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Sternekoch Christoph Kaiser: »Wir wissen nie, was in der Gemüsekiste drin ist«

Das »Jacobi« in Freiburg erhielt in diesem Jahr gleich zwei Sterne: Einen roten Stern für die Küche, einen grünen Stern für Nachhaltigkeit. Letzteres ist mehr als berechtigt, denn das Lokal füllt den oft als Worthülse genutzten Begriff mit Ernsthaftigkeit.

Der Begriff »Nachhaltigkeit« ist auf vielen Ebenen zu einer Worthülse verkommen. Die Komplexität des Themas wird oft verkannt, auch in der Gastronomie. Besonders deutlich wird das in puncto Fleisch, das in diesem Kontext gerne den Zusatz »aus der Region« erhält. Einerseits ist Fleisch grundsätzlich nicht sonderlich nachhaltig. Werden andererseits bei der Verarbeitung Techniken wie Langzeitgaren im Vakuumbeutel eingesetzt, verkommt der Begriff endgültig zu einer Farce.

»Es gibt auch Gastronomen, die behaupten, sie beziehen lokales Fleisch. Sieht man genau hin, dann kommt der Metzger aus der Region – aber woher bezieht der Metzger seine Ware?«, sagt Christoph Kaiser.

Saisonal und regional – aber wirklich!

Mit einem kleinen, fünfköpfigen Team hat der Koch im Dezember 2022 das »Jacobi« in Freiburg eröffnet. In der holzvertäfelten Gaststube wird eine ungemein beseelte, kreative und erfrischende Hochküche aus saisonalen und vorwiegend regionalen Zutaten serviert. Nur Waren wie Zitronen, Limetten, Vanille, Kaffee, Salz oder Pfeffer werden überregional zugekauft.

Auf den Tisch kommen so köstliche, hausgebackene »Laugenweckle mit Zwiebelbutter« oder »Lachsforelle mit Kopfsalatsud, Petersiliencreme und gepufftem Amarant«. Bereits in diesem Frühjahr verlieh der »Guide Michelin« dem Lokal dafür zwei Sterne: Einen roten Stern für die Küche, einen grünen Stern für Nachhaltigkeit.

Nose-to-Tail

Um letzterem auch gerecht zu werden, hat das Lokal mittlerweile zusätzliche Servicekonzepte – von Schnitzel- bis Bistrotage – auf die Beine gestellt. »Wir arbeiten mit Ganztierverwertung und kaufen zum Beispiel das ganze Schwein. Da bekommen wir Bauch, Rücken und Filet. Aus den Hinterläufen wird von unserem Metzger ein Schinken gemacht, die Reste, auch das Blut, werden zu Wurst verarbeitet. Diese Produkte können wir ideal auf unsere Konzepte verteilen, auf Vesper, Bistro- oder Sternemenü.« So gibt es im »Jacobi« eben eine geschmorte Lammschulter im À-la-carte-Menü (das mittwochs und donnerstags zusätzlich angeboten wird). Kurzgebratenes vom Lamm wird im Menü im Sternerestaurant verarbeitet.

Eine Kiste voller Überraschungen

Gemüse wird im »Jacobi« Mittwochmorgens geliefert, der Bauer stellt eine Kiste ins Kühlhaus:

Wir wissen nie, was in der Kiste drin ist, das hält uns wach in der Kreativität.

Aktuell freuen wir uns jede Woche auf Erbsen, sie sind aber nie dabei, ist dafür noch zu kalt«, sagt Kaiser lachend und fügt an: »Früher habe ich das Menü geschrieben und dann Lieferanten abtelefoniert, aber so macht es wesentlich mehr Spaß.«

So werden etwa Lambadaerdbeeren in der besten Reifezeit eingemacht und kommen später im Jahr als Fruchtpürees, Eis oder Sorbet zum Einsatz. Rote Bete wird dehydriert und landet auf einem Buchenweizencracker – ohnehin spielt im »Jacobi« das Gemüse eine größere Rolle als Fisch und Fleisch.

Holistisch – nicht nur auf dem Teller

Mit Gemüsebauern aus der Region haben er und sein Team zudem einen Pflanzplan erarbeitet, in dem auch alte Sorten, wie etwa Malabarspinat, berücksichtigt werden. Auch auf Abfallwirtschaft erstreckt sich die Arbeitsweise des Restaurants. Gemüseabschnitte werden gesammelt (die nicht anderweitig verarbeitet werden können), vom Bauer wieder mitgenommen und kompostiert.

Und in welchen Punkten sieht Kaiser noch Verbesserungsbedarf? »Wir haben in letzter Zeit viel auf Einmachgläser umgestellt, aber die Vakuumbeutel bei der Fleischreifung hätte ich auch noch gerne weg. Bei Rindfleisch ist das weniger das Problem, wir tunken die Teile in Eigenfett, das hält sich, bei Reh oder Lamm habe ich dafür noch keine Lösung.«


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Hannes Finkbeiner
Autor
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