Lang gezogen und voller Genuss – die Kellergasse in Purbach ist ein Sinnbild dafür, was Wanderer und Radler erwarten dürfen.

Lang gezogen und voller Genuss – die Kellergasse in Purbach ist ein Sinnbild dafür, was Wanderer und Radler erwarten dürfen.
© Marcus Wiesner

Burgenland: Wandern zum Wein, wohnen beim Winzer

Burgenland-Besucher werden mit einer Fülle von Eindrücken belohnt. Vor allem aber mit der Kulinarik um die unterschätzten »Berge« des Bundeslands.

Wie man es als Tourist richtig macht im jüngsten Bundesland, hat bereits vor über 100 Jahren der Romancier Joseph Roth (»Radetzkymarsch«) unnachahmlich beschrieben. Es waren gefährliche Zeiten, als er für die Zeitung »Der Neue Tag« von einer Tour durch das im August 1919 noch heftig umkämpfte ehemalige Deutsch-Westungarn berichtete. Doch selbst zwischen den an der Leitha patrouillierenden Rotgardisten der ungarischen Räterepublik kam der Genuss nicht zu kurz: »Da Neudörfl gar nicht die leiseste Absicht hat, aufzuhören, beschließe ich, es eigenmächtig zu unterbrechen, und betrete ein Gasthaus.« Ein Viertel Rotwein hilft Roth dann weiter, den damals wie heute lang gestreckten Ort zu durchwandern. 

Die beschriebenen Konflikte an der Ostgrenze des kleinen Österreich sind längst Geschichte. Heute sind die Projekte zwischen dem Burgenland und Ungarn Musterbeispiele. So gehört 102 Jahre später der grenzüberschreitende Radweg um den ­Neusiedler See zu den beliebtesten Strecken für (E-)Biker im ganzen Land. Will man den gesamten See umrunden – mit 125 Kilo­meter Streckenlänge in Etappen durchaus machbar –, hält man sich aber auch 2022 tunlichst an den Roth’schen Rat. Im Zweifel am Weg immer »eigenmächtig unter­brechen«. Indem man beim nächsten ­Winzer anklopft oder das nächstgelegene Schenkhaus  aufsucht.

SÜDBURGENLAND:

Vom Eisenberg undanderen »Bergen«

Ein gutes Beispiel für das »Weinwandern« stellt der Weg auf den Hochkogel im Süden des Landes dar. Er weist neben sanftem Anstieg mit der »Hoch-Zeitschenke« seinen eigenen Genussmittelpunkt auf. Unmittelbar davor wartet in Eltendorf der Weinlehrpfad in Rosa – er führt vorbei an kuriosen Installationen wie dem Flaschenwald. Dass ein Uhu den Radlern oder Wanderern den Weg weist, signalisiert auch, dass man sich im Reich des Uhudlers befindet. Ihn gibt es in der Schenke bei Matthias Mirth in allen Variationen – bis hin zum Destillat – zu verkosten. Dazu sollte man die Wildspezialitäten des Wirts als Stärkung nicht ausschlagen. Und hat man Glück, ist auch »Pepi« Pfeiffer in seinem Kellerstöckl entlang des Wanderwegs zugegen. Er erzählt die Geschichte vom verfemten Direktträger-Wein am authentischsten; sein Vater sorgte als »Legalisierungsvizeobmann« dafür, dass es in der EU diese einzigartige Spezialität weiterhin gab. Das vergisst man nicht, auch wenn mittlerweile die Debatte abgekühlt ist. So wie man den rosa Wein ja auch trinken sollte!

Der Hochkogel als eines der Ausflugsziele des Landessüdens steht für die sanften ­Routen, die auch von Familien mit kleinen Wanderern und Ungeübten locker bewältigbar sind. Entlang der österreichisch-ungarischen Grenze verläuft auch das harmonisch-flache Teilstück der berühmten »Paradiesroute«. Sie verbindet als ideale Strecke für E-Bikes drei Naturparke auf einer Länge von 260 Kilometern. Sehenswertes entlang der Route gibt es genug. Von der »Weinbergerin«, wie die lokale Bevölkerung die barocke Wallfahrtskirche Maria Weinberg gerne nennt, bis zum »Weinblick« weiter nördlich am Eisenberg. Dass der mitten in den Rieden des DAC-Gebiets gleichen Namens gelegene Aussichtspunkt von Wein umgeben ist, wird nicht überraschen. Doch auch rund um die Marien­kirche gibt es eine Rebsorte zu entdecken. Der Furmint, jenseits der Grenze unverzichtbarer Bestandteil des Tokajers, wurde von Andreas Grosz hier wieder heimisch gemacht. Und natürlich gibt es auch diese Rarität – »nur 300 Flaschen ergab die erste Lese« – in einem Schenkhaus zu verkosten. Vor allem die Terrasse der Grosz’schen Schank in Gaas bietet sich dafür an.

Wer hingegen auch in der Pannonischen Tiefebene die Herausforderung sucht, kann per pedes den Hannersberg erklimmen, auf dessen Gipfel sich nicht von ungefähr eine beliebte Hochzeitslocation befindet. Die wenigen Erhebungen im Süden erlauben alle eine herrliche Aussicht – bestes Beispiel wäre auch die Burg Güssing. Die älteste erhaltene Burganlage des Landes verdankt ihre Lage einem erloschenen Vulkan. Und mit dem Schrägaufzug zur Wehranlage hat man in der Bezirksstadt auch so etwas wie eine Bergbahn zu bieten.

Einer der »Seven Summits«

Vor allem die »Berge« des Burgenlands werden gerne unterschätzt. Dabei rechnen Alpinisten die höchste Erhebung des Bundeslands sogar zur den »Seven Summits« Österreichs. Parallel zu den sieben höchsten Bergen der Kontinente hat man auch die jeweiligen Bergriesen der heimischen Länder zusammengefasst. Es sind aber nicht neun, sondern ebenfalls nur sieben, da sich an Großglockner (Kärnten und Tirol) und Dachstein (Oberösterreich und Steiermark) Landesgrenzen treffen. Wobei: Der höchste Punkt des 884 Meter hohen Geschriebensteins befindet sich auf ungarischem Territorium. Der dort »Írottko« genannte Teil ist um genau fünf Meter höher als der österreichische Part. Als östlichster Teil der Alpen gewähren aber beide Seiten einen wunderbaren Blick auf den nächsten Nachbarn, den weit entfernten Schneeberg in Niederösterreich, und die markante Burg Lockenhaus. Insofern erweist sich der »G’schriebene« als durchaus lohnendes Wanderziel, wenn man die gut zweieinhalb Stunden Anmarsch von Rechnitz wählt. 

Als lokale Stärkung wäre hier der Welsch­riesling zu empfehlen, den man unterm Aussichtsturm am Gipfel entkorken könnte. Spezialist dafür ist Thomas Straka, der seinen Ried Prantner mitunter auch im eigenen Schenkhaus kredenzt. Ganz nebenbei führt der Rückweg vom »Summit« des Burgenlands auch gleich am zweithöchsten Berg, dem weitaus weniger bekannten ­Großen Hirschenstein (862 Meter), vorbei. Lehrreich ist der Weg auch noch, denn neben den Gesteinen werden auch die Pilze der Region und diverse Bachblüten entlang der Tour erklärt.

Im Original und entschleunigend: Die Kellerstöckln – hier das von Schauspieler Martin Weinek – sind einfach Südburgenland pur.
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Im Original und entschleunigend: Die Kellerstöckln – hier das von Schauspieler Martin Weinek – sind einfach Südburgenland pur.

MITTELBURGENLAND: 

An der »Taille« des Landes

Apropos Pilze. Sie gedeihen auch reichlich im kleinen DAC-Weinbaugebiet Rosalia, an das sich das Mittelburgenland anschließt. Doch weniger die Wanderungen über die reichen Schwammerlgründe des Pöttschinger Hotters als die markante Burg ­Forchtenstein assoziiert man mit der An­reise ins Blaufränkischland. Von hier ist es über die Schnellstraße nicht weit zu den Rotweinwinzern. Per pedes erklimmt man den namensgebenden Hügel des kleinen Weinbaugebiets Rosalia am besten von Bad Sauerbrunn – kurze Zeit auch der erste Regierungssitz des Burgenlands! – aus. Wer genau schaut, wird etliche Esskastanien im Mischwald entdeckten, der sich bis hinauf zum Rastplatz bei der Marienquelle zieht. Von hier würde der Weg weiter in die ­Bucklige Welt führen, die Melberleiten ist aber das Signal zum Umkehren. Über den Wanderweg nach Forchtenstein und ­Sieggraben erreicht man so die schmalste Stelle des Bundeslands

Von hier aus geht es dann zu Fuß oder mit dem Radl »hinunter« ins Blaufränkischland, wie Genießer den Mittelteil des Landes meist nennen. Unübersehbar locken schon im Vorbeifahren die markanten ­Keller – etwa jener von Paul und Michael Kerschbaum an der Ortseinfahrt Horitschons oder Wilhelm Holzbauers Entwurf für die Genossenschaft Eichenwald – zur Verkostung

Die Dominanz der Rotweine – nicht nur des Namenspatrons des Blaufränkischlands – ist hier in den letzten Jahrzehnten gewachsen und hat eine Reihe weithin bekannter Spezialisten hervorgebracht, sowohl bei den reinsortigen Weinen als auch bei den Cuvées mit internationalen Sorten. Dank der Vinotheken und der ­vielen Spitzenwinzer lässt sich hier auf ­kleinem Raum so entspannt verkosten wie kaum irgendwo. Ob bei Josef Tesch, einem Freund kräftiger Cuvées, oder im neuen Kostraum von Eva Maria und Anton Iby, der alle Rieden in Horitschon kultiviert (»Ziel ist es, dass keine Traube länger als 30 Minuten vom Rebstock bis zum ­Gärtank braucht«). Seit einem Jahrzehnt biologisch arbeitend, gehören die Ibys mit Franz R. Weninger zu den Pionieren dieser Wirtschaftsweise in der Region.

Eine andere Pionierin wartet im urigen Schenkhaus einen Ort weiter: Die Rosé-Vielfalt, die am Weingut Strehn – seit heuer offiziell unter der Ägide von Pia Strehn – aus der Blaufränkisch-Traube entsteht, ­sollte sich kein Freund des »rosa« Weins entgehen lassen. Die weißen Raritäten des heute so monochromen Mittelburgenlands hegt hingegen Stefan David Wellanschitz, der mit seinem Projekt »Kolfok« eine Art Weingut im Weingut der Rotweinfamilie Wellanschitz führt. Furmint oder Welsch­riesling sind seine Steckenpferde, die einen interessanten Kontrast zu den Blaufränkischen der Region ergeben. Sie kostet man in den modernen Kellern direkt bei den Winzern. Etwa in Deutschkreutz, wo mit Silvia Heinrich, Horst Gager oder Markus Kirnbauer gleich eine ganze Reihe von ­Sortenspezialisten die Gläser füllt. 

Deftiges im Schenkhaus oder doch ­asiatische Genüsse vom Feinsten – diese Frage stellt sich dann bei der kulinarischen ­Begleitung. Denn mit dem Hotel »Das Blaufränkisch« ist auch der Spitzenkoch »Luki« Fuchs mit seiner traumwandlerischen Sicherheit bei Sashimi, Krabbenrollen oder Fischsuppen im Asia-Style im Ortsteil Girm ansässig geworden. Selbst ein Wiener Kaffeehaus – benannt nach dem großen Sohn der Region, dem Komponisten Carl Goldmark – stärkt die Wanderer zwischen den Weingütern hier mit Kleinigkeiten.
Wo die Topweine wachsen, erkundet man neben dem Weinweg rund um den Ort auch auf eine österreichweit einzigartige Weise: per Draisine.

Die Tour per Muskelkraft auf der stillgelegten Bahnstrecke zwischen Neckenmarkt und Oberpullendorf hat der Region sogar einen eigenen Kalender beschert. Denn an geraden Tagen fahren die Draisinen von Horitschon/Neckenmarkt in die Bezirkshauptstadt, an ungeraden geht der Spaß in Oberpullendorf los. Und was anderswo »Après-Ski« heißt, nennt sich im Mittel­burgenland »Apresine«. In der Schirmbar lockt dann aber auch kein Jagatee mit Rum, sondern allenfalls Palatschinken mit Rumrosinen. Und natürlich der Blaufränkische, bei dem man dann als Wanderer oder Segway-Fahrer zwischen den Weingärten die finale Frage klärt: Wo kosten wir morgen weiter? Geht es in den Norden oder in den Süden in diesem Schlaraffenland der vielen Burgen und kleinen Berge?

Da kommt noch mehr! Yvonne Kracher erweitert das »Guesthouse« des Betriebs 2022 um neue Weingutszimmer.
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Da kommt noch mehr! Yvonne Kracher erweitert das »Guesthouse« des Betriebs 2022 um neue Weingutszimmer.

NORDBURGENLAND: 

Einkehr zwischen Kreidefelsen und See

Wer sich für eine Weinroute im Nordburgenland entscheidet, findet an einem weiteren Burgenländer-Berg eine Geschichte ganz anderer geologischer Natur vor. Auch wenn es korrekter Leithagebirge heißen müsste, denn den »Leithaberg« gibt es zwar nicht, doch jede Menge köstlicher Weine aus dem gleichnamigen Weinbaugebiet. Vor allem der Kalk prägt den südlicheren Teil des Höhenrückens, der gleich unmittelbar hinter der Landeshauptstadt einen seltenen Anblick gewährt. »Vergleichbare Kalkablagerungen gibt es sonst nur in der ­Champagne (Frankreich), auf der Insel Rügen (Deutschland) und in Skandinavien«, schreibt ­Wolfgang Meyer in seiner Diplomarbeit über den Kreidesteinbruch von Müllendorf. Bis heute wird die weiche Kreide von der Familie Hoffmann-Ostenhof in der 40 Hektar umfassenden Anlage abgebaut. Aus dem härteren Kalkstein am Südwesthang des Leithagebirges wurde unter anderem die Wiener Votivkirche errichtet. Auch im angrenzenden Großhöflein standen einige heute aufgelassene Steinbrüche: »Von Kalkskelettboden über Kalkschutt, Kreide, magere kalkhaltige Felsbraunerden bis hin zu kalkhaltigen Schwarzerden findet man Kalkböden in allen Schattierungen«, schildert Topwinzer Andreas Kollwentz seine bis auf 325 Meter ansteigenden Rieden, »Böden, wie sie auch im Chablis und an der Côte-d’Or im Burgund mit die besten Chardonnay-Weine der Welt liefern«.

Von Großhöflein aus reihen sich die Weingüter praktisch entlang des Wander- bzw. Radwegs auf. Bei Michael Kirchknopf in Kleinhöflein empfängt man gerne zur Weinprobe, ebenfalls noch im Stadtgebiet von Eisenstadt wartet mit Hans Nehrer in St. Georgen ein Routinier mit Lagenweinen wie dem Hummelbühel. Oder man stärkt sich mit dem legendären Backhendl aus dem Oggauer »Herztröpferl«, nachdem man bei der Winzer- und Wirtsfamilie Siess ihren Toplagenwein Marienthal verkostet hat.

An den Rieden vorbei ist auch die kurze »Durststrecke« bis nach Schützen am Gebirge schnell überwunden, wo Georg Prieler unter anderem seine Burgunder-Raritäten aus dem Keller holt. Wie Prieler engagiert sich auch Andreas Liegenfeld seit Jahren für den Leithaberg DAC. Mit der neuen Weintourismus-Gesellschaft des Landes, in der der Winzer aus Donnerskirchen die Position des Aufsichtsrats innehat, sollen noch mehr Gäste die Verbindung aus Genuss und Urlaub kennenlernen.

Die Natur vorm Winzerzimmer

Schließlich haben vor allem die Winzer die Initiative ergriffen, als Alternative zu den (wenigen) großen Hotels Zimmer direkt am Weingut anzubieten. Vor allem rund um den Nationalpark Neusiedler See – Seewinkel wird es den Gästen so leicht gemacht, Naturerlebnis, Erholung und Wein zu verbinden. Hier entscheidet mittlerweile die Stilvorliebe der Gourmets, wohin es gehen soll: Von Rudolf Salzl mit seinem Illmitzer Gästehaus über das durchgestylte »­Guesthouse«, wie Süßwein-Spezialist ­Gerhard Kracher sein Domizil im gleichen Ort nennt, bis hin zum neuen Andauer Winzerhotel von Erich Scheiblhofer reicht die Palette. Und nach den Ausflügen – etwa zu Winzergeheimtipps wie Roland ­Steindorfer in Apetlon – wartet am Abend dann noch das sorglos genossene Achterl im eigenen Quartier. Etwa in der »Homebase« für Weinfreunde, die von den Esterházy-Betrieben 2022 zentral in Eisenstadt ­eröffnet wird. So lässt sich’s leben!

Das gilt als Motto auch entlang des Nord-Süd-ausgerichteten »Rückgrats« des Nordburgenlands. Während der Leithaberg-Kalk am sogenannten »äußeren Berg« am deutlichsten an die Oberfläche tritt, ­findet sich der erste »Gipfel« erst ein paar Wanderschritte nördlich: Den ­Buchkogel mit seinen 443 Metern Höhe krönt auch eine Aussichtswarte. Er ist
aber noch nicht der höchste Punkt des 35 Kilometer langen Grenz-»Gebirges«. Den erklimmt man am besten vom Wallfahrtsort Maria Loretto aus. Denn dann erlebt man einmal die ruhigere, seeabgewandte Seite des Höhenrückens und ­zweitens lässt sich auch der Proviant in einer der lebendigsten Schenkhaus-Szenen erwerben. 

Schmausen hinterm »-Gebirge«

In Leithaprodersdorf hat sich eine junge Heurigenkultur etabliert, die neben Wein auch Gin aus eigener Erzeugung und oft genug auch das Gemüse der Leithaland-Kooperative serviert. Rund elf Kilometer lang ist der Weg auf den Sonnenberg, der den Wanderer mit einem Stück Geschichte konfrontiert. Denn der Turm am Ziel dieser Etappe ist ein originaler Grenzwachturm. Heute hat man von ihm einen spektakulären Blick von der Slowakei bis zu den niederösterreichischen Alpen. Und wer noch gut zu Fuß ist, kann direkt nach Eisenstadt weiterwandern. Passenderweise kommt man dabei an der »Alm« vorbei, Michal Rabinas wunderbarem Ausflugsgasthaus. Und von der Vinothek Selektion beim Schloss Esterházy kann der Wanderer – mit einem Glas Rosé in der Hand – dann quasi den Gegenschuss auf seine Wanderroute genießen. Nachdem man zuerst von oben einen Blick auf die Ebene und auf den Neusiedler See warf.

Die grundsätzlich flache Topografie des Burgenlands ermöglicht Städtern immer wieder solch ungewohnte Weitsicht. Unmittelbar neben der S 4, zwischen Bad Sauerbrunn und Wiesen, lassen sich vom »Wetterkreuz« aus die Windräder von Neusiedl und Parndorf erspähen. Wie eine Diagonale, die von keinem Hügel durchbrochen wird, folgt das Auge dem Seeufer über drei Bezirks- und zwei Stadtgrenzen hinweg. Die rechte Rahmung des Gesichtsfelds stellt dabei der St. Margarethener Römersteinbruch dar. Als eines der bekanntesten Beispiele heimischer »Land Art« finden sich am Plateau über der Freistadt Rust die Werke des Europäischen Bildhauersymposions. Die Kalksteinskulpturen wurden vor Ort geschaffen, seit Karl Prantl ab 1959 Künstler aus aller Welt hierher brachte. »Der Fluss ohne Wasser«, von einem japanischen Kollektiv geschaffen, lässt sich unter den 47 Monolithen ebenso bestaunen wie das rätselhafte Werk Gerhard Rühms.

135 Kilometer Radspaß bietet die Umrundung des Neusiedler Sees für alle Pedalritter. Raststationen bei Winzern inklusive!
© Burgenland Tourismus
135 Kilometer Radspaß bietet die Umrundung des Neusiedler Sees für alle Pedalritter. Raststationen bei Winzern inklusive!

Grenzstein und »Orange Wine«

Prantls eigenes Werk erwandert man entlang eines vier Kilometer langen Wegs in seiner Heimatgemeinde Pöttsching. Auf den Mitterberg wurde unter anderem der »Grenzstein« aus Nickelsdorf versetzt. Jahrzehntelang stand er dem Eisernen Vorhang in Nickelsdorf gegenüber, als Botschaft des Bildhauers: Kunst statt Wachturm! Seit 20 Jahren ziert er nun eine andere, unspektakulärere Grenze – jene zwischen Niederösterreich und dem Burgenland. Auch etliche Werke aus St. Margarethen übersiedelten in diesen wenig bekannten Skulpturenpark. Der damit nur eine Radfahrt von den kulinarischen Versuchungen im DAC-Gebiet Rosalia wie der Pöttschinger Vinothek »-Vintage« oder der »Genussquelle« in Bad Sauerbrunn entfernt ist. 

Anhänger der biodynamischen Landwirtschaft sollten diese kulinarische Expedition jedenfalls im Heurigenort Neudörfl beginnen. Nicht weil viele Winzer des Grenzorts an der Leitha ihre Weine so keltern: Doch im Bahnwärterhaus verbrachte Rudolf Steiner als Begründer der heute so geschätzten alternativen Landwirtschaft seine Kindheit. Sein Vater Johann leitete die Station, und ein brennender Zug gehört zu den ersten Eindrücken des Anthroposophie-Begründers. Und auch Joseph Roths erwähnte Methode lässt sich hier immer noch praktizieren, die vitale Heurigengemeinde bietet »Orange Wines« (Waldherr) ebenso wie feine Rotweine (Piribauer, Döller und Steiger). Denn -politisch hat sich in den letzten 100 Jahren einiges geändert im Burgenland – beim Genussfaktor aber keineswegs!


Der Heurige, neu definiert

Der ur-burgenländische Ausdruck „Schenkhaus“ feiert dieser Tage ein Comeback, Nicht ganz unerwartet, denn er verbindet traditionelle Kulinarik mit Innovation. „Man kennt es auch unter dem Namen „Heuriger” oder „Buschenschank” oder ganz vereinfacht: ein traditionelles und regionales Restaurant“, erklärt Willi Wohlrab aus Wulkaprodersdorf die Eigenheiten. 

In allen Landesteilen findet man unter diesem Titel Stärkung der zeitgemäßen Art. Die Winzerfamilie Strehn etwa hat sich die Marke „Schenk’Haus“ von Künstler Niki Eberstaller gestalten lassen. „Wir servieren nur kalte und regionale Speisen und natürlich unsere eigenen Weine“, so Pia Strehn. Und auch der prominente Südburgenländer Martin Weinek präsentiert seine Weine „Weinecco“ gern im Schenkhaus in Hagensdorf.


© Falstaff

Die Weinregionen

  1. Neusiedlersee. Das Weinbaugebiet reicht von den Hügeln der großen Weinstadt Gols über den flachen Heideboden bis hinunter in den Seewinkel. Auf 6.675 Hektar reift hier an den Ufern des flachen Steppensees eine große Sortenvielfalt heran. Seit März 2012 steht Neusiedlersee DAC für vom Klima und Boden geprägte fruchtige und harmonische Rotweine der Sorte Zweigelt.
     
  2. Leithaberg. Kaum ein anderes Weinbaugebiet erlaubt eine solche Vielfalt an Weintypen wie die 3.097 Hektar am Leithaberg am Westufer des Neusiedler Sees. DAC-Weine können sowohl rot als auch weiß sein. Ein Leithaberg DAC Weiß kann aus Grünem Veltliner, Weißburgunder/Pinot Blanc, Chardonnay oder Neuburger gekeltert werden. Ein Leithaberg DAC Rot wird aus der Sorte Blaufränkisch gewonnen.
     
  3. Rosalia. Am Osthang des Rosaliengebirges, das sich entlang der niederösterreichisch-burgenländischen Grenze erstreckt, liegt das rund 300 Hektar kleine Weinbaugebiet Rosalia. Es ist das jüngste des Burgenlands und bietet perfekte Voraussetzungen für den Anbau von Blaufränkisch und Zweigelt, den beiden prominentesten Rebsorten des Gebiets.
     
  4. Mittelburgenland. Eine Rotweinsorte spielt auf den 2.104 Hektar Rebfläche des Mittelburgenlands die Hauptrolle: der Blaufränkisch, der in Form von DAC-Weinen seine Herkunft idealtypisch repräsentiert. Vier Gemeinden geben den Ton an: Deutschkreutz, Horitschon, Lutzmannsburg und Neckenmarkt. Zwei moderne Genossenschaften beweisen, dass Betriebsgröße sehr wohl mit höchster Qualität konform gehen kann.
     
  5. Eisenberg. Die ursprünglichste Weinlandschaft des Burgenlands erstreckt sich von Rechnitz bis nahe Güssing (ca. 515 Hektar). Die authentischen Rotweine, speziell vom Blaufränkisch, sind von einer besonders mineralischen Würze geprägt. Elegante, pikante Weißweine setzen Akzente, ebenso die urtümliche Spezialität des Uhudlers.
Roland Graf
Autor
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