Adria-Feeling. Der Fischer und das Meer. David Skoko in Aktion.

Adria-Feeling. Der Fischer und das Meer. David Skoko in Aktion.
© Igor Popovic

Istrien: Die Adria deckt den Tisch

Liebhaber von Fisch und Meeresfrüchten finden in Istrien garantiert ihr Glück. Nach dem Motto »Klasse statt Masse« setzen qualitätsbewusste Gastronomen auf nachhaltigen Adriafang, und die Zubereitung ist ebenso vielfältig wie kreativ. Ein kulinarischer Streifzug.

Die Stille über der nachtschwarzen Adria, das leise Schlagen der Wellen am Fischkutter, Hunderte, Tausende, später Millionen Luftbläschen im hellen Leuchtkegel der ins Meer gerichteten Flutlichter – eine mystische Stimmung umfängt uns. Nachdem das Echolot einen Sardinenschwarm geortet hat, setzen die Fischer den Anker, werfen sechs 1.000-Watt-Strahler an, um die Fische rund um das Boot zu versammeln, und gehen zunächst einmal schlafen. Stunden später ziehen sie das Ringwadennetz rund um den dicht zusammengedrängten Schwarm zu. Die Lichtfischerei ist eine uralte, fast romantische Fangtechnik, die den Meeresboden im Gegensatz zur Schleppnetzmethode ebenso schont wie den Fang selbst, der so weit­gehend unverletzt und sauber in die Kühlboxen wandert. »Bei uns erkennt jede Hausfrau den Qualitätsunterschied«, erklärt man uns stolz. Und Qualität ist genau das, was wir suchen.

Maritime Vielfalt

Urlaub ohne Fisch am Tisch? Für die meisten Besucher Istriens ein Ding der Unmöglichkeit, werden hier doch 700 Kilometer von einem der saubersten Meere weltweit umspült. Der hohe Salzgehalt, viele Süßwasserquellen, das klare Wasser der Felsenküsten und eine moderate Wassertemperatur bieten Krustentieren, Kopffüßlern sowie zahlreichen Muschel- und Fischarten höchste Lebensqualität. Deutlichstes Zeichen: Zahlreiche Orte werden seit eh und je als Laichplatz genutzt. Ein weiteres Plus der Region ist die Vielfalt an Lokalitäten. Urige Konobas mit offener Feuerstelle, Fischbistros direkt am Hafen, bodenständige Wirtshäuser und Restaurants vom zwanglosen Strandlokal bis zur stylischen High-End-Adresse mit Michelin-Stern können Besucher durchaus vor die Qual der Wahl stellen.

Hinzu kommen schier endlose Zubereitungsmöglichkeiten: roh, mariniert, gegrillt, geschmort, im Risotto, in der Pasta und mit saisonalem Gemüse, mediterranen Kräutern oder frischen Trüffeln aus den nahen Wäldern veredelt. Fakt ist allerdings, dass der Wildfang aus der Adria die hohe Nachfrage niemals bedienen könnte. Beliebte Speisefische wie Wolfsbarsch und Goldbrasse werden deshalb mittlerweile in Mari- oder Aquakulturen gezüchtet, wobei die Halbinsel dank ihrer Wasserqualität auch hier eine Poleposition genießt. Geradezu prädestiniert für die Zucht sind die beiden kilometerweit ins Land hineinreichende Meeresarme Raša an der Ostküste und die Limski-Bucht im Westen Istriens. Hier mischen sich Süß- und Salzwasser zum perfekten Lebensraum, in dem sich auch Miesmuscheln und Austern hervorragend entwickeln. Als Pionier der nachhaltigen Muschelzucht machte sich Emil Sošić im Limski Kanal einen Namen. 2002 hatte der studierte Ökonom im Alter von 24 Jahren eine alte Zucht übernommen und zur modernen Aquakultur ausgebaut. Seitdem beliefert er die Gastronomie in der Saison von Anfang Mai bis September mit erstklassigen Schalentieren. Genauer gesagt, mit Mies- und Kunjakamuscheln, Meerestrüffeln und der europäischen Austerngattung »Ostrea edulis« – einer Diva mit höchsten Ansprüchen an ihr Umfeld und mit einzigartigem Aroma. Emils Angebot, die frischesten Austern direkt vor Ort mit einem Glas Sekt oder Wein anzubieten (Voranmeldung), machte seine Hütte zu einer Pilgerstätte für Feinschmecker, die neben dem exzellenten Geschmack auch die Bekömmlichkeit der Schalenfrüchte schätzen, die durch den geringeren Salzgehalt ihres Umfelds gegeben ist.

Zukunft ohne Güteklassen

»Ich schätze jeden Fisch gleich«, erklärt David Skoko, Küchenchef der Konoba »Batelina« in Banjole und Fischer in vierter Generation. »Barben, Katzenhaie, Sardellen und Pelamiden sind in keinem Fall weniger wert als Scampi, Zahnbrassen, Goldbrassen oder Drachenkopf! Jeder frischen Makrele gebe ich den Vorzug vor gefrorenem Petersfisch aus einem fernen Meer.« 

Die geschmackvolle Veredelung selbst jener Meerestiere, die andere Fischer den Möwen überlassen, machte die Fisch-Konoba von Familie Skoko weit über die Grenzen hinaus berühmt. Was Vater Danilo fischt, zaubert David nahezu ausnahmslos und in ebenso schlichter wie pikanter Weise auf den Tisch, und zwar in einer Feinsinnigkeit, die mit dem rustikalen Ambiente der Konoba spannend kontrastiert. Wer hier gemischte Vorspeisen bestellt, darf sich über einen Tisch voller kleiner Tellerchen mit »Aromen-Spielereien« freuen: Makrelen-Confit, Haileber- oder Congeraal-Paté, sauer eingelegte Sardinen mit Schalotten und Rosinen. Werden die großartigen Tomatenravioli mit Thunfisch angeboten, sollte man keine Sekunde zögern. Dass die Verwertung des Fischfangs neben Genussfreude noch einen weit größeren Nutzen mit sich bringt, ist David Skoko bewusst: »Langfristig ist dies der einzige Weg zum Überleben der Fischer und Meerestiere. Wir brauchen die Artenvielfalt, damit unsere Kinder ihr Meer noch genießen und von ihm leben können.« Damit die Adria mit ihren rund 400 Fischarten und vielen weiteren Meerestieren kein Opfer der Über­fischung wird, gewinnen streng geregelte Fangpausen, sanfte Fischereimethoden und nachhaltige Genussrezepte immer mehr an Bedeutung. 

Wer umweltbewusst genießen will, setzt auf saisonale Sorten (bitte die Kellner befragen), wählt Klasse statt Masse (billig = oft Tiefkühlfisch aus dem Ausland oder aus Massenzucht) und gibt auch Blaufischen wie Sardinen, Sardellen und Makrelen eine Chance. Schließlich ist deren Wert nur ein Trend im Zeichen von Zeit und Raum. In seinem Roman »Die Pickwickier« schrieb Charles Dickens: »Wenn jemand sehr arm ist, dann geht er aus dem Haus und isst Austern in echter Verzweiflung.« Von den Römern hoch geschätzt, galt die Delikatesse im Mittelalter vielerorts als Armeleutekost. Im London des 19. Jahrhunderts protestierten Lehrjungen gegen die ständige Abfütterung mit Lachs, und Krebstiere, darunter auch Hummer, fanden sich in der Geschichte der Gastronomie zeitweise auf den Tischen der Ärmsten oder in den Séparées für Privilegierte. 

Kein Fischerlatein und lokale Adria-Stars

Erfreulich, dass man an Istriens Küsten noch Familien findet, deren Ansporn zur Fischerei sich in einer gewissen Leidenschaft und Heimatliebe begründet. Oft fahren sie im Nebenerwerb mit ihren Booten aus und nehmen gerne auch einmal interessierte Gäste mit. Dass Barben im Juni besonders gut schmecken, Seezungen wiederum im November, haben wir von ihnen ebenso gelernt wie die Regel, Sardinen im Mai einzusalzen und im darauf folgenden September in Gläsern zu konservieren. Auch dass Sardinenfischer bei Vollmond getrost zuhause bleiben können, während bei Viertelmond der meiste Blaufisch im Netz landet, dass Südwind generell reich gefüllte Netze prophezeit und die Bora das Gegenteil bewirkt, wissen sie zu berichten. 

Wie in Aquakulturen wird auch die Qualität des Wildfangs deutlich vom natürlichen Lebensraum beeinflusst. So gelten Seezungen aus einer Bucht bei Novigrad als besonders zart, und das Meer vor dem südlichen Ort Premantura ist für seine Dreieckskrabben bekannt, auch See- oder Meeresspinnen genannt. Experten orten eine vergleichbare Qualität nur noch auf Sizilien und in der Bretagne. Kleiner Tipp: Nicht selten findet sich der köstliche Salat dieser Spezies auf den lokalen Speisekarten ganz banal als »Krebs-« oder »Krabbensalat«. Die Hauptfangsaison erstreckt sich auf die Wintermonate.

Von bodenständig bis Fine Dining

Wie man als Familie von der Adria leben und dabei viele Menschen glücklich machen kann, zeigt uns Familie Bernobić mit ihrer Konoba »Madalu«. Namensgebend für die Fischerhütte in der Bucht Santa Marina zwischen Novigrad und Poreč sind drei Brüder: Mateo, der von Mama Laura die Leitung der Küche übernommen hat, Daniel, der Fischer, der auch serviert, und Betriebsführer Luka. Papa Mauro ist die gute Seele des Hauses, außerdem Weinkenner und ein liebenswerter Seebär. Wegen der Sanierung der Bucht ist die Lokalität vorübergehend ins Zentrum von Tar übersiedelt, wird aber in absehbarer Zeit wieder zurückkehren. Dann lassen sich eingelegte Sardellen, Muschelpfanne oder ein saftiger Branzino aus dem Ofen wieder im absolut authentischen Ambiente schlemmen. Generell sind Gastronomiebetriebe, die ihre Produkte weitgehend oder ausschließlich bei lokalen Fischern beziehen, die besten Adressen für die Fans der maritimen Küche. Etwa das elegante Restaurant »Badi« im Örtchen Lovrečica bei Umag, die gemütliche Konoba »Astarea« in Brtonigla oder das sympathische Restaurant »Peteani« im mittelalterlichen Labin an der Ostküste. Im Fischerstädtchen Novigrad gelten gleich zwei Adressen als Pilgerstätte und haben zudem Feinschmeckergeschichte geschrieben: Die Konobas »Damir & Ornella« und »Čok« waren vor rund 20 Jahren die ersten, die ihren Gästen Adria-Sashimi anboten – fangfrisch, roh mariniert in feinstem Olivenöl, nur mit etwas Pfeffer und bei Bedarf einigen Tropfen Zitrone gewürzt. Damals war dieser Genuss bei Istriens Urlaubsgästen noch unbekannt und den Fischerfamilien am privaten Esstisch vorbehalten. Das neue Angebot löste allerdings in Windeseile einen regelrechten Hype aus und hat heute einen Fixplatz in vielen Qualitätsbetrieben. Aktuell gibt es in den Küchen der Halbinsel auch Ambitionen, die Top-Produkte der Region mit exotischen Länderküchen zu fusionieren. Ein herausragendes Beispiel dafür bietet das japanische Restaurant »Tekka by Lone« in Rovinj. Basierend auf erstklassigen Adria-Produkten entstehen dort im klassisch japanischen Stil feinste Sushi-, Sashimi-, Nigiri-, Wok- und Tempura-Gerichte.

Zurück zu den Wurzeln

Natürlich ist Istriens maritime Vielfalt eine großartige Sache. Nichtsdestotrotz genießen einige traditionell »à la Mama« zubereitete Gerichte die größte Beliebtheit. Etwa Muscheln nach »Buzara-Art« – in einem süchtig machenden Sud aus Olivenöl, Wein, Knoblauch, Semmelbröseln und mediterranen Kräutern. Oder der herrlich sämige Eintopf »Brodet«, in dem mindestens drei Fischarten schwimmen müssen, wobei Meeraal mit seinem süßlichen Bauchspeck nie fehlen sollte. Traditionelle Bestseller sind ebenso Oktopus aus der Tonglocke (Peka), frische Jakobsmuscheln samt ihrem orangefarbenen Corail kurz auf dem Grill gegart, würziges Risotto Nero mit fein geschnittenen Tintenfischstückchen oder ein im Ofen mit Erdäpfeln, etwas Wein und Gemüse geschmorter Seeteufel. Der Himmel.


Kleines Adriafisch-Glossar 

(deutsch: kroatisch / italienisch)

Auster: kamenica / ostrica 

Drachenkopf: škarpena / scorpena 

Garnele: kozica / gamberetto 

Goldbrasse: orada / orata 

Hummer: hlap / astice 

Jakobsmuschel: Jakobova kapica / capasanta 

Knurrhahn: kokot / cappone 

Languste: jastog / aragosta 

Makrele: skuša / sgombro 

Miesmuscheln: dagnje / cozze 

Petersfisch: kovač / pesce sanpietro 

Kleine Pilgermuschel: kanaštrela / canestrelle 

Rochen: raža / razza Rotbarbe: trilja / triglia 

Sardinen: sardine, srdela (Dialekt) / sardine 

Sardellen: inćuni, sardoni (Dialekt) / acciughe 

Scampi, Kaisergranat: škampi / scampi 

Seehecht: oslić, mol / nasello 

Seespinne: rakovica / granseola 

Seeteufel: grdobina / coda di rospo 

Seezunge: list / sogliola 

Steinbutt: iver / rombo 

Thunfisch: tuna / tonno 

Tintenfisch/Calamari: lignja / polpo 

Wolfsbarsch: lubin / brancin

Zahnbrasse: zubatac / dentice


Die besten Adressen

Restaurant Badi
Auf halber Strecke von Umag nach Novigrad liegt das familiengeführte Fischrestaurant »Badi«, Mitglied der »Jeunes Restaurateurs« mit exzellenter Küche und bemerkenswerter Weinkarte.

Umaška ulica 12, Lovrečica, 52470, Umag
T: +385 52 756293, restaurant-badi.com

Damir & Ornella
Frischer, roher Fisch in fast japanisch anmutender Perfektion. Das kleine, gemütliche Lokal der Familie Beletić ist seit vielen Jahren eine fixe Größe in Novigrad. Nur mit Reservierung.

Zidine ul. 5, 52466 Novigrad
T: +385 52 758134, damir-ornela.com 

Madalu
Authentische Fischerküche derzeit in einem Übergangslokal in Tar, bis das neue Restaurant am bekannten Platz in der Marina Santa Marina fertiggestellt ist. Wegen möglichem Ortswechsel unbedingt vorab reservieren. 

Ulica Istarska 58, 52465 Tar-Vabriga
T: +385 95 8546708 

Tony's Oyster Shack
Auf dem Weg nach Pula: Frisch aus dem Limski-Fjord holt Emil Šošić seine Austern und Miesmuscheln, aber auch Arche-Noah- und Venusmuscheln. Verkostung vor Ort an Stehtischen. Nur mit Voranmeldung.

Limski kanal, 52352 Kanfanar
T: +385 98 414512, +385 98 414512, tourist.hr

Tunaholic Fish Bar
Originelles Bistro in der Altstadt mit Burger, Fish & Chips etc. in bester Qualität. 

Sv. Eleuterija 6, 52440 Poreč
tunaholicfishbar.com 

Konoba Batelina
Familiäre Fischtrattoria mit Kultstatus, auf die Teller kommt der Fang des Tages, originelle Vorspeisenvariationen. Voranmeldung notwendig. Nur Barbezahlung.

Čimulje 25, 52100 Pula/Banjole
T: +385 52 573767 

Peteani
Ambitioniertes Fischrestaurant im netten Designhotel nahe der Altstadt von Labin. Moderate Preise.

Aldo Negri 9, 52220 Labin
T: +385 52 863404, hotel-peteani.hr

Erschienen in
Istrien Special 01/2023

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Karin Hauenstein-Schnurrer
Autor
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