Der 40-jährige Daniel Brühl blickt bereits auf eine Reihe grosser Filme zurück – und es werden noch viele weitere folgen.

Der 40-jährige Daniel Brühl blickt bereits auf eine Reihe grosser Filme zurück – und es werden noch viele weitere folgen.
© Joachim Gern

Daniel Brühl: «Ich takte meinen Tag nach Restaurants»

Daniel Brühl ist ein international anerkannter, guter Schauspieler. Entsprechend gefragt, hat er wenig Zeit und weiss gut damit umzugehen.

Spätestens seit dem Film «Rush – Alles für den Sieg» ist Daniel Brühl hierzulande ein Begriff. Viele, die Niki Lauda seit seiner Jugend kennen, sagten damals: «Besser hätte man die Rolle nicht angehen können.» Und so ist es: Brühl mimte Lauda damals nicht, er war Lauda. Aber auch in Quentin Tarantinos «Inglourious Basterds» brillierte der Sohn des deutschen TV-Regisseurs Hanno Brühl und der spanischen Lehrerin Marisa González Domingo.
International bekannt wurde Brühl im Jahr 2003 mit dem Kinofilm «Good Bye, Lenin!». Davor war seine markante und sympathische Stimme in Hörspielen und Synchronisationen zu hören. Sehen konnte man ihn in Fernsehfilmproduktionen und im Jahr 1999 – im Film «Schlaraffenland» – erstmals auf der Leinwand. Seine aktuell letzte grosse Filmproduktion ist «7 Tage in Entebbe». Der Film kam im Mai in unsere Kinos. Dabei ist die Schauspielerei nur ein Standbein. In Berlin-Kreuzberg ist Brühl Co-Betreiber der Szenebar «Raval». Eine Tapasbar, die die Vielfalt der spanischen Küche zelebriert, aber klar auf Tapas spezialisiert ist. Die Bar spiegelt seinen persönlichen Lebensstil wider: Sie ist betont lässig, die Atmosphäre entspannt, das Essen ausgezeichnet und die Weinkarte opulent.

Falstaff: Wie haben Sie den diesjährigen Jahrhundertsommer verbracht?

Daniel Brühl: Ich habe mir seit Langem wieder einmal eine Auszeit gegönnt, habe mich für einen Urlaub entschieden zu einer Zeit, in der normalerweise die Filme gedreht werden. Ich wollte einmal Zeit für uns haben, Zeit für meinen kleinen Sohn und tagtäglich sehen und erleben, wie er sich verändert und heranwächst. Ich muss gestehen, es hat mir richtig gutgetan!

Sie haben gerade die Netflix-Serie «The Alienist» gedreht; diese spielt im späten 19. Jahrhundert. Versetzt man sich da gedanklich intensiv in jene Zeit?
Das tut man, allerdings! Ich habe gerade sieben Monate im Jahr 1896 verbracht. Wir haben uns am Set nachhaltig mit dieser Epoche beschäftigt. Viele der Dinge, auf die wir heute zugreifen können, gab es damals gar nicht. Schnell mal etwas googeln? Wohl eher nicht! Da muss man schon die den Szenen gebührende Authentizität und Langsamkeit aufbringen. Aus Erfahrung weiss ich, dass es hilft, zu solchen Anlässen das richtige Buch zu lesen.
Da bekommt doch die Zeit plötzlich wieder eine ganz andere Bedeutung.
Wir sind heute in allem, was wir tun, sehr viel schneller als damals – und dies nicht immer nur zu unserem Vorteil. Man sollte der Jugend in der Tat wieder etwas von dieser Langsamkeit und Neugierde vermitteln, ihr erklären, dass Zeit kostbar ist und man sie nicht mit Oberflächlichkeit totschlagen sollte. Sich die Zeit nehmen, etwas konzen­triert und fokussiert zu machen, das kann die neue Generation immer weniger. Sie kann sich nicht mehr mit einer Sache alleine auseinandersetzten, ständig kommt neuer Input, ständig ist sie von etwas anderem abgelenkt.

© Johann Sauty

Leben Sie das selber?
Ich versuche es! Zum Beispiel ein Buch in die Hand zu nehmen und mich dann durch nichts mehr ablenken zu lassen. Das Smartphone ist dann im Flugmodus. Das ist auch wichtig, damit man am Filmset, bei manchmal sehr langen Wartezeiten, konzentriert und reaktiv bleibt. 

Wie muss man sich das vorstellen?
Am Filmset ist das Zeitmanagement extrem, jeder Schauspieler wird das bestätigen. Die Zeit, die man während technischer Umbauten – Kulisse, Licht und Technik – in seinem Wohnmobil oder miteinander mit Warten verbringt, ist mitunter enorm. Und dann muss alles unglaublich schnell gehen, man muss sofort konzentriert arbeiten. Wichtig ist daher, dass man sich seine Energie gut einteilt und dann auf Abruf seine Rolle perfekt spielen kann – und das nicht nur einmal, denn oft werden Szenen x-fach gedreht, aus verschiedenen Winkeln, mit unterschiedlichem Licht und so weiter. Da kommt es darauf an, dass du jedes Mal so vor die Kamera trittst, als wäre es das erste Mal: voll motiviert und frisch.

Wie hat man Ihnen das Thema Zeit vermittelt, als Sie jung waren?
Mein Vater vermittelte mir das Thema in einer derart spannenden Art und Weise, dass ich plötzlich ein Faible für Taschen­uhren hatte. Mit zwölf bekam ich dann eine geschenkt, da waren auch meine Initialen eingraviert, und ich trug sie stolz in der Schule. Sehr zur Verwunderung meiner Klassenkameraden damals. Das hat mich ge­prägt und inspiriert, so hüte ich die Omega Seamaster meines Vaters wie meinen Augapfel. Die Uhrenmanufaktur Jaeger-LeCoultre im Vallée de Joux im Schweizer Jura hat mir einen sehr tiefen Einblick in ihre Uhrenfertigung ermöglicht. In einem Uhrmacherkurs durfte ich Armbanduhren auseinandernehmen und an­schliessend wieder zusammenbauen, das war schon ungemein faszinierend. Einerseits sind mechanische Uhren anachronistisch, andererseits werden Werte für die Ewigkeit geschaffen. Bleibende Werte, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden können. Ich bezweifle, dass irgendeine dieser Digitaluhren oder Smartwatches in ein paar Jahren noch funktionieren wird.

Sammeln Sie heute schon ein wenig für Ihren Sohn?
Ja, ich möchte ihm diese gerade beschrie­benen Werte vermitteln und ihn dafür begeistern. Später, so hoffe ich, soll er einmal meine Armbanduhren tragen und sie behüten wie seinen Augapfel.  

Oldtimer haben es Ihnen ja auch angetan?
Stimmt, eine Alfa Romeo Giulia von 1970 und ein Peugeot 304 von 1966, zwei alte Gurken, die ständig leiden, speziell hier in Berlin. Es macht einfach ungemein Spass, Auto zu fahren wie damals. Das ist Fahr­erlebnis pur: keine Servolenkung, eine Handschaltung und keinerlei elektronische Helferlein.

Ihre Szene-Tapasbar «Raval» ist ja mächtig angesagt, wie man hört. Was ist das Geheimnis des Erfolges?
Ich wollte einen Ort schaffen, wo sich Leute treffen und eine gute Zeit miteinander verbringen. Seit acht Jahren vermittle ich mit meiner Bar spanische Esskultur und Lebensfreude. Spanien ist de facto nicht nur Paella und Sangria. In meiner Belegschaft sind grossteils Spanier, auch der Koch, da kommt schon ein gutes Gefühl für meine zweite Heimat auf. Auch für mich persönlich kam es bereits zu unglaublichen Begegnungen mit sympathischen Menschen und Schauspielerkollegen, die ich im Rahmen der Berliner Filmfestspiele zu mir eingeladen hatte. Der besondere Schatz der Bar ist ein Buch, in dem sich meine Gäste verewigen und von den besonderen Momenten in der «Bar Raval» erzählen.

Es ist bekannt, dass Sie gerne gut essen und sich entsprechend dafür Zeit nehmen. Haben Sie als Feinschmecker ein paar Tipps für unsere Leser?
Fürs Essen habe ich eine richtige Obsession, es ist Teil des kulturellen Erlebnisses für mich. Ich recherchiere dann lang und muss immer lokalspezifische Dinge gekostet haben, die es vor Ort gibt. Die Bandbreite reicht vom Streetfood bis hin zum Drei-Sterne-Restaurant. Ich bin todunglücklich, wenn ich das nicht schaffe. Ich takte sogar meinen Tag dahingehend. Drei Empfehlungen, die mir spontan einfallen: In Barcelona muss man im Tapas-Restaurant «La Pepita» gegessen haben. Im Baskenland, in San Sebastián, empfehle ich das «Arzak». Und wenn man schon in der Gegend ist, dann weiter nach Girona in Katalonien ins «El Celler de Can Roca».

Haben Sie einen Rückzugsort, wenn Sie einmal für sich sein wollen?
In Berlin in unserer Wohnung ist das die Sauna. Die zwei-, dreimal 15 bis 20 Minuten sind ausreichend, dass ich reflektieren, ein wenig abschalten kann. Wenn es ein wenig mehr sein soll, dann ziehe ich mich nach Spanien zurück. Es ist der Ort, in dem ich aufgewachsen bin, zwei Stunden südwestlich von Barcelona, in Katalonien, im Weinanbaugebiet Priorat. Da ist die Zeit manchmal angenehm bleiern und man orientiert sich an der Kirchturmuhr, die immer gemächlich erklingt. Da gibt es für mich auch nichts zu entdecken, das ist ein Wiederbeleben der Kindheit und von Dingen, die man gut kennt. Das Wohltuende ist, dass der Empfang fürs Smartphone nur an ein paar Stellen im Ort möglich ist und es in unserem Haus kein Internet gibt. Nur wenn man es bewusst will, ist man für die Welt erreichbar, sonst bleibt die einfach still. Das ist die totale Entspannung!

Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2018

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