Das »Steirereck« im Wiener Stadtpark ist das wohl beste Gourmetrestaurant Österreichs. Zeitgemäße österreichische Küche, von Meisterhand interpretiert.

Das »Steirereck« im Wiener Stadtpark ist das wohl beste Gourmetrestaurant Österreichs. Zeitgemäße österreichische Küche, von Meisterhand interpretiert.
© Steirereck

Das sind die lässigsten Luxus-Restaurants in Wien

Wie es sich für eine moderne Metropole gehört, ist die kulinarische Seite Wiens inzwischen erfreulich bunt und vielfältig. Das gilt auch für die Luxusklasse: Das Spektrum reicht hier von bewährten Fixsternen am Gastro-Himmel über jungen Style bis zu internationalen Top-Küchen.

Anfang des Jahres ging ein Raunen durch die interna­tionale Kulinarikwelt, und nicht wenige Gourmets rund um den Globus dürften mehr als nur eine Träne verdrückt haben: René Redzepi, Mastermind hinter dem »Noma« und (Mit-)Begründer der viel gelobten neuen Nordic Cuisine, gab das anstehende Ende des legendären Gourmettempels bekannt. Wenn sogar die hoch dekorierte Lokalität in Kopenhagen schließen muss, so der Tenor, dürfte es schlecht um die Spitzengastronomie stehen. Doch nicht nur ist damit dem Einfallsreichtum Redzepis keine Rechnung getragen – denn der will das »Noma« auch nach seiner letzten Saison im Winter 2023/24 als Testküche und Versuchslabor fortführen und dort weiterhin an der Neuerfindung des Prinzips Kochen tüfteln. Außerdem muss man nach dem Beweis, dass die Sterneküche trotz aller Hürden quicklebendig ist, nirgendwo lange suchen – auch in Wien nicht.

Was die Schließung des mehrfach zum besten Restaurant der Welt erklärten Eta­blissements aber zweifellos zeigt: Die Luft am Gipfel des guten Geschmacks ist nicht nur dünn, sondern auch in ständiger Bewegung. Wer es nach ganz oben schafft und diese Position auch längerfristig verteidigen will, braucht deshalb neben dem nötigen Know-how vor allem die richtige Dosis Flexibilität, Kreativität und Mut. 

Kopf-an-Kopf-Rennen

Ausgiebig von der Richtigkeit dieser Formel überzeugen kann man sich in der Bundeshauptstadt an gleich mehreren Adressen: Immerhin 16 Michelin-Sterne verteilen sich derzeit auf zehn Restaurants – und die sich wiederum in der ganzen Stadt.

Den langjährigen Spitzenreiter findet man etwa nicht in erster Innenstadtlage, sondern draußen im 19. Bezirk. Nahe der nördlichen Stadtgrenze hat vor einigen Jahren Juan Amador Quartier bezogen; mit dem Wechsel von Wirtshaus und Greißlerei zum nach ihm benannten Fine-Dining-Restaurant gelang dann auch der Sprung nach ganz vorne. Im Gewölbekeller trägt der Hausherr seither auf, was die Welt an Luxusprodukten zu bieten hat, und bedient sich dabei genauso der molekularen Trickkiste wie auch des klassischen Lehrbuchs. Dass die höchste Kulinarik-Auszeichnung des Landes damals aber nicht – wie allseits erwartet – an eine andere Adresse ging, ist bis heute Streitpunkt unter Auskennern, denn in der Gunst der anspruchsvollen Gourmets liefert sich der deutsch-spanische Ausnahmekoch nun schon seit einiger Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit einer echten Wiener Institution.

Zweifellos gewinnt das »Steirereck« im Stadtpark, wenn es um zentrale Lage und (öffentliche) Erreichbarkeit geht, alles andere ist Geschmackssache. Und das ist gut so, Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft. So oder so firmiert das Lokal von Birgit und Heinz Reitbauer aber freilich nicht umsonst seit Jahren als DAS Aushängeschild der österreichischen Top-Gastronomie. Denn man muss tatsächlich alles lieben am »Steirereck«: der Service aufmerksam, zugewandt und immer mit der richtigen Mischung aus Anwesenheit und Zurückhaltung, die moderne Architektur mit ihren Nischen gleichsam großzügig und privat, und die Küche einfach nur famos, nicht nur des Fokus auf regionale Produkte von höchster Qualität und teils minimaler Bekanntheit wegen. Spielereien wie Käse- und Brotwagen mit ihrer schwindelerregenden Auswahl sind dann nur noch das Tüpfelchen auf dem Perfektions-i. 

Lässiger Luxus

Andernorts in der Stadt zeigt man unterdessen, dass luxuriöse Kulinarik auch in hemdsärmeligerem Ambiente funktioniert. Ein besonders eindrucksvoller Beweis dafür findet sich ausgerechnet in einem unscheinbaren Eckhaus im ehemaligen Wiener Arbeiterbezirk Brigittenau. Dort lebt man im »Mraz & Sohn« nun schon seit mehreren Jahren eine ungebrochen hinreißende Kombination aus Fine Dining und entspannter Gelassenheit. Eine perfekte Symbiose, zumindest dann, wenn man beides auf derart hohem Niveau beherrscht. Betritt man das im vergangenen Jahr stylish aufgehippte Lokal, steht man quasi mitten in der Küche und wird hernach von der wohltuend amikalen Lässigkeit des Service durch den Abend begleitet. Mit Manuel Mraz ist einer der Söhne – und Hauptverantwortlicher für die ungezwungen coole Atmosphäre – zwar im Frühjahr zu neuen Ufern aufgebrochen, in der Küche sind aber gottlob nach wie vor Markus und Lukas Mraz am Ruder, pfeifen genauso auf Konventionen wie auf Erwartungen – und überzeugen trotzdem und gerade deswegen auf ganzer Linie.

Seelenverwandt in puncto Style und ­Niederschwelligkeit, die auf hohe Kochkunst treffen, ist da nur das »aend«. Zwar merkt man dem Deutschen Fabian Günzel seine kulinarische Sozialisation in der klassisch französischen Schule mitunter auf subtile Weise an, geschmackliche Urteile wie Avantgarde und Purismus sind aber – im besten Sinn – ebenfalls durchaus treffend. Beide Schlagworte gelten auch für die Weinauswahl, Günzel kommt ja nicht von irgendwo: Einst stand er als Sous-Chef in Silvio Nickols Gourmetrestaurant im Palais Coburg am Herd, das wiederum unter anderem für seinen genauso sagenhaften wie -umwobenen Weinkeller berüchtigt ist. An die 5.000 Positionen finden sich im Weinbuch des elegant-herrschaftlichen Hauses, aus der Küche kommen merklich durchdachte Kreationen, denen in Qualität und Umsetzung schwer das Wasser zu reichen ist, und die, genau wie die Weine, in durch und durch internationalen Gefilden zu Hause sind.

Einmal um die Welt

So viel Freiheit das mitunter weit gefasste Schlagwort »internationale Küche« auch birgt, das Festlegen auf eine dezidierte Marschrichtung der Küche hat seinerseits Vorteile. Soll heißen: Auch im kulinarischen Luxussegment will man manchmal schon vorher wissen, was auf einen zukommt – zumindest theoretisch. Denn wie weit Vorstellung und Realität oft auseinanderliegen, zeigt Paul Ivić seit über einem Jahrzehnt in seinem »Tian«. Immer noch muss man als Herr über eine vegetarische Küche gewissen Ressentiments begegnen, die aus der »Schmeckt das dann überhaupt?«-Ecke kommen. Doch nicht umsonst zählt das »Tian« zu einer erlesenen Handvoll Restaurants, die trotz des völligen Verzichts auf Fleisch und Fisch auch unter den erfahrensten Feinschmeckern reüssieren können – und zwar weltweit. Gäste verstehen schon nach dem ersten Gang, warum das so ist, und wünschen sich mitunter sehnsuchtsvoll, dass auch eine fleischhaltige Küche mit ähnlich großer Dichte und Komplexität daherkäme. Auf den Tisch kommt, was Saison hat, und ob Frühlingsklassiker wie Bärlauch und Spargel, Feines aus Sommerwald und -wiese oder die erdigen Noten der winterlichen Gemüsesorten – wer hier am Ende wirklich tierisches Protein vermisst, dem ist kaum mehr zu helfen.  

Freunde der asiatischen Kochkunst dagegen pilgern nur wenige Straßen weiter, und eine merklich internationale Gästeschar tut es ihnen mit Vorliebe nach. Ihr Ziel liegt im Herzen des 1. Bezirks: Mit seinem »Shiki« zeigt der gebürtige Tokioter Musiker Joji Hattori, dass sein Heimatland noch viel mehr kann als Sushi – auch wenn das, im schicken Innenstadtlokal an der Sushibar à la minute zubereitet, ebenfalls von ehrfurchtgebietend guter Qualität ist. Das zweite Steckenpferd hier heißt Japanese Fine Dining und ist eine irgendwo zwischen Japan und Österreich angesiedelte Fusionsküche von allerhöchster Güte, die von den beiden (österreichischen) Küchenchefs mit hinreißender Leichtigkeit umgesetzt wird. Die Weinkarte kann sich zwar ebenfalls sehen lassen, zu den komplexen Aromen des Menüs – oder der feurigen Schärfe von echtem Wasabi – ist aber auch Sake ein hervorragender Begleiter, und den gibt es in großer Vielfalt und auf Wunsch auch in Kombination mit einigem Fachwissen.

Das »Shiki«.
© BEHF
Das »Shiki«.

Am anderen Ende der Welt ist Italien auch aus kulinarischer Sicht der Österreicher liebster Fluchtpunkt. Dass die Anzahl der wirklich guten italienischen Restaurants in der Stadt trotzdem überschaubar ist, ist ein Mysterium für sich. Denn wie es geht, zeigt das »Fabios«. Zwar kann man unken, dass viele Gäste nicht in erster Linie der feinen italienischen Küche wegen kommen, sondern um sich unter das Who’s who der anwesenden Seitenblicke-Gesellschaft zu mischen, doch damit tut man Fabio Giacobellos jüngst noch fescher gestaltetem Lokal unrecht. Denn Küchenchef Christoph Brunnhuber kredenzt sowohl Klassisches wie Innovatives, wendet sich dabei gern mit Leichtigkeit der Moderne zu und vergisst dennoch die mediterrane Basis nie. Und bildet so, gemeinsam mit seinen über Wien verstreuten Kollegen, eine illustre Truppe kreativer Köpfe, die ihre Gäste mit leichter Hand dorthin begleiten, wo es am besten schmeckt. Ganz oben nämlich.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Erschienen in
Falstaff Wien Special

Zum Magazin

Caroline Metzger
Mehr zum Thema