© Shutterstock

Land der Jäger: Warum die Jagd in Österreich eine so große Rolle spielt

Die Österreicher stehen der Jagd grundsätzlich positiv gegenüber. Die Aufgaben der Jäger werden zugleich immer komplexer. Nicht nur menschliches Fehlverhalten bringt das Wild unter Druck. Auch große Beutegreifer wie der Wolf werden zunehmend zum Problem.

Einst diente sie den Menschen als zentrale Lebensgrundlage, später entdeckte sie der Adel als durchaus elitäres Freizeitvergnügen für sich – heute trägt sie einen entscheidenden Teil zu einem funktionierenden ökologischen Gleichgewicht bei: Die Jagd ist so alt wie die Menschheitsgeschichte selbst, doch selten war sie so umstritten wie heute. Zumindest, wenn man der veröffentlichten Meinung Glauben schenken mag.

Dabei wird die Tätigkeit des Jägers immer wichtiger – und zugleich immer komplexer. Die Regulierung des Wildbestands als zentrale Aufgabe wird durch viele Faktoren erschwert, nicht zuletzt durch den Klimawandel, die zunehmende Verbauung und andere menschliche Einflüsse. Und spätestens, wenn über Wolfsabschüsse diskutiert wird, kochen die Emotionen hoch.

Insgesamt stehen die Österreicher der Jagd deutlich positiver gegenüber, als man auf den ersten Blick vermuten möchte: Der Dachverband »Jagd Österreich« und der europäische Jagdverband FACE haben in einer breit angelegten Umfrage die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber der Jagd abgefragt – und Zustimmungsraten von jenseits der 80 Prozent in Österreich erhoben. Im europäischen Vergleich sind das Spitzenwerte, nur in skandinavischen Ländern liegt die Zustimmung noch etwas höher.

»Österreich ist immer noch ein Land der Jäger«, sagt Jörg Binder, Generalsekretär von »Jagd Österreich«. Rund 132.000 Menschen besitzen derzeit eine Jagdkarte. Und die Zahl bleibt konstant hoch: »Seit Ökologie und Nachhaltigkeit für immer mehr Menschen an Bedeutung gewinnen, ist auch das Interesse an der Jagd wieder gestiegen«, sagt Binder. Andere wiederum fasziniert das »Handwerk«, das hinter der jagdlichen Tätigkeit steckt.

Jörg Binder, Generalsekretär von »Jagd Österreich«, kämpft gegen Vorurteile: »Dass wir einfach abdrücken, wenn uns etwas vor die Flinte läuft, ist ein Mythos.«
Foto beigestellt.
Jörg Binder, Generalsekretär von »Jagd Österreich«, kämpft gegen Vorurteile: »Dass wir einfach abdrücken, wenn uns etwas vor die Flinte läuft, ist ein Mythos.«

Profundes Wissen

Der gute Jäger, der benötigt profundes Wissen: »Dass wir einfach abdrücken, wenn uns etwas vor die Flinte läuft, ist ein Mythos«, sagt Binder. Ein »bloßes Hobby« sei die Jagd schon gar nicht, unterstreicht Lutz Molter, Generalsekretär-Stellvertreter. Vielmehr sei sie mit über zehn Millionen ehrenamtlich geleisteten Stunden jährlich ein ausgeprägtes Ehrenamt für den Natur- und Artenschutz. Jagd ist aber auch ein Wirtschaftsfaktor, der jährlich mehr als 700 Millionen Euro an Wertschöpfung generiert. „Die Jagd erhält das Gleichgewicht zwischen den Wildarten in unserer Kulturlandschaft und schafft effektiv Biodiversität. Ohne nachhaltige Jagd würde es manche Wildarten nicht mehr geben“, sagt Molter.

Mit den Abschussplänen, die in den Revieren verpflichtend einzuhalten sind, tragen die Jäger zur Biodiversität bei: So soll die gesunde Balance zwischen unterschiedlichen Tierarten erhalten und den Einfluss des Wildes auf den Wald, allem voran auf Jungbäume, in einem verträglichen Maß halten.

Es wird langsam eng

Dass es für so manchen Jäger immer schwieriger wird, die Abschusspläne einzuhalten, liegt daran, dass »der Platz im Wald langsam eng wird«, wie es Binder formuliert. So wie sich die Pflege des Waldes durch die Jäger positiv auf den Lebensraum auswirkt, schadet das Fehlverhalten im Wald massiv: »Skitourengeher, Schwammerlsucher, Geocacher und andere, die sich nicht an die Regeln halten, sind nicht erst seit der Corona-Pandemie, die das Raumnutzungsverhalten der Menschen nochmals verändert hat, ein wachsendes Problem.«

Jagdliche Trophäen am Hut sollten immer die eigenen sein – sonst schmückt man sich »mit fremden Federn«.
© Shutterstock
Jagdliche Trophäen am Hut sollten immer die eigenen sein – sonst schmückt man sich »mit fremden Federn«.

Große Beutegreifer

Auch andere machen die Arbeit im Wald nicht leichter: die großen Beutegreifer. Neben dem emotional diskutierten Wolf sind auch Bären, Luchse und immer öfter Goldschakale im Wald anzutreffen, die »die keine Waidgerechtigkeit, keine Jagdgesetze und keine Schonzeiten kennen, sondern nur ihrem Jagdtrieb folgen«, sagt Binder. Das wiederum ändert das Raumnutzungsverhalten der Beutetiere: Sie wandern in jene Gebiete, die noch »sicher« sind. »Und leider sind das oft jene Regionen, in denen der Wald besonders sensibel ist – etwa Naturverjüngungen oder Schutzwaldbereiche. Zudem sind diese Regionen oft auch für Menschen schwer zugänglich, die Tiere sind kaum noch zu bejagen.«

Ganz besonders gefährlich ist der Wolf für das Rotwild: »Es ist eigentlich ein Steppentier, das wir durch unser Raumnutzungsverhalten aber in die Wälder gedrängt haben.« Um dort im Winter überleben zu können, muss es gefüttert werden. Die Fütterungen, warnt Binder, seien jedoch »regelrechte Buffets für Wölfe. Das ist das Unfairste, das man dem Rotwild antun kann.«

Auch um manch andere Tierpopulationen ist man bei »Jagd Österreich« in Sorge: Etwa um das Rebhuhn, das unter der modernen Landwirtschaft leidet, und die Gams: »Sie ist ein Signature-Tier der Alpenregion, kaum ein Heimatfilm kommt ohne sie aus«, sagt Binder. Zugleich sind die Gämsen hoch sensible Tiere: »Sie haben eine sehr feinstrukturiere Alterspyramide in ihrer Schar und benötigen alte, erfahrene Tiere im Alter von mindestens zwölf Jahren, die ihr Wissen an die jüngeren Tiere weitergeben. Diese alten Tiere sind aber stark unter dem Druck der Freizeitnutzer im Gebirge und leiden unter Straßen- oder Schienenbauprojekten, die den Wildwechsel erschweren«, warnt Binder.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Christoph Schwarz
Christoph Schwarz
Chefredakteur
Mehr zum Thema