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Wie aus Trauben Perlen werden? Bei Ruinart im Handumdrehen!

Zu Gast im Maison Ruinart, dem bereits seit 1729 existierenden und damit ältesten Champagnerhaus der Welt.

Wir werden umgeben von einem Rebenmeer von der sympathischen Jungwinzerin, Louise Bryden (Ruinart Winemaker & Research & Development Project Manager), sehr herzlich empfangen und mit dem wunderschönen Ort, an dem wir uns befinden, vertraut gemacht. Voll Stolz und Leidenschaft erzählt sie uns vom Ursprung dessen, was am Ende der Höhepunkt unserer Reise sein sollte; dem Vintage-Champagner Dom Ruinart Blanc des Blancs Extra Brut 2010. (*1)

Hier in den historischen Weingärten in Sillery, in der Montagne de Reims, wächst Chardonnay auf 17 Hektar alten Reben, die durch den kalkreichen Boden und ideales Wassermanagement robust und ertragreich sind wie eh und je. (*2). Die Trauben sind (Ende Juni!) bereits erbsengroß und die diesjährige Ernte wird bereits für August erwartet. Bis 2003 lag der Erntezeitpunkt mit Ende September bis Mitte Oktober noch mitten im Herbst. Neben Freude begleitet also auch die immer lauter werdende Gefahr Klimawandel hier in der Champagne den Arbeitsalltag unverkennbar.

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Sidestep

Nicht planmäßig aber sehr passend zum Thema schwanken wir kurz in eine andere Richtung und erfahren von Louises neustem Herzensprojekt im nur wenige Meter entfernten Weingarten in Taissy, wo man ein Pilotprojekt startete. Mit der Förderung der biologischen Artenvielfalt im Weingarten und durch die Anwendung agroforstwirtschaftlicher Techniken heißt die Zukunftsdevise Biodiversität. Direkt oberhalb des Projekt-Weingartens befindet sich ein Wald, der für die Behausung von Tieren, Pflanzen und Früchten sorgt, die auch im Weingarten willkommen sind. Grünflächen unterbrechen die Weinflächen, kleine Insektenbehausungen wurden zwischen die Rebstöcke platziert, Wildbienen angelockt, ringsum Hecken gepflanzt und Deckfrüchte zum Schutz des Bodens und gegen Schädlinge, Unkraut oder Krankheiten integriert. Gemeinsam mit Spezialisten und Expertinnen wurde nahezu nichts unerforscht und unversucht gelassen, um »grün« und schadstofffrei, im Einklang mit der Natur und »pro Klima« zu arbeiten.

Dem Zufall wird im Hause Ruinart nichts überlassen

Die Feuchtigkeit des Bodens und die Stärke des Windes werden stets beobachtet, im Weingarten herrscht vollkommener Verzicht auf Herbizide und die Einschränkung von Pestiziden auf ein Minimum (0% in Taissy!). Alles wird streng kontrolliert und dokumentiert, Wetterstationen und mobile Apps ermöglichen die Kontrolle von nah und fern. Alle Weingärten sind »viticulture durable en champagne«, also nachhaltig zertifiziert. Und damit nicht genug, denn, dass man als Maison Ruinart allein die Welt nicht retten kann, ist man sich bewusst, so werden partnerschaftliche Weinbauern beim Erhalt der Zertifizierung unterstützt und gefördert und die gemeinsame »grüne« Arbeit forciert.

Der respektvolle Umgang mit der Natur ist hier ehrlich und ernst gemeint, das Umdenken kommt später als anderswo, mag so mancher sagen, auf gewisse Weise hat der beginnende Klimawandel die Qualität der Trauben in der Champagne anfangs sogar begünstigt und man hat die Gefahr vielleicht unterschätzt. Aber heute ist ganz klar: Die Verpflichtung und Wertschätzung gegenüber der Umwelt und nachkommenden Generationen hat oberste Priorität.

Nachhaltigkeit, die Rückkehr zum Ursprung, Wertschätzung, Mit- und Weiterdenken

All das begleitet die gesamte Reise und nimmt auch in der Produktionsstätte keinen Halt, wo wir Stephan, Meister seines Faches, persönlich dabei zusehen dürfen, wie er bis zu 100 Flaschen in der Stunde manuell degorgiert und für die Reifezeit vorbereitet. (*3) Für ihn ist es keine Arbeit, es ist seine Berufung, Freude und ein Gefühl der Erfüllung. Und diese setzt sich im Keller fort, wo ein eigens dafür angelegtes Abteil noch bewusst auf die Flaschendrehung per Hand setzt. Nicht etwa, weil die Qualität eine andere wäre (die maschinellen Techniken sind heute perfektioniert und ahmen die Menschenhand exakt nach), einzig um die Kunst des Handwerks und die uralte Tradition am Leben zu erhalten und weiterzugeben.

Zum krönenden Abschluss

Kehren wir nun 12 Jahre zurück und bleiben zugleich im Hier und Jetzt; wir verkosten gemeinsam mit dem amtierenden Kellermeister des Hauses Ruinart, Frédéric Panaiotis, endlich den Shootingstar Dom Ruinart Blanc des Blancs Extra Brut Vintage 2010, über den wir nun schon so viel Spannendes erfahren haben. Einleitend erzählt uns Frédéric von der ersten Verkostung des Grundweins Jahre zurück, bereits damals war er gemeinsam mit seinem Team sofort verzaubert. Und, dass sich der Vintage 2010 in Keller und Flasche noch weiter und damit zur absoluten Perle entwickelt hat, können wir nun ganz offiziell bestätigen. In Falstaff Chefredakteur Peter Mosers Worten:

Helles Gelbgrün, Silberreflexe, feine, lebendige Mousseux. Vanille, feine Röstaromen von der langen Hefelagerung, intensive Irisblüten, Mandelkuchen, etwas Ginster, sehr facettenreiches, reduktives Bukett, kandierte Limetten, sehr facettenreich und einladend. Komplex, feine weiße Frucht, wirkt leichtfüßig, finessenreiche Säurestruktur, weißer Apfel, salzig-zitronig, sehr gute Länge, feiner, salziger Stil, ein delikater Wein, ausgestattet mit unglaublicher Jugendlichkeit und Frische. Ein Meilenstein für Dom Ruinart, Chapeau! (Deg. 1/2020)

Anmerkungen

(*1) Nur in ganz besonderen Jahren schafft es der Vintage aufs Etikett. Seit der ersten Jahrgangs-Cuvée 1966 wurden der Öffentlichkeit insgesamt erst 27 Dom Ruinart Millésimes präsentiert.

(*2) Für den Ausnahmejahrgang 2010 waren es 10% Chardonnay aus Sillery, die hier von Hand geerntet wurden. Die weiteren 90% stammten von der berühmten Côte des Blancs (etwa 45 Minuten entfernt), dem nach Osten ausgerichteten Kerngebiet der Rebsorte. Beide vereint 100% Grand Crus Chardonnay.

(*3) Mit dem Vintage 2010 kehrte man zurück zur einst üblichen Reifung auf der Hefe mit Korkverschlüssen. Bis zum Zeitpunkt dieser Renaissance des Korks war man der Überzeugung, die «neuen» Kronenkorken sind die ideale Lösung, um die Flasche vor Sauerstoff und Gasaustausch zu schützen. Aber falsch gedacht, erste Vergleiche zeigten den Unterschied schnell. Auch beim Verschluss drängt sich also wieder die Nachhaltigkeit in den Vordergrund, denn die Korkeiche kann alle neun Jahre von der wertvolle Korkschicht befreit werden und produziert diese auf natürliche Weise immer wieder neu.

Petra Kirchmayer
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