Saarburg in Rheinland-Pfalz

Saarburg in Rheinland-Pfalz
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Flutkatastrophe im Südwesten: »Der eigentliche Kampf gegen das Hochwasser beginnt jetzt«

Das Hochwasser am Pfingstwochenende raubte Gastronomen eines ihrer umsatzstärksten Wochenenden und verursachte in vielen Betrieben schwere Sachschäden. Falstaff hat mit drei von ihnen gesprochen. Hier berichten sie von ihren Erfahrungen.

Knapp eine Woche nach den verheerenden Hochwassern im Saarland und Rheinland-Pfalz entspannt sich die Situation allmählich. In der Nacht von Freitag auf Samstag führten massive Regenfälle im Südwesten zu Überflutungen, Erdrutschen und beträchtlichen Schäden. Hunderte Bewohner mussten teilweise mit Booten aus ihren überfluteten Häusern evakuiert werden.

Trotz der enormen Regenmengen – einige Gebiete verzeichneten über hundert Liter Niederschlag pro Quadratmeter innerhalb weniger als 24 Stunden – blieb die Zahl der Verletzten und Toten glücklicherweise gering.

Genaues Ausmaß noch unklar

Die Aufräumarbeiten in den betroffenen Gebieten des Saarlands und Rheinland-Pfalz dauern derweil an. Das genaue Ausmaß der durch Dauerregen und Unwetter verursachten Schäden ist noch unklar. Laut dem Gesamtverband der Versicherer (GDV) in Berlin müsse das Wasser zunächst vollständig abgeflossen sein, bevor die Schäden überhaupt begutachtet werden könnten.

Auch zahlreiche Gastronomiebetriebe und Weingüter sind von der Flut betroffen. Besonders hart traf es die Stadt Ottweiler im saarländischen Landkreis Neunkirchen, wo sowohl Dämme als auch mobile Deichsysteme und Sandsäcke nachgaben, und die gesamte historische Altstadt überflutet wurde. Glück im Unglück hatte Luciano Di Bartolomeo, Inhaber des Eiscafés »La Passione del Gelato« (im Falstaff Voting zu einem der besten drei Eisdielen im Saarland gewählt). Sein Retter waren fünf Treppenstufen.

Eiscafé La Passiona de Gelato, Ottweiler, Landkreis Neunkirchen

»Der Schock war enorm, doch wir hatten Glück. Unser Keller, in dem unsere Kühlaggregate und die Maschinen und Motore für unsere Kühlungen stehen, war komplett überflutet, aber das Wasser drang nicht ins Eiscafé selbst ein. Normalerweise verfluche ich die fünf Treppenstufen zum Café, aber dieses Mal war ich froh, dass sie da waren. Als das Wasser aus den Kanälen austrat, reagierten wir schnell am Freitagmittag: Wir schalteten den Strom ab, besorgten Stromaggregate, um unsere Gefrierschränke – voll mit Eis für das Pfingstwochenende – am Laufen zu halten. Die ganze Nacht verbrachten wir im Laden, um die ständig ausfallenden Aggregate wieder einzuschalten.

 

Der Betriebsausfall und der Umsatzverlust setzen uns zu, aber andere hat es schlimmer getroffen. Es gibt keine größeren Schäden, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen, obwohl wir nicht elementar versichert sind. Ottweiler erhielt unglaubliche Unterstützung, das war der Wahnsinn – und gleichzeitig schön mit anzusehen in diesem Drama. Fremde Menschen, aber auch Kunden halfen, wo sie konnten. Am Pfingstmontag öffneten wir wieder, eine schwere Entscheidung angesichts des Ausnahmezustands, aber wir wurden zum Treffpunkt für Helfer, servierten Kaffee und Kuchen und erlebten eine beeindruckende Solidarität.«

Am Samstag um 15:30 Uhr erreichte die Saar ihren Höchststand von 9,15 Metern, sechs Meter über dem Normalpegel. Das war und ist nicht nur in der Landeshauptstadt zu spüren, wo die Stadtautobahn A620 zwar regelmäßig bei Hochwasser gesperrt werden muss, jedoch üblicherweise schnell wieder freigegeben wird. Auch am Donnerstag bleibt sie bis auf Weiteres unpassierbar. Ähnliche Probleme zeigen sich in Mettlach im saarländischen Landkreis Merzig-Wadern. Dort wurde die Straße am zentralen Kreisverkehr unterspült und so stark beschädigt, dass laut Bürgermeister Daniel Kiefer (SPD) eine langfristige Sperrung bevorsteht. Diese Maßnahme betrifft insbesondere Anke Schorn, Geschäftsführerin und Inhaberin der »Erlebnisbrauerei Mettlacher Abtei-Bräu«. Ihr Biergarten und das angrenzende Restaurant sind beliebte Ziele für Wanderer, Radfahrer und Motorradfahrer sowie Ausflügler. Dass diese durch die Sperrung nun ausbleiben könnten, ist Schorns größte Sorge. Am Donnerstagabend weiß sie mehr.

Mettlacher Abtei-Bräu, Mettlach, Landkreis Merzig-Wadern

»Wir öffnen am Donnerstag wieder, nicht nur, weil wir alle dafür gekämpft haben, dass wir mit einem blauen Auge davongekommen sind, sondern weil wir öffnen müssen. Der Mai ist der umsatzstärkste Monat für uns Gastronomen. Gerade das Pfingstwochenende ist eines, wenn nicht sogar das wichtigste Wochenende im ganzen Jahr – und wir haben es verloren. Besonders hart trifft es uns, da wir erst kürzlich einen Wasserschaden in unserer Küche beheben mussten, der bereits hohe finanzielle Verluste verursachte, trotz Versicherungsschutz. Daher sind die kommenden Wochen von entscheidender Bedeutung für unser Geschäft. Das Hochwasser hat einen Krater vor unserer Brauerei hinterlassen und in der Gemeinde Mettlach zu starken Einschränkungen geführt. Der Kreisverkehr an der Saar wurde komplett unterspült und gesperrt. Das wird wohl auch in den kommenden Wochen so bleiben. Durch die Umleitung befürchten wir weniger Gäste. Ob sie überhaupt zu uns finden oder bereit sind zu kommen werden wir am Donnerstag sehen. Damit beginnt der eigentliche Kampf gegen das Hochwasser.«

Foto via Facebook/Mettlacher Abtei Bräu GmbH

Rund 30km weiter nördlich ist man sich sicher, dass die diesjährigen Wassermassen die Jahrhundertflut von 1993 übertroffen haben. Im Rheinland-Pfälzischen Landkreis Trier-Saarburg gingen dabei vor allem die Bilder und Videos aus Saarburg viral. Hier mündet die Leuk durch einen spektakulären 20 Meter hohen Wasserfall in die Saar. Normalerweise hat sie eine Höhe von rund 30 Zentimetern, am Freitagabend erreichte sie ihren Höchstwert von 2,65 Metern und verwandelte sich in einen braunen reißenden Strom. Zu spüren war das Saar-aufwärts auch auf dem Weingut von Othegraven, das im Besitz von Moderator Günther Jauch ist. Auf dem Instagram-Account des Weinguts sieht man Jauch persönlich in Gummistiefeln Schlamm schaufeln.

Weingut von Othegraven, Kanzem, Landkreis Trier-Saarburg

»Dieses Hochwasser war das schwerste, das unser Weingut je erlebt hat. Der Pegelstand übertraf sogar die sogenannte Jahrhundertflut von 1993. Trotz der enormen Anstrengungen der Feuerwehr, die am Freitag noch mit zahlreichen Sandsäcken versuchte, das Weingut zu schützen, trat die Saar ebenso rasant wie massiv über die Ufer. Wir mussten versuchen, so viel Mobiliar, Geräte und Weinvorräte wie möglich in höhere Lagen zu bringen, was uns teilweise gelungen ist. Dennoch sind einige Keller übergelaufen, und unser Veranstaltungshaus im Park stand bis zur Türklinke unter Wasser. Zäune wurden mitgerissen, und ein Großteil der Einrichtung ist nicht mehr nutzbar. Nach dem Rückzug des Wassers ist nun der mehrere Zentimeter dicke Schlamm, ein großes Problem. Er liegt sowohl im Park, der ein eingetragenes Gartendenkmal ist, als auch im Haus. Eine solche Situation haben wir noch nie erlebt. Die Unterstützung der Feuerwehren aus Kanzem und Wawern war enorm. Auch viele Menschen aus der Region haben uns spontan geholfen. Besonders dankbar sind wir jedoch unseren Mitarbeitern, die trotz der Feiertage sofort zur Stelle waren.«


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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