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Whisky-Weihnacht: Glenfiddich öffnet das «Archive» der raren Single Malts

Die Bescherung wurde in der schottischen Whisky-Hauptstadt Dufftown vorgezogen: Mit einem Einblick in die kommendes Jahr erscheinende luxuriöse «Glenfiddich Archive Collection» feierte man bei William Grant & Sons zugleich eine Familientradition.

Welchen Whisky stellt man für den Weihnachtsmann vor den Kamin? Diese Frage stand am Anfang der dreitägigen Feierlichkeiten, mit denen in Dufftown Weihnachten vorverlegt wurde. Am vorgezogenen Heiligabend musste also zwischen den Glenfiddich-Abfüllungen «Winter Storm» (in Eiswein-Fässern gereift), «Snow Phoenix» und dem «Grand Yozakura» gewählt werden. Nach reiflicher Verkostung einigte man sich auf den «Snow Phoenix» – dieser längst vergriffene Glenfiddich stammt aus Fässern, die 2009 unter der Schneelast eines eingestürzten Lagerhauses lagen. Mit einer Karotte als traditionellem Proviant für Santa Claus‘ Rentiere wurde dieser Whisky vor dem Schlafengehen hinterlassen.

Geschichtsstunde und ein Schluck für Santa

Offenbar war das der richtige Schluck, denn die eigentliche Bescherung für die internationalen Whisky-Experten, die sich in der Destillerie versammelt hatten, viel überreich aus. Zwölf Whiskys, die zwischen 33 und 36 Jahre auf die Abfüllung gewartet hatten, wurden unter dem Titel «Archive Collection» vorgestellt. Es ist die zweite Serie derart rarer Glenfiddichs, die erstmals verkostet wurden. Die Nachfolger der jeweils mit «001» etikettierten Flaschen der durchnummerierten Serien wird es im Frühjahr 2024 zu kaufen geben. Je nach Abfüllung wird mit Flaschenpreisen zwischen 3'500 und 4'600 Euro zu rechnen sein.

Zum Feiertag für Whiskyfreunde wurde die intime Vorstellung der «Archive Collection» aber insbesondere durch die Gastgeberinnen und Gastgeber. Neben Kirsten Grant Meikle als Board-Mitglied der familiengeführten Brennerei und dem Malt Master Brian Kinsman gesellte sich auch Haushistoriker Andy Fairgrieve zur Festrunde. Mit den hauseigenen Legenden Dennis McBain, der 1958 (!) als Kupferschmied begann, oder dem seit 1969 für William Grant aktiven Küfer Ian McDonald war dann – weihnachtlich passend – auch reichlich für Anekdoten gesorgt.

Tradition: Fass füllen am Weihnachtstag

Der ungewöhnliche Zeitpunkt für diese Präsentation ist übrigens mit der Geschichte der Brennerei selbst verbunden. Denn der erste von William Grant destillierte Whisky lief am Weihnachtstag 1887 aus der Brennblase. Damit nicht genug: Familie Grant füllt seit den 1980er Jahren alljährlich zu Weihnachten ein Fass Single Malt gemeinsam ab. »Ein paar Flaschen davon kursieren im Familienkreis«, so Kirsten Grant Meikle zum bisherigen Brauch. Denn mit dem »American Oak Hogshead 1987« der Archive Collection wird auch ein solcher Familien-Whisky auf den Markt gebracht. Freilich sind es nur 110 Flaschen, die exklusiv im Glenfiddich-Shop in Dufftown angeboten werden.

Auch die anderen elf Abfüllungen sind jeweils bestimmten Märkten zugedacht worden. Ein grosser Teil – nämlich fünf Raritäten – geht in die exklusiven «Distiller’s Library»-Boutiquen für asiatische Sammler, etwa in Bangkok oder Singapur. Speziell für den deutschsprachigen Raum wurde hingegen das «Refill Barrel 1990» (Cask No. 47698) ausgewählt, das mit 57,8% vol. Fass-Stärke gefüllt wurde. Bei der Verkostung vor Ort wurde es im Doppelpack mit dem für Asien reservierten Einzelfass No. 47688 vorgestellt.

Ein Hauch von Minze für Deutschland

Die Unterschiede waren frappant, nicht nur bei der resultierenden Stärke (51,9% vol.) des zweiten Fasses. «Vom Holz her sind sie praktisch ident, auch zwischen den Fülldaten liegen nur einige Tage», erläuterte Brian Kinsman. Allerdings füllt man seit Jahren bei Glenfiddich Whisky mit zwei Stärken ins Fass: 63,5% und 66,5%. Während diese Stärken für die Standard-Abfüllungen in der Regel vermählt werden, entwickelten diese beiden Fässer über 33 Jahre ihr Eigenleben.

Der leichtere Whisky changiert zwischen Teer und Erdbeermarmelade im Duft, er fällt auch am Gaumen sehr fruchtig (Papaya und Orangenkandis) aus. Die deutsche Exklusivabfüllung hingegen bringt zu Nougat, Malaga-Eis und gesalzenen Macadamia-Nüssen auch eine ungewöhnliche Minze-Note mit. »Das ist ziemlich ungewöhnlich«, kommentiert auch Malt Master Kinsman, zumal dieser Touch auch am Gaumen erhalten bleibt. Kakao, Piment und Malzkaffee werden von einem Nachklang wie Spearmint gekrönt.

Paxarette und ein wahres Sherry-Fest

Single-Malt-Freunde mit den sprichwörtlich «tiefen Taschen» dürfen sich aber auf noch mehr Ungewöhnliches einstellen. Zumal es sich bei den Jahrgängen vor 1990 auch um Abfüllungen handelt, bei denen der Zusatz des Sherry-Konzentrats Paxarette noch zulässig war. Als «Zeitkapsel» erweist sich aber auch das 1990 gefüllte Sherry-Barrel, das für den asiatischen Markt gedacht ist. Fast schwarz-braun ist diese «Feier der europäischen Eiche» –, so Brian Kinsman. Der Geruch des Destillats erinnert an den von bestem Demerara-Rum: Zigarrenkiste, Rosine, Melasse und süsse Mandel-Schokolade im «Toblerone»-Stil prägen diesen optisch wie aromatisch ungewöhnlichen Whisky. Kalter Kaffee, Süssorange und Umami-Intensität wie eine Consommé sorgen auch beim Geschmack für aussergewöhnliche Eindrücke. Aber wie sagte Brian Kinsman anlässlich dieser ungewöhnlichen Bescherung so schön: «Es sind echte Einzelstücke, die eine Geschichte zu erzählen haben». Mitunter sogar eine Weihnachtsgeschichte…


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Benjamin Herzog
Benjamin Herzog
Chefredaktion Schweiz
Roland Graf
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