100-jähriges Kraftpaket: BMW
Sportlichkeit, technische Brillanz und gepflegte Macho-Attitüde: Es gibt nicht viele Automarken, die beim Erwähnen ihres Namens ein so klares Bild hervorrufen. Dabei hat BMW eine äußerst wechselhafte Geschichte.
Wer jetzt zum Champagner greift, um 100 Jahre BMW zu feiern, sollte sicherheitshalber ein paar gekühlte Flaschen aufbewahren – es folgen noch einige weitere Jubiläen im Zeichen des blau-weißen Propellers. Denn zunächst stoßen wir nur auf die Gründung der Marke im Jahr 1916 an, mitten im Ersten Weltkrieg, als das Unternehmen ausschließlich Motoren für militärische Flugzeuge herstellte. Sagen wir einfach einmal, dass es besonders gute Flugzeugmotoren waren, was allerdings nicht verhindern konnte, dass Deutschland den Krieg verlor. In den ersten Jahren nach Kriegsende war dem Werk die Produktion solcher Aggregate verboten, woraufhin man umsattelte – auf die Produktion von Motorrädern, deren erstes 1923 präsentiert wurde.
Dass heutige Bikes von BMW durchwegs die gleichen Konstruktionsmerkmale wie das Urmodell aufweisen, allen voran den so typischen, zu beiden Seiten in den Fahrtwind ragenden Boxermotor, darf man schon als Hinweis verstehen, dass Tradition und die Pflege gewisser Eigenarten zu den Markenzeichen der stolzen Münchner gehören.
Ob es jemals etwas mit der zivilen Fliegerei werden sollte, war in jenen Jahren äußerst zweifelhaft; als sicher galt aber schon, dass dem Automobil die Zukunft gehörte. BMW stieg 1928 mit der Übernahme eines Herstellers von Kleinwagen in die Autoproduktion ein – aus dem beliebten, in englischer Lizenz gefertigten Dixi wurde der BMW 3/15, der 1929 als leicht verbesserte Dixi-Version auf die Straßen rollte.

Sportlich in die Zukunft
Im Vorfeld des nächsten Weltkriegs war die Produktion von Flugzeugmotoren wieder gefragt, dennoch entstanden in der Zeit auch legendäre Autos von BMW. Vor allem der 328, der 1940 einen Triumph beim berüchtigten Langstreckenrennen Mille Miglia einfuhr, begründete den sportlichen Ruf der Marke. Wer einmal die Gelegenheit hatte, ein Exemplar des 328 selbst zu fahren, kann nur staunen, wie flott und schön sich das Auto auch nach heutigen Maßstäben fahren lässt. »Aus Freude am Fahren« wäre jedenfalls schon in den 1930er-Jahren kein vermessener Slogan gewesen.Schließlich schaffte es der epochale BMW 507 von 1955 mit V8-Motor und betörend schöner Karosserie auf Anhieb in die Garage der ewigen Traumwagen. Dem gegenüber stand der Kabinenroller Isetta, der bloß automobile Minimalbedürfnisse bediente – die Kluft zwischen diesen beiden Welten, der Oberklasse und den Vehikeln für das Volk, wurde Mitte der 1960er-Jahre geschlossen. Mit den verschiedenen Vorläufern des heutigen 3er und 5er, die Kernmodelle der Marke, wurde BMW erst der breit aufgestellte Hersteller, der dieser Tage für jede Lebenslage ein Gefährt im Programm hat – vom schlichten 1er mit Dreizylindermotor bis zum opulenten 7er mit V12 unter der Haube, nicht zu vergessen die bunte Mini-Palette und die exquisiten Geschöpfe der englischen Tochtermarke Rolls-Royce.
Dass BMW heute erbittert mit Mercedes-Benz um die Vorherrschaft im Premium-Segment rittert, ist insofern originell, als die Münchner Ende der 1950er-Jahre, in einer tiefen Krise steckend, um ein Haar von Daimler übernommen worden wären. Es kam glücklicherweise anders, denn sonst hätte es vermutlich nie den BMW 2002 Turbo von 1973 gegeben, ein Hooligan von Auto, der die Porsches auf der Autobahn das Fürchten lehrte. Mit der jungen Turbo-Technologie kam BMW später auch in der Formel 1 zu Titel und Ansehen. Die Hochleistungsgerätschaft, die heute unter dem prestigeträchtigen M-Label antritt, geht zumindest geistig direkt auf den wilden 2002er zurück. Dass der Spaß an einer zünftigen Beschleunigung auch in Zeiten alternativer Antriebe noch seine Daseinsberechtigung hat, zeigt BMW aktuell mit dem elektrischen i3 und dem hybriden Sportwagen i8 – schon allein aus Tradition, wenn man so will.
Sich auszuruhen auf den Lorbeeren früher Pioniertaten – und davon hat BMW einige vorzuweisen –, scheint dem Hersteller aber wesensfremd zu sein. Die Frage, wohin die Reise in Zukunft gehen wird, stellt man sich in München am lautesten: etwa in Bezug auf Car-Sharing-Plattformen – BMW steht hinter »DriveNow« –, den Einstieg des kalifornischen IT-Giganten Apple ins Business und das autonome Auto, das keinen Menschen mehr am Steuer braucht. BMW sieht sich für die Zukunft gut gerüstet.


Aus Falstaff 3/2016