»Alles muss sich ändern, um zu bestehen.« Yannik Alléno hat dieses Konzept zur Meisterschaft gebracht.

»Alles muss sich ändern, um zu bestehen.« Yannik Alléno hat dieses Konzept zur Meisterschaft gebracht.
© Sebastian Veronese

Yannick Alléno: Vom Bistro zum Sternemillionär

Yannik Alléno stellt die Töpfe immer wieder auf den Kopf. Ob neue Saucen oder alte Gemüsesorten, sein unermüdlicher Bildersturm hat ihm bereits zweimal die Höchstnote von drei Michelin-Sternen eingebracht.

»Die junge Generation ist unglaublich kreativ.« Yannick Alléno, aus dessen Mund diese Anerkennung kommt, war selbst lange einer der Jüngsten in einer ganzen Reihe außerordentlicher Köche, vom großen Paul Bocuse und Joël Robuchon über Alain Passard bis Pierre Gagnaire und Alain Ducasse. Ein »beau gosse«, ein fescher Bursch sozusagen, mit klassischer Ausbildung und hochtalentiert dazu, da waren sich die Gastrokritiker früh einig. Élisabeth de Meurville, langjährige Food-Journalistin und Robuchon-Biografin: »Ich erinnere mich gut an ›Saint-Jacques en meurette‹, die Kombination von Jakobsmuscheln und dichter, dunkler Rotweinsauce war damals schlichtweg eine Sensation.«

Heute ist der 52-Jährige Herr über ein Imperium aus 17 Betrieben, verstreut über den ganzen Erdball. Restaurants in Dubai, und Seoul, in Marrakesch, aber auch in Monaco. Unter welches Lokal Alléno seinen Namen setzt, macht er davon abhängig, wie gut er sich mit dem Hotel­betreiber oder Eigentümer versteht, ob ihn die Zusammenarbeit anspricht. Als Marke sieht er sich dennoch nicht. Er sei immer noch Koch, betont er und schüttelt ein wenig unwillig den Kopf, und wenn er nicht in einer Küche sei, dann in einer anderen. »Ich werde immer Koch bleiben, das gibt mir die Möglichkeit, Talente aufzuspüren und kennenzulernen. 36 meiner Schüler haben heute einen bis drei Michelin-Sterne. Genau das ist es, was mir Freude macht.«

Den Nachwuchs fördern – ein wichtiges Stichwort für den Vater zweier Söhne. Er weiß, dass ein Schubs zur rechten Zeit viel bewirken kann. 1968 im Pariser Vorort Puteaux geboren, wuchs der kleine Yannick im Bistro seiner Eltern Eliane und Gilbert auf und begann früh, sich für die Küche zu interessieren. 1986 schließt er die Kochlehre ab, und Gabriel Biscay, ein als »Meilleur Ouvrier de France« ausgezeichneter Küchenchef, öffnet dem wissbegierigen Jungkoch die richtigen Türen.

In der Umlaufbahn

Hier beginnt Yannick Allénos Weg zu den Sternen. Die Etappen heißen »Le Royal Monceau« in Paris, Hotel »Sofitel« in Sèvres, »Le Drouant« an der Seite von Louis Grondard. Er erhält 1994 den Prix Auguste Escoffier, 1999 den Bocuse d’argent – und wird zum ersten Mal Küchenchef, im »Hotel Scribe«. 2003 übernimmt er die Pariser Legende »Le Meurice« – mit großen Ambitionen. Schon nach einem Jahr wird er mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet, 2007 mit einem dritten. Bald darauf gründet er sein eigenes Unternehmen und übernimmt Restaurants in Marokko und Asien sowie Courchevel in den französischen Alpen.

2013 lässt er »Le Meurice« hinter sich und öffnet auf den Champs-Elysées das »Alléno Paris« im eleganten Pavillon Ledoyen. Resultat: internationaler Applaus und drei Michelin-Sterne. Die erhält er 2017 ebenfalls für das Restaurant »Le 1947« im Hotel »Cheval Blanc« in Courchevel. In Saint-Émilion schafft er letztes Jahr mit dem Neuzugang »Table de Pavie« quasi auf Anhieb zwei Michelin-Sterne. Kein Wunder, hat er für die neue Location im Bordelais doch seinen Chef Gérard Babin aus dem »Cheval Blanc« abgezogen.

Für L'Abysse, das japanische Zwei-Sterne-Restaurant im Erdgeschoss, zeichnet der Sushi-Meister Yasunari Okazaki verantwortlich.
© Sebastian Veronese
Für L'Abysse, das japanische Zwei-Sterne-Restaurant im Erdgeschoss, zeichnet der Sushi-Meister Yasunari Okazaki verantwortlich.

Entspannung findet Yannick Alléno in Sport und Kunst, nicht zuletzt den poetisch-expressiven Werken seiner Frau Laurence Bonnel. Doch er ist keiner, der sich ausruht. Schon gar nicht auf Lorbeeren. »Tout doit changer« lautet daher der Titel eines seiner zahlreichen Bücher. »Alles muss sich ändern«, um zu bestehen, eins seiner Rezepte dafür ist eine »Conciergerie de table«. Spitzengastronomie also nicht nur auf dem Teller, sondern auch im Service, durch ein Gespräch vorab mit dem Gast, durch genaues Zuhören. »Das bedeutet für mich, im Voraus zu wissen, was der Gast essen möchte, noch ehe er eintrifft.« Der Rest, so Alléno, sei Kreativität.

Konzentration, Bitte

Saucen. Noch so ein Thema. In seinem Buch »Saucen – Gedanken eines Küchenchefs« erzählt er von der langen Geschichte dieses Leitmotivs der französischen Küche und geht dennoch weg von der Tradition, weg von Hitze und Fett, spielt mit sanften Temperaturen und auch Eis, macht Extrakte und mischt diese untereinander, nennt seine Kreationen »Bouillités«, und kredenzt sie sogar in Weingläsern, um die Komplexität der Aromen verständlicher zu machen, besser darzustellen.

Chefsachen

Und schließlich Terroir. Die Rückkehr zur Regionalität. Das bedeutet für ihn den Großraum Paris, dort hat er viele Schätze entdeckt, kleine Bauern, die alte Gemüse- und Obstsorten kultivieren. Spargel aus Argenteuil im Nordwesten, Safran aus dem Süden der Stadt, Artischocken aus Paris selbst. Sein Buch »Terroir Parisien« ist eine Hommage an einen fast vergessenen Reichtum. »Die Regionalität ist keine Modeerscheinung«, sagt Alléno, »sie ist auch nichts Neues, wir erinnern uns einfach nur wieder daran, sie ist eine Art Rückbesinnung, weil uns die Umwelt Sorgen macht.«

Inzwischen ist Yannick Alléno schon wieder am Planen. Seine Pariser Weinbar »Allénothèque« wurde diesen Sommer zum »Burger Père et Fils«, wo er mit Sohn Antoine dem Streetfood-Klassiker einen Pariser Twist verpasst, mit gut gereiftem Fleisch, speziellen Brötchen und auch einer vegetarischen »Blutwurst« aus schwarzem Reis, Grieß und roten Rüben.

Dazu Pommes frites »coin de rue« – rautenförmig geschnitten und dadurch besonders knusprig. Und Ende Herbst beginnt der große Umbau an der Côte d’Azur, wenn das »Yannick Alléno« im »Hotel Hermitage Monte-Carlo« zum »PavYllon« wird – die Eröffnung ist für 2022 geplant. »Das wird das schönste Restaurant von Monaco«, gibt sich Alléno voll Vorfreude. Und fügt verschmitzt hinzu: »Nach dem ›Louis XV‹ von Ducasse natürlich.«


Zu Gast bei Yannik Alléno

yannick-alleno.com

Pavillon Ledoyen
8 Avenue Dutuit, 75008 Paris
T: +33 1 53051000

In dem klassizistischen Gebäude in seinem idyllischen Park – durchgehend Restaurant seit 1972 – hat Alléno drei Restaurants mit insgesamt sechs Michelin-Sternen untergebracht, nämlich:

Alléno Paris
Das Flaggschiff, 2019 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet, im ersten Stock mit wunderbarer Aussicht. Die Küche verbindet Bekanntes wie Steinbutt oder Kalbsbries mit Überraschendem wie schwarzer Zitrone, Sake oder wildem Sellerie.

Pavyllon
Ideal fürs erste Mal bei Yannik Alléno oder auch zu Mittag, ein Michelin-Stern. Besonders reizvoll sind die Plätze auf der Terasse oder an der langen Bar, für das klarlinige und dennoch heimelige Ambiente zeichnet Interieur-Star Chahan Minassian verantwortlich.
Déjeuner ab 68 €.

L'Abysse
Sushi-Bar mit zwölf Plätzen, letztes Jahr mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet. Nigiri wird als Menü oder auch als Omakase serviert, hier überlässt man dem Sushi-Meister die Asuwahl. Die Innenausstattung hat Allénos Frau Laurence Bonnel mit zeitgenössischen Künstlern gestaltet.

La table de Pavie
5 Place du Clocher, 33330 Saint-Émilion
T: +33 5 57550755, hoteldepavie.com

Umgeben von UNESCO-Welterbe-Weingärten stimmt Alléno in dem einstigen Konvent seine moderne, inventive Küche auf die berühmten Rebsorten der Region Saint-Émilion und Bordelais ab.

Yannik Alléno
Á l'Hotel Hermitage Monte Carlo
Square Beaumarchais, 98000 Monaco
T: +37 7 98064000, montecarlosbm.com

Die schönste Terrasse von Monaco und leichte, unbeschwerte Küche, inspiriert von dem Lebensgefühl des Mittelmeers und den besten Produkten der Region, für eine neue Sicht auf provenzalische Klassiker wie »Caviar d'aubergines«. Nach Ende der Saison beginnt die Umgestaltung, auch hierdurch Chahan Minassian, 2022 wird als »PavYllon« eröffnet.

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2021

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Barbara Hutter
Autor
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