Die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo (1907 – 1954) zog mit wallenden Kleidern, bunten Blusen und zahllosen Halsketten zeitlebens die Aufmerksamkeit auf sich.

Die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo (1907 – 1954) zog mit wallenden Kleidern, bunten Blusen und zahllosen Halsketten zeitlebens die Aufmerksamkeit auf sich.
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Frida Kahlo: Ihr Patriotismus zeigte sich auch in der Kulinarik

Ihre Gäste bewirtet sie in Nationalfarben und in voller Hingabe – vor allem ihre große Liebe Diego Rivera. Um ihn »einzukochen«, krempelte die Malerin sogar ihren ganzen Tagesablauf um.

Frida Kahlo war 15 Jahre alt, als sie ihrer großen Liebe Diego Rivera das erste Mal begegnete. Sie war damals Schülerin des staatlichen College Escuela Nacional Preparatoria in Mexiko-Stadt. Er war bereits ein berühmter Künstler, der den Auftrag bekommen hatte, für das Amphitheater der Schule ein Wandbild zu malen.

Frida beeindruckte der 21 Jahre ältere Mann sofort, und es machte ihr eine diebische Freude, ihm Streiche zu spielen. Obwohl es den Schülern verboten war, sich im Amphitheater aufzuhalten, während Rivera dort arbeitete, schlich sie sich immer wieder hinein und stibitzte »dem Fettwanst« sein Essen. Oder sie beobachtete ihn heimlich, wenn er auf seinem hohen Gerüst wieder einmal Besuch von einem seiner zahlreichen Modelle bekam. Wenn Rivera Frida bemerkte, reagierte sie souverän, erinnerte sich dieser in seiner Autobiografie »Meine Kunst, mein Leben«: »Dann schaute sie zu mir herauf und fragte: ›Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich Ihnen ein wenig bei der Arbeit zuschaue?‹ ›Keineswegs mein Fräulein, ich freue mich immer über Besuch‹, antwortete ich.« Riveras Verlobte Lupe missfiel die ständige Anwesenheit der »jungen Göre« freilich, doch Frida ließ sich von ihren Wutanfällen nicht einschüchtern. Im Gegenteil: Ihren Mitschülerinnen erklärte sie, dass sie eines Tages unbedingt ein Kind von Diego haben wolle. Ein Wunsch, der nie in Erfüllung gehen sollte.

Nachdem der korpulente Frauenheld sein Wandbild im Kolleg vollendet hatte, verloren sich die beiden aus den Augen. Er heiratete Lupe und wurde Vater zweier Töchter. Frida hingegen hatte das Glück nicht auf ihrer Seite. Am 17. November 1925 wurde sie auf ihrem Schulweg in einen schrecklichen Unfall involviert. Der Autobus, in dem sie sich befand, prallte mit einer Straßenbahn zusammen. Dabei wurde ihr Unterleib von einem eisernen Handlauf durchbohrt. Ihr Becken, einige Wirbel und ihr rechtes Bein wurden mehrfach gebrochen. Die Ärzte hatten wenig Hoffnung, dass sie überleben würde, doch sie hatten den Lebenswillen des Mädchens unterschätzt. Ein ganzes einsames Jahr lang war sie eingepfercht in ein Stahlkorsett ans Bett gefesselt. Durch das Unglück sei sie zum Krüppel geworden, sagte sie später, aber auch zur Künstlerin.

Um sich von den Schmerzen und der quälenden Langeweile abzulenken, begann sie zu malen. Auf der Leinwand konnte sie, so bemerkte sie schnell, nicht nur ihre Gefühle am besten zum Ausdruck bringen, sondern sich neu erfinden. Malen wurde zu ihrer Passion, ihrer Überlebensstrategie: »Ich bin nicht krank, ich bin zerbrochen. Aber solange ich malen kann, bin ich froh, dass ich am Leben bin«, schrieb sie. 1926 entstand das erste ihrer berühmten Selbstporträts. Über 50 weitere sollten folgen: »Ich male mich, weil ich sehr viel Zeit allein verbringe und weil ich das Motiv bin, das ich am besten kenne.«

In ihren Diego vernarrt

Kaum konnte Frida wieder einen Fuß vor den anderen setzen, suchte sie Rivera auf, um herauszufinden, was er von ihren Werken hielt. Und sie hoffte, der »große Meister« würde sie zu seiner Assistentin machen. Das geschah nicht, aber er bestärkte sie, weiter zu malen. Letztlich war es das intensive politisches Engagement der beiden, das sie endgültig zusammenbrachte. Mit 17 Jahren war Frida – wie ihr großes Vorbild schon lange zuvor – der Kommunistischen Partei beigetreten. So kam es, dass sie bei einer Versammlung erneut aufeinandertrafen. Kahlo war nach wie vor in »ihren Diego« vernarrt, er frisch von Lupe geschieden und bereit für die nächste Ehe. Sieben Tage nach Fridas 22. Geburtstag heirateten sie.  Von ihrem Hochzeitstag an änderte Kahlo ihr Leben von Grund auf. Sie kleidete sich nur noch traditionell mexikanisch. Mit ihren wallenden, knöchellangen Röcken, den bunt bestickten Blusen, ihrem roten Rebozo-Tuch, den hochgesteckten Haaren und ihren zahllosen Halsketten und Ringen zog sie, wo immer sie sich zeigte, alle Aufmerksamkeit auf sich. Das genoss sie. Viel wichtiger war ihr jedoch, ihrem Mann, der für seine notorische Untreue bekannt war, zu gefallen: »Diego war alles, mein Kind, mein Geliebter, mein Universum«, schrieb sie immer wieder in ihr Tagebuch.

Ihm versuchte sie jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Deshalb setzte sie auch alles daran, kochen zu lernen. Denn hungrig war Diego unausstehlich, und wenn ihm das Essen nicht schmeckte, wurde er wütend. Ausgerechnet Lupe, ihre Vorgängerin, brachte Frida die Zubereitung seiner Lieblingsgerichte bei. Guadelupe, die Tochter von Rivera und Lupe, berichtete in ihrem Buch »Die Fiestas der Frida Kahlo«, dass ihre füllige Mutter und Frida mit ihren gestärk­ten Röcken kaum gleichzeitig Platz in der kleinen Küche fanden. Dennoch habe es den beiden Frauen Spaß gemacht, gemeinsam zu kochen, und sie freuten sich, wenn sich Diego an ihren herzhaften Chilis mit Gemüse, den Revoltijos (Küchlein) mit Garnelenfüllung, Bohnenpüree mit Käse und knusprigen Tortillas gar nicht satt essen konnte.

Ein Blick in Frida Kahlos Arbeitszimmer: Das »Blaue Haus«, ihr Elternhaus im Szeneviertel Coyoacán in Mexiko-Stadt, ist heute ein Museum.
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Ein Blick in Frida Kahlos Arbeitszimmer: Das »Blaue Haus«, ihr Elternhaus im Szeneviertel Coyoacán in Mexiko-Stadt, ist heute ein Museum.

Ein Krug voll Pulque

Frida richtete, wenn es ihr Gesundheits­zustand zuließ, ihren gesamten Tages­ablauf so ein, dass sie Riveras kulinarischen Ansprüchen gerecht werden konnte. Sie begann zeitig in der Früh zu malen, damit sie um zehn am Vormittag mit den Vorbereitungen für das Mittagessen beginnen konnte. Wenn ihr »Dieguitos« (kleiner Diego) so beschäftigt war, dass er sein Atelier nicht verlassen wollte, schickte sie ihm einen Korb mit kalten und warmen Delikatessen, frischem Brot und einem Krug Pulque, dem mexikanischen Nationalgetränk. Auch auf frische Mangos, Papayas und Passions­früchte, die sie mit frisch geschnittenen Blumen aus dem Garten dekorierte, vergaß sie nie. Diegos Essenskorb herzurichten, sei für ihre Stiefmutter ein kreatives Ritual gewesen, schrieb Guadelupe. Und jedes Mal habe sie dabei ein Stillleben erschaffen.

Doch Frida verwöhnte nicht nur ihren Lebensmenschen, auch ihre Gäste bewirtete sie mit viel Hingabe. Vor allem, nachdem sie und Diego 1941 in das »Blaue Haus«, Fridas Elternhaus in Coyoacán, gezogen waren, nutze die temperamentvolle Malerin jede Gelegenheit, um ein Fest feiern zu können. Freunde, Familie, Kollegen, Schüler, Nachbarn, sie alles hieß sie schon an der Pforte ihres Refugiums mit Bier, Tequila oder Pulque willkommen. Für Frida konnte es gar nicht ausgelassen genug zugehen.

Als überzeugte Patrioten war es dem Paar jedes Jahr wichtig, den 15. September, den Tag der Unabhängigkeit Mexikos, mit ihren Gesinnungsgenossen gebührend zu begehen. Während Kahlo schon in der Früh begann, das ganze Haus mit rot-grün-weißen Fähnchen und Blumen zu dekorieren, hatte Köchin Eulalia alle Hände voll damit zu tun, die vielen Gerichte zu fabrizieren, die sich die Gastgeberin in den Kopf gesetzt hatte. Auch bei den Speisen sollten die Farben der mexikanischen Flagge dominieren. Deshalb waren Rotbarsch-Suppe, Chillies in Walnusssauce mit Granatapfelkernen, roter, grüner und weißer Reis genauso fixer Bestandteil des Festtagsmenüs wie Limetten, gefüllt mit Kokosnuss, und rote Kaktusfeigen mit Anislikör.

Der Humor half

In Gesellschaft versuchte sich Frida nicht anmerken zu lassen, wie ihr Körper ihr zu schaffen machte. Konnte sie es jedoch nicht verbergen, versuchte sie die Lage mit Humor zu bewältigen. »Wisst ihr schon, dass sie mir eine Pfote abschneiden wollen?«, rief sie ihren Freundinnen entgegen, nachdem ihr Ärzte mitgeteilt hatten, dass ihr rechtes Bein amputiert werden müsse. Wie es wirklich in ihr aussah, wie verzweifelt sie über ihre »Verstümmelung« war, zeigen die Skizzen und Aufzeichnungen jener Zeit. Weder Alkohol noch schwere Medikamente konnten ihre Schmerzen lindern. »Ich hoffe, das Ende ist freudig und ich hoffe, nie wieder zurückzukehren«, schrieb sie.

Einzig das Malen verschaffte ihr noch Trost. So dunkel ihre letzten Lebens­wochen waren, so farbenfroh ist ihr letztes Werk. Darauf sind vor blauem Hintergrund aufgeschnittene Wassermelonen zu sehen. Die Früchte mit ihrer tiefgrünen Schale und dem weiß-roten Fruchtfleisch hatten sie immer besonders inspiriert. Acht Tage bevor sie am 13. Juli 1954 für immer die Augen schloss, hat sie das Bild vollendet. Genannt hat sie es »Viva la Vida«.

Frida Kahlo – Eine Verfechterin der Tradition

Frida Kahlo ist die berühmteste Malerin -Mexikos. Ihre Bilder erzielen bei internationalen Auktionen Höchstpreise. Ihr Leben lang war sie überzeugte Kommunistin und Verfechterin mexikanischer Traditionen.

Kahlo wurde am 6. Juli 1907 in Coyoacán, einem Vorort von Mexiko-Stadt, geboren. Mit sieben Jahren erkrankte Frida an Kinderlähmung. 1925 wurde sie bei einem Busunfall schwer verletzt. Unter den Folgen litt sie ein Leben lang.

1929 heiratete sie Diego Rivera. Im selben Jahr wurde dieser von der Kommunistischen Partei ausgeschlossen, nachdem er einen
Auftrag der mexikanischen Regierung angenommen hatte. Das Paar ging für drei Jahre in die USA.

1934 erlitt Kahlo eine Fehlgeburt. Kurz danach trennte sie sich von Diego, weil er ein Verhältnis mit ihrer Schwester Christina unterhielt. In den folgenden Jahren versöhnten und trennten sich die beiden mehrfach. Auch Kahlo hatte zahlreiche Affären, unter anderem mit dem Revolutionär Leo Trotzki und der Tänzerin Josephine Baker.

1939 ließen sich Kahlo und Rivera scheiden. In diesem Jahr entstand ihr berühmtes Bild »Die zwei Fridas«. Kahlo gelang es, sich mit ihren Werken international zu etablieren. Ihre Bilder wurden in San Francisco und dem New Yorker Museum of Modern Art gezeigt. 1940 heiratete sie Rivera zum zweiten Mal.

1943 erhielt Kahlo einen Lehrstuhl an der Kunstschule La Esmeralda. Ihr Gesundheits-zustand verschlechterte sich weiter, sie musste sich zahlreichen Operationen an der Wirbelsäule unterziehen. An der Eröffnung ihrer ersten Einzelausstellung in Mexiko nahm sie 1953 im Krankenbett liegend teil.

Am 13. Juli 1954 starb Frida Kahlo. Ob eines natürlichen Todes oder selbstgewählt, ist ungeklärt. Ihr Leichnam wurde verbrannt, die Urne steht in ihrem »Blauen Haus«, das seit 1957 ein »Frida Kahlo«-Museum ist.


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Judith Hecht
Autor
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