Die vietnamesische Kult-Suppe Pho, übersetzt in die Sprache der Mixologen: Pham Tien Tiep aus Hanoi baut seinen Pho-Cocktail aus lokalen Zutaten und mittels eines hochkomplizierten Systems aus verschiedenen Siebeinsätzen.

Die vietnamesische Kult-Suppe Pho, übersetzt in die Sprache der Mixologen: Pham Tien Tiep aus Hanoi baut seinen Pho-Cocktail aus lokalen Zutaten und mittels eines hochkomplizierten Systems aus verschiedenen Siebeinsätzen.
© JAMES DUONG / AFP / picturedesk.com

Mixen am Mekong: Cocktailtrends aus Südostasien

Die Streetfood-Szene haben die intensiven Aromen Südostasiens längst erobert. Doch auch für die lokale Barkultur sind Zutaten wie Thai-Basilikum, Tamarinde und Pandan absolut wesentlich.

Auch auf der mittelmäßigsten Karte eines vietnamesischen Restaurants in deutschsprachigen Städten gehört Pho zu den Standards. Wenn aber ein preisgekrönter Mixologe wie Pham Tien Tiep seine Version einer Ph serviert, blickt das ganze Lokal gespannt hin. Über ein System an Siebeinsätzen, in denen er Kardamom, Zimt und Sternanis röstet, gießt er Gin und Cointreau. Chili und frischen Koriander fügt der Bartender am Schluss hinzu. Diese Cocktail gewordene Suppe stand 2012 am Beginn einer neuer Art des Ausgehens in Hanoi: Entertainment traf auf Top-Spirituosen und bekannte Zutaten – in Pham Tien Tieps Bar »« konnte das die Fischsauce »Nuoc mam«, aber auch vietnamesischer Robusta-Kaffee sein. 

»Am Anfang war es hart, damit gegen das lokale Bier ›Bia hoi‹ und Reisschnaps anzutreten«, erinnert sich der Mann, der trotz seiner 35 Jahre bereits als Vaterfigur der modernen Mixologie in Vietnam gilt. Mittlerweile inspiriert ihn selbst ein Snack wie die Schnecken mit Dipsauce an der Thang-Long-Brücke zu Kreationen wie dem »Under the bridge«.

REZEPT: UNDER THE BRIDGE

Schnecken in Dipsauce von Streetfood-Ständen unter der Thang-Long-Brücke waren die Inspiration für den »Under the bridge«.
Foto beigestellt
Schnecken in Dipsauce von Streetfood-Ständen unter der Thang-Long-Brücke waren die Inspiration für den »Under the bridge«.

Fischsauce-Drinks statt Bier

Ohne Pham Tien Tiep wären die heutigen Top-Bars Vietnams wie das »Stir« undenkbar. Um zu diesem Hotspot zu gelangen, muss man – wie so oft im »Goldenen Dreieck« – die Nebenstraßen der Touristenmeile von »HCMC« (so nennen Expats Ho Chi Minh City) bemühen. Unweit des bekannten Ben-Thanh-Marktes rostet der Bau vor sich hin, in dessen ersten Stock Lâm Đc Anh am Tresen steht. Doch innen zelebriert man eine Hommage nach der anderen an die Streetfood-Stände der Metropole. »Tàu Hu Đá« nennt sich für gewöhnlich eine cremig gerührte Tofu-Creme, die geeist serviert wird. Hier verwandelt sie sich in eine kräftige Mischung im Cocktailglas. 

Der allgegenwärtige Zuckerrohrsaft »Nuoc mía« wiederum wird zum Rum-Highball, in dem Pandanblatt und Kalamansi für den asiatischen Twist sorgen. Poetisch und druckreif umreißt »Stir«-Barchef Lâm Đuc Anh die aktuelle Entwicklung der vietnamesischen Szene: »Der Koch ist das Rückgrat, der Barkeeper das Herz eines Restaurants – aber in der Bar kann der Koch auch das Herz sein!«

REZEPT: TOM YUM MULE

Kräuter-Drinks der Khmer

Auch in Kambodscha verlässt die geneigte Barfliege mit Anspruch am besten die Pub Street (nomen est omen!) des Touristenorts Siem Reap und folgt den Hinweisen zum »Old Wooden House«. Allein die Khmer-­Architektur und die legere Atmosphäre dieser Bar sind eine Augenweide. Wenn dann ein Signature Drink – natürlich mit einem hinreißenden Lächeln – serviert wird, lernt man auch hier lokale Geschmäcker kennen. Die grüne Garnitur, die statt der Olive ins Martiniglas kommt, ist roher Pfeffer aus der Provinz Kampot – eine von »Foodies« weltweit gesuchte Trademark. Mittels Mix-Kurs werden »Herbal Khmer cocktails« wie dieser gerne auch interessierten Touristen nahegebracht.

Dean Williams hat sich für seine von den 1920er-Jahren inspirierte Bar »Miss Wong« ebenfalls für einen Standort abseits der Trampelpfade Siem Reaps entschieden. In der Nähe des Flusses zelebriert das Team des Neuseeländers eine internationale Cocktailkarte (u. a. mit dem beliebten »Passionsfrucht-Cosmopolitan«). Für einen kambodschanischen Martini – hier mit Kaffirlimettenblättern – sollte immer Zeit sein, besonders, wenn man einen Platz in der stimmungs­vollen Location ergattert hat. 

Elektrisierende Kombination aus Ingwer und Limette: Der »Tom Yum Mule«.
© east Group
Elektrisierende Kombination aus Ingwer und Limette: Der »Tom Yum Mule«.

Kampot-Pfeffer im Shaker

Beflügelt wird das Interesse an den Aromen des Landes auch von Spirituosen-Start-ups, deren bekanntestes die Destillerie »Samai« in Phnom Penh darstellt. Mit der Brennmeisterin Moang Darachampich destilliert hier eine Frau Rum aus dem Zuckerrohr des Königreichs. International liebt man vor allem jene Abfüllung, die Kampot-Pfeffer als Aromageber neben der Melasse nutzt. Damit lassen sich würzige Twists auf Klassiker wie den »Old Fashioned« kreieren. Der nach dem Nationalmonument Angkor Wat benannte Drink »The Angkorian« wiederum kombiniert den Kambodscha-Rum mit einem anderen südostasiatischen Liebling – der Tamarinde. Und selbst als Barbitter wird Kampot-Pfeffer verarbeitet. Das in der Hauptstadt ansässige Unternehmen »Tomoka« empfiehlt ihn vor allem für eine »Bloody Mary« im Kambodscha-Style.

Während die streng verwaltete Demokratische Volksrepublik Laos bislang eher wenig auf dem internationalen Cocktail-Parkett in Erscheinung getreten ist, kann am anderen Ende des Spektrums Bangkok mittlerweile mit den fernöstlichen Drink-Metropolen Hongkong, Singapur und Shanghai durchaus konkurrieren. Immerhin wohnen im Großraum der thailändischen Hauptstadt auch so viele Menschen wie in ganz Kambodscha. »Bei der Gastfreundschaft schlägt die Thais niemand«, sagt dazu ein Kenner. »Ich finde, dass die lokale Barszene nach der Pandemie mit einigen Neueröffnungen noch stärker geworden ist« – und Philip Bischoff muss es wissen. Er wechselte von einer der besten Bars der Welt – dem »Manhattan« in Singapur – an den Chao-Phraya-Fluss. 

Sein »BKK Social Club« im »Four Seasons« widmet sich zwar dem Thema Argentinien, doch eine weitere Bar mit famosem Flussblick wartet mit Thai-Geschmack auf. Während die Küche Olivier da Costas im »Seen« auf brasilianische Aromen setzt, würzen in der Bar im 26. Stock Chili und Mango den »Satan«. Thai-Basilikum wird für den »Belphegor« zu Sirup verarbeitet, der erstaunlich gut zu Tequila passt. Und mit getrocknetem Tintenfisch sorgt Bartender Ronnaporn »Neung« Kanivichaporn im Sripraya-Viertel für Streetfood-Geschmack im Glas: Wodka, Reiswein und Ingwersaft werden mit dem Meerestier kombiniert, als Garnitur sorgt Sepia-Tinte für den Instagram-Moment in der »Mahaniyom Cocktail Bar«.

Vorreiter in Sachen Indochina-Cocktails: Marco Pani mit seinem 2004 kreierten Drink »Thai Massage«.
© Bar Pani
Vorreiter in Sachen Indochina-Cocktails: Marco Pani mit seinem 2004 kreierten Drink »Thai Massage«.

Aroma-Export: Thai-Basilikum 

Fernreisen und Asia-Märkte bringen die fernöstlichen Geschmacksgeber inzwischen vermehrt auch in Europas Bars. In Wien gilt diesbezüglich Marco Panis »Thai Massage« schon seit 2004 als Vorreiter. Damals noch in der »Bar Italia« kreiert, ist er heute einer der Bestseller in der neuen »Bar Pani« an der Rossauer Lände. Noch tiefer geht die Kooperation Mario Nestlehners (»Laschensky Bar« in Wals-Siezenheim). Nach einem Bar-Bitter aus Bambus produziert er heute Werkzeuge – vom Shaker bis zum Tiki-Becher – aus dem nachwachsenden Rohstoff in Vietnam. 

REZEPT: THAI MASSAGE

Der Deutsche Lennart Geist wiederum liebt die Arbeit mit einem Aromageber, der alle Länder am Mekong verbindet: »Pandan ist im Geschmack eine schöne Mischung aus Popcorn, nussigen Aromen und Vanille«, so der Bartender aus »The Door« in Karlsruhe. Im Highball, aber auch im Rum-Negroni namens »Jamaican Amazone« schmecke der exotische Touch der Blätter vertraut und wird von Gästen doch selten erkannt. »Bekannt ist Pandan in der Regel aber nicht, sondern bedarf der Erklärung«, so Geist. Das allerdings würde in Vietnam nie passieren!


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Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2023

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Roland Graf
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