Tasting vom 22.11.2013
Für Feinschmecker liegt der Schatz des Piemonts in der Erde vergraben. Als intensiv duftende Knolle landet die weiße Trüffel auf edlen Tafeln in der ganzen Welt. Für Feintrinker hingegen gedeiht der Schatz des Piemonts über der Erde, auf den Rebbergen, die die Hügel im Umland von Alba bedecken. Vorzugsweise stammt der köstliche Rebensaft von der Nebbiolo-Traube, als Barbaresco, Barolo und Roero werden daraus die berühmten Weine des Piemonts gekeltert. Der Wettergott meinte es in den letzten Jahren sehr gut mit den Langhe, den Weinbergen rund um die Stadt Alba. Ging man traditionell von zwei, maximal drei großen Jahrgängen in einer Dekade aus, so hat sich das mit dem neuen Jahrtausend umgekehrt. Auf die großen Jahrgänge 2006, 2007 und 2008 folgt mit 2009 ein weiterer hervorragender Jahrgang mit vielen großartigen Weinen. Dabei sind die Charakteristiken der einzelnen Jahre durchaus unterschiedlich. Der im Piemont als klassisch eingestufte Jahrgang 2006 zeigt sich immer noch sehr tanninstreng, wirkt verschlossen. Ein Jahrgang, der noch weiter ruhen sollte. Ganz anders der warme Jahrgang 2007, mit reifer, ansprechender Frucht und geschmeidigem Tannin. Er präsentiert sich derzeit offen, mit viel Charme und hält kaum Enttäuschungen bereit. 2008 war wieder etwas kühler im Jahrgangsverlauf, gewissermaßen die Summe aus 2006 und 2007. Noch etwas verschlossener wie 2007, aber auch schon zugänglicher wie 2006. Der Jahrgang 2009 nun ähnelt in seinen Grundcharakteristika wieder mehr dem 2007er. Eine Hitzeperiode in der zweiten Augusthälfte erbrachte Trauben mit hoher Zuckergradation. Daher gibt es auch einige vom Alkohol geprägte, raue Weine. Überwiegend aber sind es großartige Barolos mit reifer Frucht und zugänglichem Tannin. 2010, von dem bisher nur Barbaresco und Roero präsentiert wurden, war ein kühler Jahrgang, der auch beachtliche Niederschlagsmengen aufwies. Die Lese erfolgte spät. Wer mit diesen Unbilden aber gut umgehen konnte, erbrachte herrlich duftige Weine, die von außergewöhnlicher Eleganz und Feinheit geprägt sind. So hält die erste Dekade des Jahrtausends im Piemont einen ganzen Reigen an hervorragenden Jahrgängen bereit. Auch der zunächst nur als gut, aber nicht großartig eingestufte Jahrgang 2005 bringt mit zunehmender Reife schöne Trouvaillen an den Tag. Wirklich schwach als gesamter Jahrgang war wohl nur 2002. 2003 war durchwachsen. Durch die große Hitze fehlt es den Weinen an Eleganz, sie wirken zu trocken. Aber selbst von diesem schwierigen Jahrgang gibt es traumhafte Weine, die zudem auch noch hervorragend reifen können, wie die großartige Riserva von Roberto Voerzio belegt. Notizen von Othmar Kiem