Saltimbocca vom Hirsch mit Gin-Zwetschken.

Saltimbocca vom Hirsch mit Gin-Zwetschken.
© Stine Christiansen, Johannes Kernmayer

Cortis Küchenzettel: »Unser Wild ist Weltklasse«

Über den Wildreichtum der Berge und Wälder, die herbe Aromatik unserer Früchte, die Weltläufigkeit in der Küche und den »Hirsch von Rom«.

Mit dem Spätsommer ist jene Zeit gekommen, in der das Essen nirgendwo besser schmeckt als bei uns: dank des Wildreichtums unserer Berge und Wälder, der herben Aromatik unserer Früchte – und der Weltläufigkeit, mit der wir inzwischen auch in der Küche unterwegs sind.

Man kann das Mantra nicht oft genug wiederholen: Unser Wild ist Weltklasse. Unser Wild ist absolute Weltklasse. Zartes, fast fettfreies Fleisch von einer subtilen Geschmackstiefe, die in den Exportmärkten Frankreich oder der Schweiz nicht zufällig in höchsten Tönen gelobt wird. Von Tieren, die in unserer einzigartigen Natur herangewachsen sind. Das ist Genuss pur, ganz buchstäblich: Mit dem Geschmack des Waldes, des Winds, des Regens nach einem heißen Tag.

Bloß wir selbst scheinen das immer noch nicht so recht wahrnehmen zu wollen. Der Wildreichtum unserer Natur lässt uns buchstäblich aus dem Vollen schöpfen und nur das edelste, zarteste und bekömm­lichste Protein überhaupt auf den Teller bringen – im Zweifel aber greifen wir dann doch lieber zu Zuchtfleisch als zu Wildbret aus freier Wildbahn.

Am Image des Wilds als solches kann das nicht liegen, eher schon an Erinnerungen, wie uns das früher einmal nicht geschmeckt hat. Die altmodische Art, mit dem zarten, fast fettfreien Fleisch umzugehen, es bis zur Lebrigkeit tot zu dünsten und unter schweren, faden Saucen zu begraben, hat es einem wirklich schwer gemacht. Solche tief im Unterbewussten abgespeicherten Antipathien sind nicht einfach rational zurückzudrehen, da helfen nur positive Erlebnisse – und am besten viele davon.

Insofern ist das nebenstehende Rezept vielleicht ein Anfang: In der Kombination mit Salbei und knusprigem Speck geraten Reh und Hirsch gleich noch einmal so unwiderstehlich, die karamellisierten und leicht beschwipsten Zwetschken steuern Fruchtsüße und -säure bei, der Salat sorgt für knackige Frische – man muss sich schon sehr enge Grenzen des Köstlichen abgesteckt haben, um sich an dem nicht glücklich zu essen.

Geografisch lässt sich so ein Gericht eigentlich gar nicht einordnen. Klar, die Saltimbocca ist von der Idee her ein urtypisch der italienischen Hauptstadt Rom zugeschriebenes Gericht. Nur: Mit Hirsch oder Reh würden die das dort nie in die Pfanne hauen – davon gibt es jenseits der Alpen einfach zu wenig. Und in der Kombination mit salzig-würzigen, ofengebratenen Zwetschken schon gar nicht. Die Tradition, die Frucht mit dem Wildbret aus herbstlicher Jagd auf den Teller zu bringen, ist eher der angelsächsischen Tradition zuzuordnen. Und die Idee, solch salzige und süße Delikatessen in einem pikanten Salat zu vereinen? Ist eindeutig südwestfranzösisch: In dem Land, wo die Enten für Confit und Foie gras gezüchtet werden, sind solche Salate mit knusprigem Fleisch und süßsaurer Frucht in knackiger, forsch gewürzter Umgebung extrem beliebt, in den besseren Bistros von Paris ebenso.

Was wir daraus schließen können? Dass deutliche lokale Verwurzelung bei der ­Herkunft der Zutaten eine wichtige und köstliche Sache ist. Dass aber schöpferische Freiheit und die Freude am Kombinieren kulinarischer Erfahrungen ein mindestens so probater Weg zum Glück sind wie die akkurate Nachbildung in der Tradition fu­ßender Klassiker. In diesem Sinne: Auf die Tradition! Auf die Freiheit! Auf unsere Natur und das Wild, das in ihr gedeiht!

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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2023

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Severin Corti
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