Besondere Atmosphäre, beliebter Service: Kölner Weinkeller.

Besondere Atmosphäre, beliebter Service: Kölner Weinkeller.
© REWE Weinkeller Köln

Der Boom des Online-Handels

Die Weinhändler profitieren in der Pandemie enorm von Bestellungen per Internet. Falstaff verrät die beliebtesten Händler Deutschlands.

Sie sind ein Symbol für das Corona-Jahr 2020: gelbe Lieferwagen. Vor allem im Frühjahr schienen sie omnipräsent, wahre Kolonnen von Transportern ar­beiteten sich durch die Städte, vollbeladen mit Paketen. Ein Rekordplus von mehr als 50 Prozent für Waren des täglichen Bedarfs, zu dem auch Genussmittel gehören, notierte der E-Commerce-Verband bevh für die Zeit von April bis Juni dieses Jahres. Denn an­ders als sonst lieferten die fleißigen Paket­boten nicht mehr überwiegend Kleidung, Schuhe und Handys aus, sondern zunehmend auch Genusspakete, häufig mit flüssigem Inhalt.

Sattes Plus in der Krise

Weinhändler, die per Online-Shop Ware versenden, erleben in diesem Jahr einen wahren Boom – dementsprechend gut ist die Stimmung. »Wir sind die Profiteure«, sagt etwa Lutz Heimrich, Geschäftsführer des Online-Versenders superiore.de mit Sitz im sächsischen Coswig. »Im Gesamtjahr werden wir etwa 40 Prozent Plus haben.« Die Hawesko-Gruppe, zu der unter anderem Wein & Vinos sowie Carl Tesdorpf gehören, meldete für das bisherige Jahr eine Umsatzsteigerung um beacht­liche elf Prozent. Schon im April gab der Hawesko-Vorstandsvorsitzende Thorsten Hermelink zu Protokoll: »Wir könnten noch mehr verkaufen, nur stoßen die Logistikstrukturen aktuell an ihre Grenzen.«  

Dass die Alkohol-Bestellungen per Internet zunahmen, konnte man während der ersten Zwangsschließung im Frühjahr auch im persönlichen Umfeld beobach­ten; stolz verschickte Flaschenbilder vom »kleinen Vorrat für den Lockdown« machten in privaten Messengerdiensten die Runde. Es ging ja nicht anders. Von heute auf morgen mussten Genießer ihren Aperitivo gezwungenermaßen zu Hause einnehmen. Kein Feierabend-Aperol mehr mit Bürokollegen in der nächstgelegenen Bar, kein romantisches Dinner im Lieblingsrestaurant, kein Business-Lunch mit Besprechungen unter Geschäftspartnern. Die Gastronomie war flächendeckend geschlossen, viele stationäre Händler ebenfalls – und damit jede Mög­­lichkeit für den gepflegten Genuss eines Drinks außerhalb des eigenen Zuhauses passé. Die bequeme Ausweichlösung? Viele entschieden sich für die Bestellung per Computer oder Smartphone.  

Steigt Konsum im Lockdown?

Nach einer Atempause im Sommer kam ­im November der befürchtete zweite Lock­down, der das Gastgewerbe trotz umfangreicher Hygienekonzepte wieder voll traf. Wer anstoßen möchte, muss das momentan zu Hause tun – und dafür entsprechend ein Sortiment vorrätig halten. Die Lust auf Wein, das zeigte bereits der erste Lock­down, ist ungebrochen. Ob in Lockdown-Zeiten sogar mehr getrunken wird, darüber gibt es noch keine gesicherten Zahlen. »Es liegt aber nahe«, sagt Simone Loose, Profes­sorin am Institut für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim. Ihren Daten zufolge griff fast jeder Fünfte, der vorher ohnehin schon gern Weiß- oder Rotwein trank, während des ersten Lock­downs öfter zum Glas. Übrigens aus Gourmetmotiven: Befragt nach dem Grund für den Weinkonsum, antworteten zwei Drittel, weil der Wein gut zum Essen passe. 74 Pro­zent erklärten, dass sie den Geschmack genießen würden. 

Das ist eine gute Nachricht in diesem Krisenjahr: Auf den heimischen Weintrinker ist Verlass. Relevant ist das übrigens nicht nur für den Handel, sondern auch für die Produzenten selbst. »Das Internet ist ein wichtiger Baustein für viele Weingüter, Genossenschaften und Kellereien, für einige ist es auch Rettungsanker«, sagt Loose. Im zweiten Quartal stiegen die Online-Absatzzahlen der von ihr befragten Weingüter deutlich. Wer einen eigenen Internet-Shop betreut, konnte sich über Zuwachsraten von bis zu 32 Prozent freuen. Erfreulich ist zudem, dass es sich nicht um ein Strohfeuer zu handeln scheint. Denn auch im dritten Quartal, in der Zeit von Juli bis September, stiegen die Zuwachsraten weiter an. Loose erklärt das mit dem veränderten Reiseverhalten in diesem Jahr. »Statt nach Frankreich oder Italien zu fahren, sind viele Deutsche zu Hause geblieben und haben ihren Lieblingswein getrunken.«

Ob bestimmte Regionen oder Länder besonders profitiert haben, kann Heiner Lobenberg klar beantworten. Er ist mit seinem Online-Shop Gute Weine einer der größten Händler in Deutschland, einen Trend zu bestimmten Weinen hat er nicht ausgemacht: »Der Umsatz ist insgesamt gestiegen«, sagt er. Der Durchschnittspreis pro gekaufter Flasche sei um zehn Prozent gestiegen. Die private Nachfrage habe den Ausfall der Gastronomie zudem mehr als kompensiert. 

Online-Weinhändler klar im Vorteil

Für superiore.de standen Privatkunden schon immer im Fokus, gastronomische Bestellungen hätten nur eine untergeordnete Rolle gespielt, sagt Geschäftsführer Heimrich. »Wir hatten an manchen Tagen 40 Prozent Neukundenanteil in der Phase des harten Lockdowns, und nach Lockerung des Lockdowns im Sommer sind die hohen Umsätze weitergegangen.«

Wie die Zukunft aussieht? Heimrich glaubt an den Fortbestand der Schönen Neuen Online-Welt. »Es hat eine Zäsur stattgefunden. Viele Leute haben sich zum ersten Mal an eine Online-Bestellung gewagt.« Kollege Lobenberg meint: »Die Kunden werden bleiben, sofern man sie in ­Corona-Zeiten überzeugt hat.« Klas­sische Weinhändler mit reinem Ladengeschäft sieht der E-Commerce-Experte im Nachteil. Eine Überlebenschance haben sie ihm zufolge nur dann, wenn sie ihr Ange­bot erweitern und zusätzlich etwa als Weinbar auftreten. Ein solches Konzept – das nur am Rande – findet man zum Bei­spiel in Hamburg mit dem Weinladen ­ St. Pauli, gerade vom Falstaff Bar & Spiritsguide ausgezeichnet als »beste Weinbar in einer Vinothek«. 

Simone Loose sagt: »Durch Corona gab es einen Schock im System, aber wir werden irgendwann ein neues Gleichgewicht haben.« Spätestens jetzt ist die Zeit, sich darauf einzustellen. 


Die beliebtesten Weinhändler Deutschlands

  • Der Generalist:
    Gute Weine Lobenberg
    In Heiner Lobenbergs Sortiment gibt es alles: Exoten satt, Legenden in Hülle und Fülle, Alltagsweine. Wer hier nicht fündig wird, dem ist nicht zu helfen. 
    gute-weine.de  
     
  • Das Traditionshaus:
    Tesdorpf
    Der 1674 gegründete Lübecker Weinhändler besticht vor allem im Fine-Wine-Sektor mit Exklusivitäten und mit Beratung, die der großen Tradition gerecht wird.
    tesdorpf.de
     
  • Champagner:
    Champagne Characters
    Ohne Nicola Neumann wäre der Siegeszug der Winzer-Champagner in Deutschland kaum möglich gewesen. Top-Sortiment und liebevoller Service.
    www.champagne-characters.com
     
  • Frankreich:
    Pinard de Picard
    Das Sortiment besticht mit Hochkarätern aus Burgund und den französischen Regionen, Bordeaux ist eher mit Etiketten abseits des Mainstreams vertreten.
    pinard-de-picard.de 
     
  • Natural/Orange:
    Die Berliner Weinhandlung entdeckte Vin Nature schon sehr früh für sich und ihre Kunden – heute liest sich das Sortiment wie ein Who’s who der Szene
     
  • Viniculture
    viniculture.de
     
  • Bio: Vinaturel
    Ein Sortiment voller Charakterweine aus biologisch-dynamischem Anbau, kenntnisreich ausgesucht und vermittelt.
    vinaturel.de
     
  • Fine Wine/Bordeaux:
    Bacchus Vinothek
    Michael Grimm ist Weinhändler mit Önologendiplom – und besitzt Bordeaux- Expertise wie wenige andere hierzulande.
    bacchus-vinothek.de
     
  • Online: Belvini.de
    Als Rüdiger Kühnle Belvini gründete, war es noch ein stationärer Handel. Daraus wurde ein digitales Unternehmen, das sich das Herz der Weinhandlung ums Eck bewahrt hat.
    belvini.de 
     
  • Lebensmittelhandel:
    Deutschlands größer Supermarkt in Düsseldorf bietet mehr als 1000 Weine zur Auswahl – eine Klasse für sich. 
     
  • Zurheide
    zurheidefeinekost.de
     
  • Sortiment Italien: superiore.de
    2002 gegründet, hat sich der Italien-Spezialist von Anfang an auf den Online-Handel fokussiert. Die Regionstiefe ist riesig.
    superiore.de
     
  • Wein + Feinkost:
    Fischer+Trezza
    Die umfangreiche Delikatessen-Auswahl des Stuttgarter Händlers lässt selbst Spezialisten erblassen. Und dann gibt es auch noch Top-Weine dazu. 
    fischer-trezza.de
     
  • Sortiment Spanien:
    Wein & Vinos
    Was Vielfalt im Weinanbau angeht, können nur wenige Länder Spanien das Wasser reichen. Wein & Vinos transportiert diese Diversität scheinbar mühelos nach Hause.
    vinos.de
     
  • Sortiment Neue Welt:
    Hawesko
    Der Riese Hawesko dominiert in etlichen Segmenten, doch insbesondere für Wein aus Übersee gibt es wenige Alternativen zu den Hamburgern. Feinste Weingüter aus Südafrika, Chile und Australien stehen im Fokus – zu fairen Preisen.
    hawesko.de 
     
  • Beliebteste Gebietsvinothek:
    ​​​​​​​Par Terre, Landau

    Eine so gebündelte Leistungsschau der Pfälzer Winzer findet man nur in Landau – zu schade, dass solch exzellente Vinotheken noch so rar sind hierzulande. 
    ​​​​​​​www.par-terre.de
     
  • Service: Kölner Weinkeller
    Die kompetenten Mitarbeiter erkennen den Wissensstand ihrer Kunden punktgenau, die Beratung ist stets maßgeschneidert und überaus freundlich. 
    koelner-weinkeller.de
     
  • Gereifte Weine/Jahrgangstiefe: Alpina
    Das Sortiment von Alpina erfüllt selbst ausgefallene Wünsche, die Jahrgangstiefe ist auch für Connaisseure beeindruckend.
    ​​​​​​​www.alpinawein.de ​​​​​​​

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2020

Zum Magazin

Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
Autor
Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
Mehr zum Thema