Die Fußgängerpromenade befindet sich unter Straßenniveau.

Die Fußgängerpromenade befindet sich unter Straßenniveau.
© Pascal Mora

Der Schanzengraben: Ader der Erholung

Der Zürcher Schanzengraben ist eine Naturoase inmitten der Stadt. Der alte Festungsgraben ist heute eine Fussgängerpromenade und führt vom Hauptbahnhof bis zum See. An seinem Lauf gibt es einiges zu entdecken.

Wer den Zürcher Schanzengraben nicht kennt, bemerkt ihn vermutlich gar nicht. Der Wasserkanal mit praktisch durchgehender Uferpromenade befindet sich rund zwei Meter unter dem Strassenniveau der Stadt und führt vom Zürcher Hauptbahnhof in einem gezackten Halbkreis bis an den See. Die Hektik der Strassen oberhalb ist hier kaum spürbar und der Name Oase dann auch durchaus treffend. Am leichtesten erreicht man den Schanzengraben, indem man bei der «Rio Bar» unweit des Hauptbahnhofs die grossen Steinstufen zum Wasser hinuntergeht, die gerne als Picknickplatz genutzt werden. Genauso einfach kann man den Schanzengraben über Treppen an diversen Stellen auch wieder verlassen oder zu ihm zurückkehren, wenn einem danach ist. 

Verblieben aus vergangen Tagen

Wie sein Name verrät, entstand der Schanzengraben als Teil einer militärischen Festungsanlage. Nach 1642 war er der äussere Wassergraben der dritten Befestigung der Stadt. Von hier aus verteidigte sich das von den Franzosen besetzte Zürich 1798 mit Kanonen gegen die österreichische und russische Armee. Heute unvorstellbar: Der Schanzengraben ähnelt eher einem venezianischen Canale als einem Schützengraben. Bis es dazu kam, dauerte es aber lange. Während weite Teile der Befestigungsanlagen Zürichs ab 1830 zugeschüttet wurden, trotzte der Schanzengraben den Plänen der Städtebauer wiederholt. Zunächst erachtete man den Kanal als wichtigen zusätzlichen Seeabfluss und überliess ihn mehr oder ­weniger seinem Schicksal. Während der Industrialisierung siedelten sich an seinen Ufern verschiedene Fabriken an und der Graben verkam für rund 100 Jahre zu einem unansehnlichen Fabrikkanal. Kein Wunder also, zog man ab 1910 immer wieder in Erwägung, ihn zugunsten einer Strasse zuzuschütten. Im Jahr 1952 kam schliesslich erstmals die Idee auf, den Schanzengraben zu einer Fussgängerpromenade umzufunktionieren. Erst 25 Jahre später – 1975 – wurde das Vorhaben in ­Angriff genommen, und 1984 wurde das letzte Teilstück fertiggestellt.

© Tourismus Zürich

Oase für alle

Das Wasser im Schanzengraben fliesst am Bürkliplatz aus dem Zürichsee und unweit des Hauptbahnhofs in den Fluss Sihl. Begangen wird die Promenade aber meist in entgegengesetzter Richtung. Sie führt im ersten Teil dicht am Wasser über Holzstege und Sandsteinplatten. Im Sommer ist es hier unter den Bäumen und Büschen an der Uferpromenade merklich kühler als in den legendären Strassen der Umgebung – Paradeplatz und Bahnhofstrasse befinden sich nur einen Steinwurf entfernt. Zur Mittagszeit darf man sich also nicht wundern, wenn auch mal ein Herr im Anzug die Füsse im Wasser baumeln lässt. Der Schanzengraben ist eine Oase für alle inmitten der Stadt.

Weniger als zehn Minuten läuft man vom Einstieg bei der «Rio Bar» bis zur Sihlstrasse, wo sich aus kulinarischer Sicht eine Pause lohnt, denn hier befindet sich in unmittelbarer Nähe das Restaurant «Bar Basso». Die Betreiber des Lokals führen auch die kultige Pizzeria «Rosso» in Zürich West sowie das gefeierte «Osso» im Kreis 5. Im «Bar Basso» gibt es neben erstklassigen Pizzen aus dem Holzofen eine wirklich empfehlenswerte Auswahl von kreativen, saisonal wechselnden Gerichten, die man abends als fünfgängige Tavolata zum Teilen bestellen kann – auch die Getränkeauswahl lässt keine Wünsche offen. Die Terrasse des Lokals gehört zu den wenigen, die sich unmittelbar am Schanzengraben befinden. Ein urbanes Ferienparadies, gewissermassen.

Foto beigestellt

Von hier aus sind es nur noch wenige Schritte bis zur 1864 errichteten Männerbadi, einem Flussbad aus Holz, das tagsüber tatsächlich nur Männern vorbehalten ist. Keine Angst, die Frauenbadi an der Limmat dient als Pendant dazu. An Sommerabenden werden diese beiden sowie weitere Zürcher Badeanstalten zu Bars umfunktioniert, in denen Personen aller Geschlechter willkommen sind. Die «Rimini Bar» in der Männerbadi etwa ist Kult und im Sommer bei schönem Wetter nicht nur jeden Abend geöffnet, sondern gewissermassen ein Hotspot für Menschen auf der Suche nach einem kurzen Moment der Entschleunigung. Bei angenehmer Musik geniesst man hier Cocktails, Grillspezialitäten und natürlich das einzigartige Ambiente der Naturoase mitten in der Stadt. Die «Rimini Bar» befindet sich beim Bollwerk «Zur Katz», einem der wenigen erhaltenen Bauwerke der ehemaligen Stadtbefestigung. ­Darauf befindet sich der wunderschöne alte botanische Garten, dessen Geschichte bis ins Jahr 1837 zurückreicht. Der Garten beheimatet uralte Bäume, die ihm seine verwunschene Ausstrahlung verleihen. Auf einem Hügel befindet sich ein mittelalterlicher Kräutergarten, der «Gessner–Garten», welcher einen Einblick in das Heilpflanzenwissen des 16. Jahrhunderts ermöglicht. Das unter Denkmalschutz stehende, gläserne Palmenhaus aus dem 19. Jahrhundert wird heute für Konzerte, Theatervorstellungen oder Ausstellungen genutzt. Im alten botanischen Garten lässt es sich hervorragend ausspannen, die diversen Sitzgelegenheiten laden förmlich dazu ein.

Das Reich der Kanufahrer

Direkt nach der Männerbadi reguliert ein Wehr mit Fischtreppe den Ausfluss aus dem See, danach macht der Schanzengraben einen grossen Knick nach links Richtung Bürkliplatz. Hier beginnt das Reich der -Kajak- und Kanusportler. Bei der Kanusportanlage im Kanal herrscht oft reger Betrieb, und vom hier ansässigen Bootshaus haben es die Wassersportler auch nicht mehr weit bis in den See – ideal könnte man sagen.

Foto beigestellt

Kulinarisch ist der Schanzengraben natürlich auch ein idealer Ort, um zu picknicken. Einkaufsgelegenheiten gibt es in  seiner Umgebung viele, ein besonderer Tipp ist die «Bäckerei Jung», die direkt am Schanzengraben eine ihrer Filialen betreibt. Man erreicht sie, indem man die Promenade beim autofreien Bärenbrüggli verlässt. Betrieben wird die «Bäckerei Jung» von Jens Jung, der auch die hippe Bäckerei «John Baker» beim Bahnhof Stadelhofen betreibt. Die handwerklich hergestellten Brote, Sandwiches und Backwaren seiner Betriebe gehören zum Besten, was man in Zürich kriegen kann. Richtung Zürichsee ist der Schanzengraben gesäumt von Booten, die von hier ihre Fahrt auf den See starten. Kurz bevor die Promenade den See erreicht, erblickt man auf der gegenüberliegenden Seite das Hotel «Baur au Lac» mit seinem Sternerestaurant «Pavillon», das sich ebenfalls unmittelbar am Schanzengraben befindet. Die Schanzengrabenpromenade endet am General-Guisan-Quai, einer viel befahrenen Strasse direkt am Seeufer. Diese überquert man am besten schnell, um auf der gegenüberliegenden Strassenseite den spektakulären Seeblick zu geniessen, im Wissen um eine Naturoase im Rücken.

© Patrick Armbruster

Erschienen in
Food Zurich Spezial 2023

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Benjamin Herzog
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