Ricardo Pérez Palacios.

Ricardo Pérez Palacios.
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Falstaff-Talk mit Ricardo Pérez Palacios: «Wir wollen kreieren»

Die Weine von Descendientes de J. Palacios gehören mit zum Besten, was Spanien zu bieten hat. Mit dem La Faraona haben Ricardo Palacios und sein Onkel Alvaro einen der gefragtesten Rotweine Spaniens kreiert. Falstaff hat den aktuellen Jahrgang verkostet und mit Ricardo Palacios über die Region Bierzo und seine Inspiration gesprochen.

Falstaff: Herr Palacios, als sie vor über zwanzig Jahren gemeinsam mit ihrem Onkel Alvaro Palacios das Projekt Descendientes de J. Palacios in Bierzo ins Leben riefen, war die Region noch völlig unbekannt. Weshalb dieses Wagnis?

Ricardo Pérez Palacios: 1999 war meine erste Ernte mit Descendientes de J. Palacios. Zuvor studierte ich Önologie und Weinbau in Bordeaux und hatte viel über biologischen und biodynamischen Anbau gelernt. Als ich nach Spanien zurückkehrte, schwebte mir ein kleines Weingut vor, in dem ich das Gelernte ausprobieren konnte. Man muss dazu sagen, dass meine Mutter und mein Onkel aus einer Weindynastie stammen, zu der das Weingut Palacios Remondo in der Region Rioja gehört. Rioja war damals aber noch nicht in der Stimmung für meine Ideen. Aus diesem Grund machte ich mich damals auf die Suche nach einem passenden Ort und stiess auf Bierzo, wo ich gemeinsam mit Alvaro das Projekt als Experiment startete. Wir waren sofort von den Weinen und der Region begeistert und mittlerweile sind 25 Jahre vergangen.

Wie hat sich die Region in den letzten 25 Jahren verändert?

Als wir damals in Bierzo ankamen, war die Situation dieselbe wie in vielen anderen spanischen Weinregionen zu dieser Zeit. Die Weine waren zum grössten Teil einfach, günstig und lediglich trinkbar. Im ersten Jahr bauten wir unsere Weine in Raul Perez' Keller in Valtuille de Abajo aus, der seitdem ein enger Freund von mir ist. Wir haben damals gemeinsam erkannt, dass wir mehr aus der Region herausholen und die Weine besser vermarkten können. Mittlerweile kommen viele Investoren in die Region, was sicher sehr gut für Bierzo ist, weil sonst viele Rebflächen verschwinden würden. Aber das ist nicht unser Weg. Wir wollen kreieren. Bierzo ist eine kleine Region und wird Stück für Stück bekannter werden, weil wir alles haben, was es hierfür braucht.

Was braucht es hierfür denn?

Wir haben mit Mencía eine einzigartige Rebsorte, die sehr gut an die Anbaubedingungen in der Region angepasst ist. Das Klima ist sehr gut und äusserst gemässigt im Vergleich zum Rest von Spanien. Hinzu kommt, dass wir über einen alten Rebschatz verfügen – rund 95 Prozent aller Rebstöcke in Bierzo sind mehr als 60 Jahre alt. Wir haben also alles, was es braucht, um eine grossartige europäische Weinregion zu sein.

Wovon liessen Sie sich inspirieren, als Sie in Bierzo angefangen haben?

Emil Peynaud, der bekannte französische Önologe, hat mal gesagt, dass Bierzo wegen des Klimas und der Rebsorten die französischste aller Weinregionen Spaniens ist. Das hatte ich damals im Kopf, als ich mir Gedanken darüber machte, wie ich die Weine bei Descendientes de J. Palacios machen möchte. Ich hatte in der Rioja schon begonnen, mit Ganztrauben zu experimentieren und den Beaujolais-Stil im Kopf. Als ich dann 1999 in Bierzo ankam, war ich sehr überrascht, dass die Leute in der Region traditionell ganz ähnlich wie im Beaujolais arbeiteten. Fast jeder hat selbst zu Hause Wein gemacht, die ganzen Trauben einfach in ein Fass gegeben, klassisch untergestossen und das Fass anschliessend mit einem Schieferstein für drei bis vier Monate hermetisch verschlossen. Für meine Weine habe ich dann einen Mittelweg aus den lokalen Techniken und den Techniken des Beaujolais gewählt. Heute verwenden wir noch rund 20 bis 30 Prozent Ganztrauben – und unsere Weine sind ganz anders als zu Anfang. Das liegt aber nicht an der Kellertechnik, sondern an der Arbeit im Rebberg.

Wie arbeiten Sie heute im Rebberg?

Wir bewirtschaften insgesamt rund 35 Hektar. Das Management ist sehr kompliziert, da die Rebberge teils sehr steil sind und wir alles von Hand und mit Pferden sowie Maultieren machen. Wir orientieren uns zwar am biodynamischen Anbau – machen auch die jeweiligen Behandlungen – haben mittlerweile aber eine eigene Philosophie entwickelt, die unterschiedliche Philosophien vereint. All diese Schulen, zu denen unter anderem auch die Permakultur gehört, basieren auf den althergebrachten landwirtschaftlichen Strukturen, die in der Vergangenheit überall in Europa herrschten. Durch die Industrialisierung ist vieles davon verschwunden, in Bierzo aber war noch relativ viel erhalten, als wir hier starteten, denn die Familien waren so arm, dass sie alles brauchten, um zu überleben. Obstbäume, Kastanienbäume, Rebstöcke, Kühe, Hühner und Schweine. Wir selbst besitzen 200 Kastanienbäume, 100 Apfelbäume und 200 Kirschbäume. Wir sind weit mehr als Weinbauern, wir pflegen die Landschaft.

Das Aushängeschild ihres Weinguts ist ohne Zweifel der La Faraona. Was macht die Reblage, in der dieser Wein gedeiht, so besonders?

Der Plot ist einen halben Hektar gross, liegt auf etwa 1000 Metern über Meer, ist sehr steil und nach Südosten ausgerichtet. Sonne gibt es dort nur am Morgen, was die Trauben besonders langsam reifen lässt. Die Rebstöcke sind sehr klein und es gibt nicht viele Trauben. Hinzu kommt, dass es in der Mitte der Lage eine tektonische Verwerfung gibt, in der vulkanisches Gestein zu finden ist. Die Textur des Weins ist deshalb sehr besonders, sehr erfrischend. Er ist ausserordentlich leicht.

Was hat es mit dem Namen auf sich?

La Faraona bedeutet so viel wie die Königin des Hauses. Genau das ist dieser Wein nämlich für uns. Zu Zeiten meines Grossvaters bekam man, wenn man auf dem Weingut Wein kaufen wollte, eine ganz bestimmte Abfolge: Erst den Wein aus dem Tank, dann den aus dem Fass und zum krönenden Abschluss La Faraona – die Königin.

Welche Jahrgänge sind ihrer Ansicht nach besonders gut gelungen?

Da gibt es drei Jahre: 2001, 2011 und 2018. Diese Jahre sind herausragend. Das Beste wird aber noch kommen, da bin ich mir sicher.

Die verkosteten Weine

2020 Pétalos – 93 Falstaff-Punkte
Descendientes de J. Palacios, Bierzo, Spanien

Der Basiswein von Descendientes de J. Palacios soll die gesamte Region widerspiegeln und wird aus eigenen Trauben sowie Trauben von 180 verschiedenen Traubenproduzenten aus unterschiedlichen Dörfern gekeltert. Warmfruchtiges Bouquet mit Noten von Brombeere und Himbeere, etwas Gewürznelke und kräutrig-würzigen Anklängen. Am Gaumen elegant und dennoch kraftvoll, mit reifer Säure, dezentem Tannin und betont würzigem Abgang.

bauraulacvins.ch, CHF 24.50


2020 Villa de Corullón – 95 Falstaff-Punkte
Descendientes de J. Palacios, Bierzo, Spanien

In der Nase kühle Waldbeerenfrucht sowie Noten von Sauerkirsche. Dazu florale Anklänge, etwas Lakritze und rauchig-speckige sowie zitrische Nuancen. Am Gaumen schlank und elegant, bei intensiver Aromatik. Aroma von roter Johannisbeere und Thymian. Salzig-mineralische Anmut im langen Abgang.

bauraulacvins.ch, Preis: k. A. CHF 47.–


2020 Moncerbal – 96 Falstaff-Punkte
Descendientes de J. Palacios, Bierzo, Spanien

Dieser Wein entsteht in verschiedenen Parzellen der Gemeinde Moncerbal. In der Nase warme Fruchtaromatik mit Noten von dunklen Waldbeeren und Kirsche. Dazu Anklänge von Zimt und Orangenzeste. Am Gaumen ausgewogen und elegant, mit reifer Säure und präsentem, feinkörnigem Tannin. Langes Finale.

bauraulacvins.ch, CHF 105.–


2020 Las Lamas – 97 Falstaff-Punkte
Descendientes de J. Palacios, Bierzo, Spanien

Der Las Lamas gedeiht auf einer rund 1.5 Hektar grossen Lage und beinhaltete die Rebsorten Mencía, Alicante Bouschet und einige weisse Traubensorten. Äusserst frisches Bouquet mit Noten von Holunderbeere, Heidelbeere und Kirsche. Anklänge von Kakao, nussige sowie rauchige Nuancen. Am Gaumen rund, mit dunkler Würze und heller Beerenfrucht. Geschliffenes Tannin, langer, mineralisch anmutender Abgang.

bauraulacvins.ch, CHF 105.–


2022 La Faraona – 99 Falstaff-Punkte
Descendientes de J. Palacios, Bierzo, Spanien

Elegante Reduktion in der Nase. Flintige Noten sowie kühle Mineralik gepaart mit Noten von Cranberry, roter Johannisbeere und Sauerkirsche. Dazu Salzlakritze und etwas Kernobst. Am Gaumen faszinierende Filigranität und Leichtigkeit bei gleichzeitiger aromatischer Konzentration und Kraft. Sehr feines Tannin, enorme Länge.

bauraulacvins.ch, Preis k. A.
Preis 2019 CHF 780.–


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Dominik Vombach
Dominik Vombach
Chefredaktion Schweiz
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