die Natur sind für mich entscheidend.

Es gibt ja eine steigende Anzahl von Frauen, die sich der Jagd widmen?

Ja, das ist korrekt. In Salzburg beträgt der Frauenanteil unter Jägern etwa 11 Prozent. Jedoch machen die neuen Jungjägerinnen bereits 25 bis 30 Prozent aus.  Meine Stellvertreterin ist eine Frau von großer Kompetenz und ich habe sie aufgrund ihrer Fähigkeiten gebeten, nicht aufgrund von Quoten oder Geschlechterfragen.

Zwischen echter Leidenschaft und Prestige: Wie stehen Sie zu Letzterem, ärgert Sie der Kommentar »Jagd sei nur ein teures Hobby«? 

Es  ärgert mich nicht, sondern es verwundert mich eher. Warum? Weil oft von »Hobbyjagd« oder »Elitär« gesprochen wird, aber es gibt keine Hobbyjagd. Nennen Sie mir eine NGO, bei der ich Mitglied werden kann und mindestens 150 Stunden Kurs absolvieren muss, 300-500 Stunden Eigenstudium und dann eine schwere Prüfung ablegen muss. Das ist weder Hobby noch elitär. Dieser Zugang zur Jagd steht jedem offen. In Österreich sind die meisten Jäger, weit über 90 Prozent, Gemeindejäger – also ganz normale Bürger, die  die Jagd ausüben wollen. Der elitäre Aspekt ist nur bei einer kleinen Minderheit vorhanden, aber Kritiker oder Nichtjäger reduzieren das oft darauf, indem sie behaupten, Jäger könnten sich teure Jagden leisten und es ginge immer nur um große Trophäen. Das ist reiner Populismus

Es gibt aber auch Personen, die die Jagdprüfung abschließen, aber dann nicht jagen wollen? Worin liegt hier wohl die Motivation?

In der modernen Jagd geht es nicht nur darum, Tiere zu erlegen. Es ist viel mehr als das – es ist eine Leidenschaft und eine Hingabe. Als Jäger sind wir nicht nur Exekutor, sondern auch Bewahrer und Pfleger der Natur. All diese Aussagen, dass es nur ums Töten geht, sind absoluter Blödsinn. Die Jagd ist für uns eine Passion, die uns antreibt. Es geht darum, jeden Tag Neues in der Natur erleben und beobachten zu dürfen; das ist ein Privileg. Natürlich ist ein Teil davon die Ernte, aber es geht um eine nachhaltige Nutzung: Das bezieht sich nicht nur auf das, was wir als Lebensmittel verwenden, sondern auch auf andere Aspekte, die daraus entstehen, sei es das Wissen oder andere Ressourcen.

Unsere Jagdschüler absolvieren eine der derzeit wohl besten Ausbildungen in Naturschutz, Tierschutz und Naturwissenschaften. Es spricht für die Jagd, wenn jemand sich weiterbilden möchte, auch wenn er letztendlich nicht töten will. Viele machen die Jagdprüfung, um das Ökosystem zu verstehen, nicht nur um zu jagen. Es ist beeindruckend, wie viele Menschen jährlich diese Prüfung absolvieren, etwa 5.000 in Österreich, weil sie verstehen wollen, wie unser Kulturlandschaft funktioniert. Wenn das ein Witz wäre, könnten wir nach der Prüfung gegen die Jagd sein, das ist aber nicht der Fall. Das zeigt, dass die Ausbildung viel mehr als nur das Jagen an sich vermittelt.

Ich bin ja auch als Prüfer im Einsatz und nach bestandener Prüfung sage ich gerne: Ich öffne die Tür für Sie ein wenig und überlasse es Ihnen, ob Sie hindurchgehen möchten oder nicht, ob Sie draußen Erfahrungen sammeln wollen oder nicht?

Wie hat sich Ihrer Meinung nach die Diskussion um Nachhaltigkeit und die Rolle von Tierrechtsaktivisten in Bezug auf die Jagd in den vergangenen  Jahren verändert?

Die Diskussion um Nachhaltigkeit ist für mich sowieso ein überstrapazierter Ausdruck, der ursprünglich aus der Forstwirtschaft, Landwirtschaft und Jagdwirtschaft stammt. Es bedeutet, nicht mehr zu nehmen als nachhaltig wachsen kann. Der Begriff wird heute von vielen Branchen verwendet, um ihre Praktiken zu beschreiben, was meiner Ansicht nach Unsinn ist. Die eigentliche Nachhaltigkeit liegt darin zu nutzen, was die Natur uns schenkt. Ein anderer Aspekt sind die Tierrechtsaktivisten, die oft fälschlicherweise mit dem Tierschutz gleichgesetzt werden. Für uns als Jägerschaft ist der Tierschutz genauso wichtig wie der Naturschutz. Tierrechtsaktivisten setzen Mensch und Tier auf dieselbe Stufe, was ich aufgrund meiner religiösen Überzeugung ablehne.

Ganz abgesehen davon leben sehr viele von diesen Aktivisten von den Spenden, aber in den Revieren habe ich noch nie einen arbeiten gesehen.

Hat sich die Interaktion zwischen Jägern und der Öffentlichkeit verändert?

Wir befinden uns in einer unerwarteten defensiven Position und müssen uns plötzlich rechtfertigen. Ich möchte mich aber nicht rechtfertigen müssen, sondern erklären dürfen. Es geht darum, die Öffentlichkeit über die Jagd zu informieren, was eine große Herausforderung ist. Dabei sind wir doch die älteste und bei weitem größte Naturschutz- und Tierschutzorganisation. Seit Juli 2023 läuft eine Informationskampagne über die Jagd, aber die Gegner haben bereits einen großen Vorsprung in der Nutzung der neuen Medien. Sie streuen falsche Informationen und Meinungen. Es ist nicht unsere primäre Aufgabe, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Wir sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, die die Einhaltung der Gesetze überwachen müssen. Wir möchten aufklären, nicht rechtfertigen. Im Unterschied zu den anderen: Wir reden nicht, wir tun auch!

Ich ermutige meine Kollegen ganz bewusst dazu, ihren grünen Rock mit Stolz zu tragen. Es ist wichtig, zu seinen Fähigkeiten und Kenntnissen zu stehen und dieses Wissen weiterzugeben, nicht um zu belehren, sondern um zu lehren und aufzuklären. Es ist eine wunderbare Aufgabe, Wissen weiterzugeben, wenn Interesse dafür besteht.

Daher übe ich auch das Amt des Landesjägermeisters aus. Ich habe mich für dieses Amt entschieden, weil ich glaube, dass wir draußen so viel zu erklären und zu zeigen haben. Die Aufklärung der Öffentlichkeit ist eine herausfordernde, aber lohnende Aufgabe. Ich brauche dabei  keine Schulterklopfer. Das brauche ich gar  nicht im Leben, und es war auch nie mein Ziel, beliebt zu sein. Mein Ziel ist es, respektiert zu werden.

Im Sommer wurde ja ein Volksbegehren für ein einheitliches Jagdgesetz in Österreich, von einer Allianz aus Tierrechtler, Tierärzten, Waldbesitzern, Jägern und Wissenschaftlern auf den Weg gebracht. Wie stehen Sie dazu?

Es verwundert mich, dass Leute etwas begehren, die zu wenig Ahnung davon haben. Um Dinge zu ändern, brauche ich keine Zurufe von Ideologen. Gesetzgeber sind die Länder.

Wald  versus Wild: In Ihrer Rolle als Grundeigentümer und Jäger ist das sicherlich auch ein spannendes Thema?

Die Diskussion um zu hohe  Wildtierbestände, die den Wald auffressen und die Zukunft des klimafitten Waldes gefährden, ist aus meiner Sicht übertrieben. Täglich wächst in Österreich eine beträchtliche Waldfläche (etwa fünf Fussballfelder täglich), die wir noch nicht einmal zu 90 Prozent nutzen. Es wird viel falsch dargestellt von Personen, die den Forst nicht vertreten können. Der Dialog zwischen Jägern und der Forstwirtschaft, obwohl man sich manchmal reibt, ist produktiv und wichtig für beide Seiten.  Ich bin überzeugt davon, dass authentische Erfahrung und Praxis in diesen Diskussionen viel bewirken kann. Ich bin ja selber Waldbesitzer und Jäger.

Inwiefern stellt der Klimawandel Ihrer Meinung nach ein Problem für die Jagd dar und wie kann die Jägerschaft auf die Veränderungen reagieren?

Der Klimawandel ist definitiv spürbar. Einige Tierarten profitieren davon, während andere darunter leiden. Zum Beispiel profitiert Schwarzwild von weniger harten Wintern und einer größeren Nahrungsverfügbarkeit. Hingegen leidet beispielsweise die Gams, da sie eine starke Isolierung hat und die Kälte benötigt. Es ist interessant zu sehen, dass sich auch das Brutverhalten von Raufußhühnern verändert hat. Aufgrund der früher einsetzenden warmen Temperaturen fehlt es den Küken an tierischem Eiweiß, da bestimmte Insekten bereits ausgeflogen sind. Der Klimawandel hat auch Auswirkungen auf die Parasitenpopulation, wie Zecken, die länger aktiv bleiben und dem Wild schaden. Viele Aspekte wurden wissenschaftlich aber noch nicht ausreichend untersucht.

Als Teil der Jägerschaft kann ich dazu beitragen, Verbesserungen vorzunehmen, neue Lebensräume zu schaffen und in die Land-, und Forstwirtschaft einzugreifen.  Es ist eine Verpflichtung, den Tieren, deren Lebensräume wir beanspruchen, etwas zurückzugeben. Ein Teil dieser Verantwortung besteht darin, Rückzugsgebiete und Winterfütterungsplätze zu erhalten. Die Kritik, dass Wild nicht gefüttert werden sollte, damit es »wild bleibt«, teile ich nicht. Für mich ist es wichtig, dem Wild etwas zurückzugeben, da wir ihm Raum nehmen. Das ist keine Maßnahme der Zähmung, sondern eine ethische Verantwortung gegenüber der Natur. Wir leben nun einmal in einer Kulturlandschaft und nicht in einer unberührten Natur.

Welches Verständnis haben die Menschen heutzutage von der Jagd?

Viele sehen die Jagd nicht als reines Töten, sondern als einen bewussten Umgang mit dem Fleischkonsum. Einige, wie Mark Zuckerberg, wollen nur Fleisch essen, das sie selbst erlegt haben. Diese Einstellung zum bewussten Fleischkonsum finde ich sehr lobenswert. Es geht darum, dass, wenn man Fleisch essen möchte, man sich auch der Verantwortung bewusst sein sollte, wie es beschafft wird. Wenn jemand gegen die Jagd ist, sage ich offen, dass entweder das Wissen oder die Einstellung fehlt. Denn immerhin essen in Österreich etwa 95 Prozent Fleisch. Eine fundierte Kenntnis über die Jagd würde sie verstehen lassen, warum sie im Grunde für diese Art der nachhaltigen Lebensmittelbeschaffung sein sollten.

Welche Chancen sehen Sie hinsichtlich des verstärkten Interesses an Nachhaltigkeit und Herkunft in Bezug auf den Verzehr von Wildfleisch?

Tatsächlich ist der durchschnittliche Österreicher ein massiver Fleischkonsument, wobei nur 0,6 Kilo pro Jahr Wildbret konsumiert werden, während insgesamt 67 Kilo reines Fleisch gegessen werden. Das Bewusstsein für Wildfleisch steigt jedoch allmählich. Viele Menschen erkennen die gesundheitlichen Vorteile von Wildbret, das reich an Omega-3-Fettsäuren ist und fettarm sowie natürlich gewachsen. Allerdings gibt es keine ausreichende Menge an Wildbret, was dazu führt, dass Österreich sogar Wildbret importiert.

Wie lautet Ihr Rat für alle, die sich für Wildbret interessieren, aber sich nicht sicher sind, wie sie es zubereiten sollen?

Die Zubereitung von Wild ist einfacher als viele denken. Wichtig ist, das Fleisch nicht zu lange zu kochen, um seine einzigartige Textur und den Geschmack zu erhalten.

Ich persönlich koche gerne und bevorzuge Wildbret. Es gibt viele einfache und köstliche Rezepte für Wildfleisch, es muss nicht kompliziert sein. Wild muss nicht stundenlang gekocht werden. Gerne erkläre ich den Leuten: Ihr müsst es nicht noch einmal umbringen, es ist schon tot. Gerade rotes Fleisch, wie beispielsweise das von Hasen, ist am besten, wenn es Medium oder Medium Rare zubereitet wird. Ich empfehle einfach zubereitetes Gemüse als Beilage und verzichte auf schwere Saucen.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Julia Emma Weninger
Julia Emma Weninger
Autor