Ahr: Schäden auch für Gastgewerbe immens

Mancherorts hat das Hochwasser fast alle Hotels und Gaststätten zerstört, an Tourismus ist nicht zu denken. Sternekoch Hans Stefan Steinheuer sagt dennoch: »Die Region ist nicht tot«

Nicht nur für die Weinbauern hat das Hochwasser an der Ahr verheerende Folgen, auch das Gastgewerbe im Ahrtal steht vor dem Nichts. »In Bad Neuenahr-Ahrweiler sind fast alle Gaststätten und Hotels verloren«, sagt Gereon Haumann, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Rheinland-Pfalz, gegenüber Falstaff. »Die Infrastruktur ist komplett zerstört.«

Eine Vielzahl gravierender Probleme kommt laut Haumann hinzu: Getrockneter Schlamm in der Kanalisation mache die Abwasserbeseitigung unbenutzbar, zudem funktionieren die Kläranlagen der Region nicht mehr, weshalb Fäkalien und Abwässer ungehindert in die Ahr fließen. Telefonverbindungen fallen immer wieder aus. Und auch die zerstörten Gasleitungen sind laut Haumann frühestens Ende Oktober wieder verfügbar – so lange müsse die Region ohne Heizung und Warmwasser auskommen. »Es ist eine desaströse, katastrophale Lage, die für Deutschland sicherlich nicht vorstellbar war«, sagt der Dehoga-Präsident.

Eigenkapital ist nach Corona aufgebraucht

Neben dem am schwersten betroffenem Ahrtal verursachte das Hochwasser Haumann zufolge in drei weiteren Landkreisen in Rheinland-Pfalz Schäden: in Bernkastel-Wittlich, Trier-Saarburg und Bitburg-Prüm. Für alle Orte liefen Hilfsaktionen, betont er. »Wir sind dankbar für die riesige Hilfsbereitschaft. Von überall her kommt Unterstützung, von Bayern bis Niedersachsen.« Sachspenden habe man mittlerweile genug, am wichtigsten sei Geld für den Wiederaufbau

Etliche Gastronomen haben nach Monaten coronabedingter Zwangsschließung das Eigenkapital aufgebraucht. An Tourismus, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region, ist für längere Zeit fast nirgendwo zu denken.

»Man muss ein Zeichen setzen«

Eine der wenigen Ausnahmen des großen Leids findet man in Heppingen, wo Patron Hans Stefan Steinheuer mit seiner Familie das Zwei-Sterne-Restaurant »Zur Alten Post« betreibt. Steinheuer ist mit seiner Gastronomie praktisch nicht betroffen, selbst den berühmten Weinkeller konnte er retten.

»Der Herd funktioniert, weil wir mit Induktion und nicht mit Gas kochen«, sagt Steinheuer. Momentan kommt aus der Küche noch Essen für Einwohner und Helfer, mehrere hundert Teller schicken Steinheuer und sein Team, »wir kochen frisch, ohne Dosen«. Immer wieder packen Kollegen mit an, auch der Sternekoch Harald Rüssel vom »Landhaus Rüssel« nahe der Mosel half mit.

Doch Steinheuer hat mehr vor. Nach Gesprächen mit Winzern und Kollegen der Region hat er sich für eine schnelle Öffnung entschieden. Am 5. August soll zunächst das Zweitlokal »Landgasthof Poststuben« wieder öffnen, eine Woche später das Sternelokal. »Man muss ein Zeichen setzen«, sagt Steinheuer, »die Region ist nicht tot«. Betroffenen Winzern hat er schon eingeladen, Verkostungen bei ihm abzuhalten. »Man muss die Menschen unterstützen, die jetzt eine Perspektive haben.« Das kleine, zum Betrieb gehörige Hotel wird allerdings noch auf absehbare Zeit geschlossen bleiben, auch hier sind Heizung und Warmwasser aufgrund gesperrter Gasleitungen nicht funktionsfähig.

Derweil stellen Hotels aus benachbarten Orten für Betroffene, die ihr Obdach verloren haben, kostenlos Unterkunft und Essen, Shuttlebusse pendeln zwischen Bad Neuenahr-Ahrweiler und Koblenz. »Es tut gut, wenn man sich am Abend wenigstens warm duschen kann und dann in ein Bett legt«, sagte Dehoga-Präsident Haumann. Tagsüber laufen die Aufräumaktionen, unterstützt von ehrenamtlichen Helfern. Es ist zu wünschen, dass die Solidarität weiter anhält.

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Philipp Elsbrock
Philipp Elsbrock
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