Boulud bei der Eröffnung seiner »Bar Boulud« in Boston.

Boulud bei der Eröffnung seiner »Bar Boulud« in Boston.
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Das Erfolgsrezept des Daniel Boulud

Daniel Boulud ist nicht nur einer der besten Interpreten französischer Küche, er erfand auch vor 38 Jahren den »Gourmet DB Burger« mit Foie gras – und hilft Menschen in Not.

Als Mitte März 2020 New York wegen Corona erstmals im Lockdown versank, saß Daniel Boulud in seinem neoklassizistischen Flag-ship-Restaurant »Daniel« an der Upper East Side von Manhattan und sinnierte darüber, wie es weitergehen sollte. Die Mieten von Gastrobetrieben in Nordamerika, Asien und England mussten bezahlt werden. Allein die Gehälter der rund 500 Angestellten beliefen sich jährlich auf geschätzte 40 Millionen Dollar. Nur das »Daniel« kostete quasi nichts, das Gebäude gehört ihm. Und er saß auf einem Berg von Vorräten.

Daniel setzte einen Tweet an seine mehr als 100.000 Follower auf Twitter ab: »Wie können wir sicherstellen, dass alles Essen gespendet und nicht verschwendet wird?« Die Nachricht kam an. Weit über 300.000 Mahlzeiten wurden im Rahmen der Stiftung Citymeals on Wheels von Boulud und anderen Gastronomen der Stadt in den folgenden Monaten an Pflegekräfte, bedürftige Senioren und Familien ausgegeben.

Und 150 seiner Mitarbeiter fanden eine temporäre neue Aufgabe. Im Juli öffnete Daniel Boulud die Türe zu den Gasträumen des »Daniel« (und seinen anderen 17 Restaurants und Bars auf der Welt) unter Hygieneauflagen wieder. Statt 50 Tischen gibt es im »Daniel« jetzt 25, das Personal wurde um die Hälfte reduziert, und – den wirtschaftlichen Widrigkeiten geschuldet – er senkte die Preise leicht ab, ersetzte den obligatorischen Kaviarklecks mit einer Beurre blanc durch Lachsrogen und ergänzte die Karte mit bodenständigen Gerichten wie etwa einer Bouillabaisse. 

Auf Erfolgskurs

Daniel Boulud wuchs auf einem Bauernhof in Saint-Pierre-de-Chandieu in der Nähe von Lyon auf. Seine Eltern, Julien und Marie, leben immer noch dort, räuchern Würste, backen Brot und bewirten ihre große Verwandtschaft. 1969, mit 14, begann Daniel eine Lehre im Zwei-Sterne-Restaurant »Nandron« in Lyon, nur drei Jahre später bekam er den Titel »Kochlehrling des Jahres« verliehen.

Seine ersten Stellen nach der Ausbildung waren alle bereits auf Topniveau: bei Georges Blanc, dem Küchenchef des Drei-Sterne-Hauses »Chez la Mère Blanc« in Vonnas; bei Drei-Sterne-Koch Roger Vergé im berühmten »Le Moulin de Mougins« in Mougins bei Cannes; und bei Michel Guérard, einem der Miterfinder der Nouvelle Cuisine. Die Basis, einer der erfolgreichsten Köche der Welt mit einem geschätzten Privatvermögen von zwölf Millionen Dollar zu werden, war gelegt.

Nach einem Abstecher nach Kopenhagen, wo er unter anderem im gefeierten »Les Étoiles« arbeitete, landete Daniel Boulud in den USA: Er war von der Europäischen Kommission als Koch nach Washington beordert worden. 1982 zog es ihn nach New York. Seine erste Heimat im Big Apple fand er als Küchenchef im legendären »Le Cirque«, das damals die erste Adresse für Prominenz aus aller Welt war – und die Kaderschmiede für aufstrebende Köche schlechthin. Im »Le Cirque« wurde Daniel Boulud mit seinem ersten von heute insgesamt sechs der renommierten James Beard Awards geehrt, der höchsten Auszeichnung für Köche in den USA. Der Franzose war angekommen.

Daniel Boulud (l.) und Sirio Maccioni, Gründer des legendären »Le Cirque« in New York, wo Boulud ab 1982 als Küchenchef werkte. 
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Daniel Boulud (l.) und Sirio Maccioni, Gründer des legendären »Le Cirque« in New York, wo Boulud ab 1982 als Küchenchef werkte. 

Aufbau eines Imperiums

1992 verließ Daniel Boulud das »Le Cirque«. Im Jahr darauf tat er sich mit seiner Freundin, der Investorin Lili Lynton, zusammen. Mit einer weiteren Geldspritze von Philanthrop Joel Smilow war es möglich, sein erstes Restaurant, das »Daniel«, in der 76th Street, zu eröffnen. Seine Handschrift: französische Küche auf Haute-Cuisine-Niveau mit einem amerikanischen Twist. Das kam bei den verwöhnten Gourmets der Upper East Side gut an. Und bei den Kritikern. Bald regnete es Auszeichnungen: vier Sterne von der New York Times, drei Sterne vom Guide Michelin.

Weil man als Spitzenkoch aber nicht auf einem Bein stehen kann – Fine Dining heißt nicht zwangsläufig fein verdienen –, rief Daniel 1994 die Catering-Firma »Feast & Fêtes« ins Leben, ein Lieferservice für die Reichen und Schönen der Stadt, die sich jetzt ihr Cordon bleu, Pot au Feu Royal und Bœuf bourguignon frei Haus bringen lassen konnten. Auch während des Lockdowns und lange danach bewährte sich »Feast & Fêtes«: Die es sich leisten konnten, verbrachten die Isolation in ihren Häusern in den Hamptons, den Catskill Mountains oder in Connecticut.

Chef Daniel schickte nicht nur exquisite Speisen, sondern auch (natürlich vorher auf Corona getestete) Köche in die Villen seiner Stammkundschaft, die sich nicht vorstellen konnte, monatelang ohne Fine Dining oder einen Privatkoch überleben zu können. 16 Spitzenkräfte wurden eigens rekrutiert, um das Filet Mignon à la minute an Ort und Stelle für die darbende Klientel zuzubereiten. 

Umgerechnet rund 30 Euro kostet Bouluds legendärer »DB Burger« heute in seinem Bistro in Singapur. Zentrum seiner gastronomischen Welt bleibt jedoch das »Daniel«.
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Umgerechnet rund 30 Euro kostet Bouluds legendärer »DB Burger« heute in seinem Bistro in Singapur. Zentrum seiner gastronomischen Welt bleibt jedoch das »Daniel«.

Noch höher hinaus

1998 hatte Daniel das Gebäude gekauft, in dem sich ehemals das »Le Cirque« befand, und war mit seinem »Daniel« eingezogen. Im gleichen Jahr eröffnete er am ehemaligen Standort des »Daniel« die erste »Bar Boulud« (seit 2010 gibt es die Bar auch in London als einzigen europäischen Außenposten). 2001 kreierte er für das eben eingerichtete »db bistro moderne« in Midtown eine kulinarische Sensation: den »DB Burger«, ein hedonistisches Vergnügen mit Hackfleisch aus Short Ribs, einer Foie-gras-Füllung und schwarzer Trüffel. Der »DB« stand mit für die damalige Zeit sagenhaften 27 Dollar auf der Karte und ist heute noch der Hit des Hauses.

Zwischenzeitlich war Boulud auch Gastgeber der TV-Show »After Hours with Daniel Boulud«, in der Spitzenköche aus Amerika Rezepte und Tipps austauschten. Er kocht immer wieder für Citymeals on Wheels, jener bereits erwähnten Initiative, die bedürftige Senioren mit Mahlzeiten versorgt und der er auch als Co-Präsident vorsteht. Er schrieb Kochbücher (insgesamt zehn) wie das »Café Boulud Cookbook« mit französisch-amerikanischen Rezepten, etablierte die »DBGB Kitchen & Bar« und das »Café Boulud« in Palm Beach und expandierte bis nach Kanada und Singapur.

»Doctor of Culinary Arts«

 2012 erhielt er für seine Aktivitäten von der Johnson & Wales University den Ehrentitel »Doctor of Culinary Arts« und 2015 einen Preis für sein Lebenswerk. Seit 2016 ziert zudem sein Porträt, aus Tausenden Mosaiksteinen vom Künstler Vik Muniz zusammengesetzt, eine Wand der Metrostation 2nd Avenue – eine große Ehre! Und es geht weiter: Diesen Herbst bezog Boulud »Le Pavillon«, einen Gourmettempel auf über 1000 Quadratmetern unter einer 17 Meter hohen Decke im brandneuen, drei Milliarden Dollar teuren One-Vanderbilt-Wolkenkratzer. Was beweist: Auch in seltsamen Zeiten wie diesen gibt es genügend Raum für Exzellenz.


Essen für jeden Geschmack

Kulinarische Highlights aus dem Boulud-Universum

  • Daniel**
    60 E 65th Street
    New York, NY 10065
    T: +1 212 2880033
    Das Zwei-Sterne-Restaurant mit neoklassizistischem Ambiente serviert moderne französische Küche im Herzen Manhattans. Das Herzstück von Bouluds Gastronetzwerk, das allein in New York zehn Locations umfasst – und dazu noch drei weitere in Miami, Palm Beach und Washington. Mit zwei Lokalen in Toronto und einem in Montreal ist Boulud auch in Kanada im Geschäft.
     
  • Daniel Boulud Kitchen
    60 E 65th Street
    New York, NY 10065
    T: +1 646 8314587
    Fine Dining auf der Terrasse oder Take-out vom zweimal wöchentlich wechselnden Menü. Ein Teil des Umsatzes geht an die Mitarbeiter und die Stiftung »Hand in Hand«.
     
  • db bistro moderne
    55 West 44th Street
    New York, NY 10036
    T: +1 212 3912400
    In der Heimat des berühmten »DB Burgers« trifft französische Cuisine auf US-Lifestyle. 
     
  • Épicerie Boulud
    1900 Broadway
    New York, NY 10023
    T: +1 212 5959606
    Gourmetmarkt an der Upper West Side mit allen Köstlichkeiten, die Frankreich zu bieten hat: Baguette, Käse, Gebäck und abends Austern und ein Glas Wein.
     
  • Bar Boulud
    66 Knightsbridge
    London, SW1X 7LA
    T: +44 20 72013899
    Die europäische Außenstelle des New Yorker Originals, mit ebenso feinen Terrinen, Pâtés sowie formidablen Burgundern und Weinen aus dem Rhônetal.
     
  • db Bistro & Oyster Bar
    2 Bayfront Avenue, B1-48, The Shoppes at Marina Bay Sands
    Singapur 018956

    T: +65 6688 8525
    Entweder Austern schlürfen an der langen Bar oder Pariser Bistroküche genießen. Ein Highlight in Singapur!

Erschienen in
Falstaff Nr. 09/2020

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Corinna von Bassewitz
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