In den vergangenen Dekaden hat sich die Rebfläche von Ribera del Duero nahezu verdreifacht. Heute umfasst die Rebfläche 26.123 Hektar.

In den vergangenen Dekaden hat sich die Rebfläche von Ribera del Duero nahezu verdreifacht. Heute umfasst die Rebfläche 26.123 Hektar.
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Die fetten Jahre sind vorbei: Warum sich in Ribera del Duero gerade alles verändert

Kraft und Fülle. Diese beiden Attribute standen lange exemplarisch für die äußerst erfolgreichen Rotweine der spanischen Boom-Region Ribera del Duero. In den vergangenen Jahren entdeckten immer mehr Produzenten die Frische für sich – inspiriert von legendären Bodegas wie Vega Sicilia, Pingus oder Dominio de Es.

Als der heute legendäre Weinmacher Peter Sisseck vor fast 35 Jahren in Ribera del Duero ankam, existierten dort etwa 70 Bodegas, die knapp 9.000 Hektar Reben bewirtschafteten. Seitdem ist die Region förmlich explodiert. Sie umfasst heute 26.123 Hektar Rebfläche und über 308 Bodegas. Geschuldet ist dieser Boom dem immensen Erfolg der kräftigen, konzentrierten Tinto-Fino-Weine, die hier seit Beginn der 1990er produziert werden. Ein Stil, der über Dekaden hinweg viele Weingenießer begeisterte, heute aber etwas aus der Zeit gefallen scheint.

Die besten Weine aus Ribera del Duero waren nie so gut wie heute.
– Peter Sisseck, Dominio de Pingus

Seit 2010 etwa findet in Ribera del Duero ein Paradigmenwechsel statt: Die Weine der Spitzenproduzenten werden immer eleganter und frischer, das Terroir rückt in den Fokus. Einer der Wegbereiter diesbezüglich ist der gebürtige Däne Peter Sisseck, der in der ersten Hälfte der 90er-Jahre zwei kleine Rebberge mit uralten Tinto-Fino­-Rebstöcken in der Region La Horra aufspürte und mit seinem eleganten, ausbalancierten Top-Wein Pingus eine Ikone schuf. Sisseck ist froh darüber, dass sich in der Region etwas tut, berichtet er im Gespräch mit Falstaff. Denn mittlerweile sei er selbst viel mehr an den Weinen aus Ribera interessiert als das früher der Fall war. »Die besten Weine aus Ribera del Duero waren nie so gut wie heute«, berichtet Sisseck. Das liegt seiner Ansicht nach unter anderem daran, dass die hiesigen Spitzenproduzenten heute ein besseres Gespür für den richtigen Erntezeitpunkt der Trauben an den Tag legen und im Keller sehr sorgfältig arbeiten, um nicht zu viele Inhaltsstoffe aus den Trauben zu extrahieren. Tinto Fino, wie die spanische Paraderebsorte Tempranillo in Ribera del Duero genannt wird, tendiert in der Region dazu, sehr mächtige, tanninlastige Weine hervorzubringen, wenn man die Schrauben in die falsche Richtung dreht. »Das ganze Geheimnis von Ribera ist die Qualität der Tannine«, erläutert Sisseck. 

Perspektivenwechsel

Zurückhaltung war in Ribera del Duero viele Jahre lang kein Thema. Auch nicht, als die Eltern von Noelia Callejo im Jahr 1989 die Bodega Felix Callejo gründeten. Die Weine wurden so gemacht, wie es zu jener Zeit in der Region üblich war: kleines Holzfass, amerikanische Eiche, hoher Toastinggrad. »Überholzt« bezeichnet Noelia Callejo diesen Stil heute. Meilenweit entfernt von dem, wie sie und ihr Bruder José Félix arbeiten. Seit rund zehn Jahren sind sie für die Weine des Familienweinguts verantwortlich.

Die Callejo-Geschwister haben sich voll und ganz dem vielfältigen Terroir ihres Heimatorts Sotillo de la Ribera im Norden, am Rande der Appellation, verschrieben, setzen auf biologischen Anbau, Spontangärung und zurückhaltenden Ausbau im Keller. Ausschlaggebend hierfür war laut Noelia Callejo die Zeit, die sie und ihr Bruder im Ausland verbrachten. José Félix arbeitete Ende der 1990er unter anderem bei Petrus in Bordeaux, Noelia rund zehn Jahre später bei Araujo im Napa Valley und Cobos in Mendoza. Aufenthalte, die auch Dank den Besuchen bei Spitzenwinzern in den jeweiligen Regionen den Horizont der beiden erweiterten und das Gespür für die Herstellung von Spitzenweinen sowie das Potenzial des eigenen Terroirs schärften. »Als ich zurück nach Sotillo kam, dachte ich, wow, ist dieser Landstrich schön. Ich bin hier aufgewachsen und habe das alles bisher übersehen«, so Callejo. Der Start einer Reise zurück zu den Wurzeln. Insgesamt sind es 27 unterschiedliche Rebberge, die von Felix Callejo in Sotillo bewirtschaftet werden. Sie alle liegen zwischen 830 und 930 Metern über dem Meeresspiegel. »Unser Job ist es, die Vielfalt der Böden, die hier vorherrscht, in den acht Weinen zu zeigen, die wir produzieren«, erläutert sie. Darunter finden sich Weine wie der Felix Callejo, der mittlerweile getrost zu den spannendsten Weinen der Region gezählt werden kann. Das bestätigen nicht nur die Bewertungen der Weinkritik, sondern auch die lobenden Worte von Berufskollegen – allen voran von Starwinzer Peter Sisseck, der die Transformation der 100 Hektar großen Bodegas Felix Callejo als exemplarisch für die Veränderung der Region einstuft.

Im Osten viel Neues

Auf der Suche nach Frische und Eleganz tritt in den letzten Jahren eine Subzone von Ribera del Duero besonders in den Fokus. Die Rede ist von Soria ganz im Osten der Region.

Die legendäre Frische in Peter Sissecks PSI fußt seit vielen Jahren auf Trauben aus dem Landstrich. Der Großteil der Reben hier befindet sich auf rund 900 Metern über dem Meer. Die Wachstumsbedingungen sind extremer als beispielsweise in Burgos, wo sich rund 80 Prozent der gesamten Rebfläche befinden. Die Frostgefahr ist höher und die Vegetationsperiode kürzer. In den Höhenlagen von Soria bildet der Tinto Fino viel Säure – die Basis für frische Weine.

Einzigartiger Rebschatz: in Soria sind rund 600 Hektar mit über 80-jährigen Reben bestockt. 

Als der Franzose Bertrand Sourdais hier vor rund 25 Jahren bei Dominio de Atauta als Önologe anheuerte, wurde er noch belächelt. »Die Leute sagten mir, dass ich am falschen Ort bin, weil es zu kalt sei und die Trauben nicht ausreifen. Das ist perfekt, sagte ich, denn Sonne hat es in Ribera genug und ich suche nach Frische in meinen Weinen«. Mittlerweile hat nicht nur Peter Sisseck hier Parzellen erworben, sondern selbst das historische Flaggschiff Vega Sicilia soll sich während der letzten Ernte in Soria umgesehen haben, so Sourdais. Soria ist heute so bekannt wie niemals zuvor und steht exemplarisch für den frischen, neuen Ribera-Stil. Mit seinen beiden Bodegas Antidoto und Domino de Es hat Sourdais hierzu einen bedeutenden Beitrag geleistet. Die vielen kleinen Parzellen von Dominio de Es entdeckte Sourdais während seiner Zeit bei Atauta. Über 90 Prozent davon sind mit alten, wurzelechten Tinto-Fino-­Reben bestockt, die häufig über 130 Jahre alt sind. Aus den Trauben, die in diesen einzigartigen Rebparzellen gedeihen, keltert Sourdais unglaublich filigrane, präzise Weine, die blind niemals in Ribera del Duero verortet würden, sondern eher an Gewächse aus Bierzo, Valdeorras oder sogar aus französischen Cool-Climate-Regionen erinnern. Ein Stil, der von den Kritikern weltweit gefeiert wird, immer mehr Nachahmer anzieht und zur immensen Diversität beiträgt, die Ribera del Duero heute zu bieten hat. Ribera del Duero ist heute eben nicht nur schlank, sondern auch so divers wie niemals zuvor.  


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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2024

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Dominik Vombach
Dominik Vombach
Chefredaktion Schweiz
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