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»food4future«: Wie schmeckt die Zukunft?

Professorin Monika Schreiner und ihr Team bei »food4future« entwickeln innovative Lösungen, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Im Interview gibt die Agrarwissenschaftlerin Einblicke in die Nutzung von Quallen als Nahrungsquelle der Zukunft, erklärt, welche Rolle das Meer dabei spielt – und beantwortet die Frage, ob die Zukunft tatsächlich nach Fisch schmecken wird.

Sie arbeiten mit ihrem Team an den Nahrungsmitteln der Zukunft. Warum müssen wir unsere Ernährungsgewohnheiten überhaupt verändern?

Es scheint unvermeidlich, dass wir über das 1,5-Grad-Ziel hinausgehen werden. Die Art und Weise, wie wir uns ernähren, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Bis 2050 werden voraussichtlich 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Ihre Ernährung erfordert neue Ansätze in der Agrarwirtschaft. Zwei natürliche Ressourcen geraten zunehmend an ihre Grenzen: Ackerfläche und Frischwasser. Das Projekt food4future setzt auf die nachhaltige Produktion von alternativen Nahrungsquellen. Diese benötigen weniger Fläche und weniger Frischwasser oder können mit Salzwasser kultiviert werden.

Welche alternativen Nahrungsquellen könnten künftig einen Hauptbestandteil unserer Ernährung darstellen?

Wir denken da an marine Nahrungsorganismen wie Makroalgen, Quallen und Halophyten, also Pflanzen, die in salzigen Küstengebieten gedeihen. Auch Insekten sind ein interessanter Ansatz: Sie benötigen sehr wenig Frischwasser und haben eine hohe Produktionsrate an Biomasse. Derzeit konzentrieren wir uns auf Grünalgen, die ein ausgeprägtes Wachstum und hohe Proteingehalte aufweisen. Sie sind außerdem aufgrund ihrer gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe wie verschiedene Antioxidantien – beispielsweise Carotinoide – besonders interessant. Wir können diese im städtischen Raum in Indoor-Anlagen produzieren, vertikal oder horizontal, in ungenutzten Industriegebäuden oder stillgelegten U-Bahn-Tunneln.

Quallen und Insekten zu essen, klingt nicht gerade appetitlich. Wird die Zukunft nach Fisch und Maden schmecken?

Nein, diese alternativen Nahrungsquellen werden überwiegend nicht in ihrer natürlichen Form konsumiert. Das widerspricht unserer westlichen Genusskultur. Stattdessen extrahieren wir einzelne Bestandteile wie Proteine, Fettsäuren, Vitamine oder Mineralstoffe und integrieren sie in unsere traditionellen Produkte. Brot kann bereits mit Insektenprotein gebacken oder Makro-Algen für Pasta-Produkte verwendet werden. Es geht um Substitution. Wir werden niemanden so einfach überzeugen, Quallen zu essen. Unser Ziel ist es, dass jeder seine Lieblingsspeisen beibehalten kann. Statt nur der klassischen Currywurst, wird es dann eine Vielzahl anderer Varianten geben, die pflanzenbasierte Ersatzstoffe oder Inhaltsstoffe aus diesen alternativen Nahrungsquellen beinhalten.

 

Die Agrar­wissenschaftlerin, Professorin Monika Schreiner, erforscht als Projektkoordinatorin von »food4future« proteinreiche Alternativen zu tierischen Nahrungsmitteln. Ihr Fokus liegt darauf, Nahrungsmittel zu entwickeln, die in städtischen Gebieten angebaut werden ­können. Sie leitet zudem den Bereich »Pflanzenqualität und Ernährungssicherheit« am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ).
© Julia Vogt
Die Agrar­wissenschaftlerin, Professorin Monika Schreiner, erforscht als Projektkoordinatorin von »food4future« proteinreiche Alternativen zu tierischen Nahrungsmitteln. Ihr Fokus liegt darauf, Nahrungsmittel zu entwickeln, die in städtischen Gebieten angebaut werden ­können. Sie leitet zudem den Bereich »Pflanzenqualität und Ernährungssicherheit« am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ).

Wie werden die neuen Lebensmittel unser Geschmackserlebnis beeinflussen?

Die Menschen sollen nicht den Eindruck haben, dass wir lediglich etwas hinzufügen, einmal umrühren und dann wäre die Sache erledigt. Unser Fokus liegt darauf, die Produktvielfalt zu erweitern und unsere Ernährungsmöglichkeiten zu diversifizieren. Damit verringern wir auch die Abhängigkeit von herkömmlichen tierischen Produkten. Es ist wichtig zu verstehen, dass es sich hier um komplexe Lebensmitteltechnologie handelt. Die Sensorik wie das Mundgefühl und der Geschmack sind entscheidend. Im besten Fall merkt man die Substitution überhaupt nicht.

Wird das Meer einen wesentlichen Beitrag zur Rettung unserer Ernährung leisten?

Es geht nicht nur darum, Meerwasser zu nutzen, es existiert auch salzhaltiges Wasser im ländlichen Raum. In Regionen wie Brandenburg gibt es zahlreiche natürliche Solequellen, die wir für die Bewässerung in den Anbausystemen nutzen. Damit verfolgen wir einen doppelt nachhaltigen Ansatz: Das Solewasser wird nicht nur, wie gewohnt, für Thermalbäder verwendet, sondern nach der Nutzung hygienisiert und gezielt für den Anbau neuer Nahrungsquellen eingesetzt. Abgesehen von Algen und Quallen existieren im Meer noch weitere Organismen, die potenziell nutzbar sind. Beispielsweise gibt es See-Gurken, See-Trauben, oder andere wirbellose marine Lebewesen, deren Inhaltsstoffe verwendet werden können.

Wann glauben Sie, werden solche Produkte im Supermarkt erhältlich sein?

Bis 2030 dürfte einiges erhältlich sein, insbesondere im Hinblick auf Algen als aufstrebende Lebensmitteloption. Die Zukunft der Ernährung besteht aber nicht nur darin, neue Nahrungsquellen zu finden, sondern unsere Ernährung allgemein mehr nachhaltig zu gestalten. Der Fokus sollte auch auf saisonalen und regionalen Produkten liegen. Nachhaltigkeit bedeutet auch, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren, die stark zur Klimakrise beiträgt. Jeder kann entscheiden, was auf seinem Teller liegt und was er isst und dadurch auch, wie unsere Zukunft aussehen wird.

 

 


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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