Weinregion Genf: Schmelztiegel am Genfersee

Hinter der kosmopolitischen Stadt Genf erstreckt sich zur französischen Grenze hin der drittgrösste Weinbaukanton der Schweiz. Trotz langer Weinbautradition wirken hier Winzer, denen der Innovationsgeist im Blut liegt.

Die Weine aus dem Kanton Genf gehören nach wie vor zu den gut gehüteten Geheimnissen der Schweiz. Nicht etwa wegen ihrer Qualität, sondern schlichtweg deshalb, weil sie kaum ausserhalb ihrer Ursprungsregion getrunken werden. Dafür ist der Durst in der Stadt Genf selbst nach den einheimischen Gewächsen schlichtweg zu gross. Genf ist der europäische Hauptsitz der vereinten Nationen, Sitz von 100 NGOs und fast 200 diplomatischen Vertretungen. Das internationale Flair, das die Stadt ausstrahlt, trägt sie auch über ihre Grenzen hinaus, wo die Rebberge direkt an urbanes Gebiet anschliessen.

Der Durst der Stadt Genf nach den eigenen Weinen ist so gross, dass sie ausserhalb der Region kaum verbreitet sind.

Wie die Stadt selbst ist auch das Terroir in Genf äusserst divers. Die Genfer Rebflächen befinden sich am linken und rechten Ufer des Genfersees sowie vor allem im Hinterland der Stadt, unweit der Metropole – einer idyllischen Landschaft mit weitläufigen Reblagen und intakten kleinen Dörfern. Hier erinnert nichts an die Enge, die in vielen Teilen der Schweiz zu spüren ist, geschweige denn erahnt man, dass Genf mit seinen rund 1'400 Hektar Rebfläche der drittgrösste Weinbaukanton der Schweiz ist. Beeinflusst werden die Anbaubedingungen in der Region von der Rhône, den Voralpen, dem Juragebirge und natürlich dem Genfersee. Verbindendes Element der Genfer Winzer sind Innovationsgeist und Sortenvielfalt – hier wird mit allem experimentiert, das vielversprechend scheint. Die Region ist äusserst dynamisch und hat sich in den letzten Jahren, auch was die Weinqualität angeht, stetig und bemerkenswert weiterentwickelt.

Reiche Geschichte

Die Wiege des Genfer Weinbaus wird zu Zeiten der Römer oder spätestens in der frühmittelalterlichen Burgunderzeit verortet. Erste urkundliche Beweise stammen aus dem Jahr 912 und betreffen den Rebbau in Satigny, der grössten Weinbaugemeinde des Kantons, die noch heute einige der besten Produzenten der Region beheimatet: Jean-Michel Novelle etwa, die Domaine du Paradis oder das Weingut Les Perrières, um nur einige Beispiele zu nennen. Spätestens im Hochmittelalter strebte die Stadt Genf eine Versorgung durch den eigenen Weinbau an, was darin mündete, dass die Rebfläche im 18. Jahrhundert bereits 2'000 Hektar umfasste – der Weinbau nahm eine bedeutende wirtschaftliche Rolle ein. Ende des 19. Jahrhunderts flammte Konkurrenz durch französische Gewächse auf, die durch die Erweiterung der Eisenbahn auch bis nach Genf gelangten und auch die Reblauskatastrophe versetzte dem bereits gebeutelten Genfer Weinbau schliesslich fast den Todesstoss.

Im Jahr 1929 wurde die Genossenschaft La Cave de la Souche ins Leben gerufen, aus der die heutige Cave de Genève – die sicherlich bedeutendste Weinbaugenossenschaft der Region – entstand. Die Vorgängerunternehmen der Cave verarbeiteten im Jahr 1970 nahezu 80 Prozent der gesamten Genfer Weinproduktion. Im Jahr 1988 war Genf die erste Weinbau­region der Schweiz, die eine AOC-Regelung mit entsprechenden Ertragsbeschränkungen einführte, was die Qualität der Weine vorantrieb. Eine Pionierrolle nimmt der Weinbaukanton auch heute noch ein. Vor allem was den Anbau krankheitsresistenter Rebsorten angeht, die in Genf immer mehr an Bedeutung gewinnen. So wie bei der Domaine du Crest etwa, die vor einigen Jahren begonnen hat, die Rebberge umzustrukturieren und auf resistente Sorten umzustellen. Die bekannteste hiervon ist sicherlich Divico, die äusserst vielversprechend ist und tiefgründige, ernst zu nehmende Rotweine hervorbringen kann.

Rotweine gehören heute ohnehin zu den Spezialitäten der Genfer Winzer. Besonders die Sorte Gamay ist hierbei hervorzuheben, die zweitwichtigste Rebsorte hinsichtlich der Anbaufläche des gesamten Kantons nach Chasselas. Kultiviert werden in Genf aber auch spät reifende Sorten wie Malbec oder Merlot, die von den steigenden Temperaturen der letzten Jahre im Gebiet durchaus profitieren und so erfolgreich sind wie niemals zuvor. Erwähnenswert sind hierbei auch teilweise abenteuerliche, aber durchaus gelungene Assemblagen: etwa der Wein Bertholier Rouge der Domaine Les Hutins in Dardagny, der aus Gamaret, Merlot und Cabernet Sauvignon assembliert wird.

Rotweine der Extraklasse

Einer der Genfer Winzer, der seit vielen Jahren mit Rotweinen der Extraklasse auftrumpft, ist definitiv Jean-Pierre Pellegrin. Mit seiner Domaine Grand’Cour gehörte er zu den ersten Mitgliedern der 2002 gegründeten Vereinigung Mémoire des Vins Suisses. Diese lagert jährlich Weine ihrer rund sechzig Mitglieder in der gesamten Schweiz zentral ein, um den Beweis anzutreten, dass Schweizer Wein reifen kann. Pellegrins Flaggschiff Grand’Cour hat das bereits mit 17 Jahrgängen bewiesen. Die Cuvée aus 70 Prozent Cabernet Franc und 30 Prozent Cabernet Sauvignon ist auf den ersten Blick vielleicht nicht sehr schweizerisch, zur durch und durch international geprägten Stadt Genf passt sie aber wie kaum ein zweites Gewächs.

Genf auf einen Blick

Geografie
Die Genfer Rebfläche umfasst 1'374 Hektar, die in drei Anbauzonen aufgeteilt werden. Am bedeutendsten ist das Mendemant zwischen der Waadtländer Grenze und der Rhône mit Satigny, der grössten Weinbaugemeinde des Kantons. Zwischen den Flüssen Arve und Rhône befindet sich mit Entre-Arve-et-Rhône die zweitgrösste Unterregion Genfs. Die kleinste Region namens Entre-Arve-et-Lac befindet sich zwischen der Arve und dem Genfersee.

Böden und Klima
Die grosse Vielfalt des Weinanbaugebiets Genf spiegelt sich auch in den Böden, die hier zu finden sind, wider. In der Nähe von Fluss- und Seeufern dominieren kiesige Böden, es finden sich aber auch Moränen und Molasse. Die Nähe zum Juragebirge und den Voralpen sowie der Einfluss des Genfersees und der Rhone erzeugen ein Mosaik aus Mikroklimata. Das Klima in der Region ist vergleichsweise mild und profitiert von den Bergen im Westen, welche die feuchten Luftmassen abhalten.

Traubensorten
Von den 1'374 Hektar Genfer Rebfläche entfallen 56 Prozent auf rote und 44 Prozent auf weisse Sorten. Die meistangebaute rote Sorte ist Gamay, gefolgt von Pinot Noir und Gamaret. Bei den weissen Sorten dominiert wie in der gesamten Schweiz die Rebsorte Chasselas. Mitte der 1980er-Jahre wurde die damalige Chasselas-Monokultur zugunsten anderer Rebsorten aufgebrochen. Heute experimentieren die Winzer mit spät reifenden Sorten wie Merlot oder Malbec, aber immer mehr auch mit krankheitresistenten Sorten.


Auswahl wichtiger Produzenten

Christian Guyot
vins-guyot.ch

Cave de Sézenove
bbosseau.ch

Domaine des Alouettes
domaine-des-alouettes.ch

Domaine des Trois Étoiles
trois-etoiles.ch

Domaine Ducrest
vins-geneve-domaine-ducrest.ch

Domaine du Clos des Pins
closdespins.ch

Domaine Grand’Cour
falstaff.com/domaine-grandcour-cottier

Domaine Les Hutins
domaineleshutins.ch

Jean-Michel Novelle
novelle.wine

La Cave de Genève
cavedegeneve.ch

 


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Dominik Vombach
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