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Hülsenfrüchte: Warum uns die Bohne interessieren sollte

Bohnen, Linsen und andere Hülsenfrüchte waren bei uns viel zu lange in Vergessenheit. Höchste Zeit, sich an den Italienern, Franzosen und auch den Indern ein Beispiel zu nehmen!

Sojasauce ist wohl eine der tollsten Erfindungen des kulinarischen Universums und auch von Leuten, die meinen, die Bohne und ihre Verwandten mit Geringschätzung strafen zu können, ein heiß geliebtes Lebensmittel. Wie aus vergleichsweise bescheidenen ­Sojabohnen eine solche Geschmacksbombe entstehen kann, die ihr Können noch dazu bereitwillig und elegant in den Dienst ­anderer Aromen stellt – das ist schon die ganz hohe Schule der Produktveredelung. Von Tofu über Tempeh und Miso bis zur Verwendung des Kochwassers von Kicher­erbsen, um es, aufgeschlagen, als Ersatz­produkt für Eischnee beim Backen einzusetzen, sind die Verwandlungsmöglichkeiten der Hülsenfrüchte unerreicht.

Aber Bohnen, Linsen und Co. haben es auch ohne vorhergehende Fermentation und Reifung in sich. Schön langsam kommen die köstlichen Leguminosen, die in Italien oder Frankreich ihre Popularität nie verloren haben, auch bei uns wieder aus dem Vorratsschrank. Okay, die Käferbohne in ihrer Bestimmung als Salat oder Unterlage für saures Rindfleisch hat sich in der Steiermark stets behauptet.

Überhaupt muss man die Steirer an dieser Stelle loben: Im Vergleich zum Rest des Landes wird die Freude an der Bohne hier noch hochgehalten. Was aber ist mit den Bohnengulaschen und -strudeln, den Bohnensalaten und den legendären Bohnensuppen (vielleicht mit Ganslklein?) geschehen, die vor Jahren noch weithin zu finden waren? Es verlangt niemand, sich jedes Mal die Prozedur von Einweichen und Kochen der Trockenfrüchte anzutun. Nur: Dafür könnte etwas mehr Auswahl bei Dosenbohnen gegeben sein.

Aber schön der Reihe nach. Zuerst ­empfiehlt sich eine kleine Vorstellung der wichtigsten Vertreter und Sorten.

 

Bohnen

Bei unseren köstlichen Nachbarn, den ­Italienern, stehen traditionell die Sorten Cannellini und Borlotti hoch im Kurs, wenn es um Klassiker wie Jota (Sauerkraut-Bohnen-Suppe wie im Friaul), Pasta e fagioli, Minestrone oder die klassisch ­toskanischen Fagioli all’uccelletto geht.

In Spanien gibt es gleich mehrere geschützte Herkunftsbezeichnungen, etwa die Judías de El Barco de Ávila mit ihrer cremigen Textur oder die – auch im getrockneten Zustand grüne – Alubia ­verdina aus Asturien. Die Iberer schätzen ihre Bohnen mit Muscheln, aber auch mit würzigen Würsten (gerne auch Blutwürsten), mit Rebhuhn oder, ganz einfach, als cremige Unterlage für die herausragenden Fischkonserven der nordspanischen Tradition von Thunfisch bis Muscheln.

Die Favabohne, auch als Sau- oder ­Pferdebohne bekannt, ist jung und frisch geerntet eine beispiellos zarte grüne Delikatesse. Ausgereift findet sie im ­mittelöstlichen Bohnenpüree Foul gewinnbringend Verwendung. Die Fava ist die ­einzige Bohne, die in Europa schon vor der Eroberung des amerikanischen Kontinents heimisch war.

Die Käferbohne wird außerhalb ­Österreichs gemeinhin Feuerbohne oder Wollbohne genannt. Ihre Verbreitung bis in höhere Lagen der Steiermark verdankt sie der vergleichsweise sehr guten Anpassung auch an rauere Klimazonen. Eine Variante der Feuerbohne ist die griechische ­Gigantes, eine legendär groß gewachsene Sorte, die eine weiße bis hellbraune Hülle hat und, nach entsprechender Kochzeit, ­unvergleichlich cremig wird.

Die Sojabohne schließlich ist die mit Abstand am meisten kultivierte Leguminose des Planeten, das meiste wird aber gar nicht von Menschen verspeist, sondern an Vieh verfüttert. Der Bedarf an Sojabohnen für die Viehwirtschaft heizt den Klima­wandel an und führt zur Vernichtung von Regenwäldern. Dabei ist diese in China seit mehr als 3.000 Jahren genutzte Kulturpflanze eine kulinarische Offenbarung und viel zu schade, um als Futter zu enden. Sojabohnen sind außerordentlich nahrhaft, mit mehr als doppelt so viel Proteingehalt als andere Leguminosen, einer nahezu ­idealen Balance von Aminosäuren, reichlich Fett und etlichen sekundären Inhaltsstoffen, die überaus bemerkenswerte positive ­Effekte auf den Organismus haben dürften. Gleichzeitig aber sind sie richtig fad, mehlig und bohnig im Geschmack und voll mit Oligosacchariden, die bei der Verdauung besonders deutliche Gasbildung hervor­rufen. Die Chinesen und ihre Nachbarn haben deshalb früh Techniken entwickelt, um die tolle Bohne genießbarer und kulinarisch interessant zu machen: indem Eiweiß und Fett extrahiert und als Sojamilch gewonnen werden, die hernach zu Tofu gestockt oder aber mithilfe von Bakterien und Pilzen so verändert wird, dass die ­unerwünschten Inhaltsstoffe weggegessen werden und mittels Fermentation ange­nehme Geschmacksprofile entstehen: als Sojasauce, als Natto, als Tempeh oder auch als Miso. Und zwar in zahllosen, immer neu perfektionierten Varianten. Oder aber, auch sehr toll, durch Keimung: Als Bohnen­sprosse wird die Sojabohne ein knackig ­frisches Gemüse.

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Leguminosen

Linsen
gehören zu den ältesten Kulturpflanzen überhaupt und werden seit dem -Paläolithikum vom Menschen genutzt. Sie stammen aus Kleinasien und wurden einst auch bei uns extensiv kultiviert. Dank einer Initiative biologischer Landwirte waren vor einigen Jahren wieder die schönen, gemischt angebauten Getreide-und-Linsen-Felder im Waldviertel zu sehen, in denen sich die Linsen an den Ähren hochschlingen, erst dunkelrote Blüten und dann die Linsen bilden, gemeinsam mit dem Getreide reifen und – mit speziellen Maschinen – auch gemeinsam geerntet werden. Ist auch deshalb ein tolles Projekt, weil es die Bodengesundheit fördert – Leguminosen bilden schließlich Stickstoff und sorgen so für natürliche Düngung der anderen Pflanzen.

Kichererbsen
sind bescheiden, unaufdringlich, mannigfaltig einsetzbar: Kichererbsen haben schon die Ägypter in der Antike kultiviert, in Indien gehen die Funde noch viel weiter zurück. Die alten Römer gaben ihr den Namen Cicer arietinum – daher die Kicher-(Cicer-)Erbse, daher der Legende nach aber auch der Familienname Marcus Tullius Ciceros, des großen Politikers und Philosophen im alten Rom: Das Antlitz eines seiner Vorfahren soll demnach von einer überaus mächtigen Warze geschmückt gewesen sein, deren Form an eine Kichererbse erinnerte. Der botanische Name »arietinum« wiederum leitet sich von »aries« für Widder ab, weil manche Sorten kleine Knubbel und Schwünge aufweisen, die an geschwungene Widderhörner erinnern sollen. 

Wie auch immer: Die Kichererbse macht stark, ihr hoher Proteingehalt prädestinierte sie als billige Kraftnahrung für arme Bauern und Sklaven. Sie waren es, die sich zahllose Zubereitungsvarianten einfallen ließen, ob gekocht als Suppe und Ragout, zu kühler Hummus-creme passiert wie in der Levante oder als Mehl vermahlen und zu hauchdünnen, knusprigen »Panisse«-Crêpes gebraten wie in Südfrankreich und Ligurien.

Erbsen
sind noch älter als Kichererbsen und Sojabohnen, die frühesten Funde reichen 9.000 Jahre zurück. Erbsen waren eine extrem wichtige Eiweißquelle in der dunklen Zeit des Mittel-alters, vor allem in gereifter, getrockneter und hernach zu Brei oder Suppe verkochter Form. Heute werden sie vorzugsweise unreif, süß und knackig geerntet und entweder roh aus der Schote geschält, um als köstlicher Snack genossen zu werden – oder, ebenso gepult, tiefgefroren zu werden. Als solches ist die Erbse wohl das Convenience-Gemüse überhaupt: mit kochendem Wasser übergießen, abseihen und nach Gutdünken weiterverwenden. Sorgt aber, wie alle Leguminosen, mitunter für Flatulenz.

Erschienen in
Falstaff Rezepte 04/2023

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Severin Corti
Severin Corti
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