Das »Seepalais« in Bad Saarow am Nordufer des Scharmützelsees.

Das »Seepalais« in Bad Saarow am Nordufer des Scharmützelsees.
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Seen-Kulinarik: So schön ist Brandenburg

Mit rund 3000 Seen gehört Brandenburg zu den landschaftlich schönsten und kulinarisch spannendsten Regionen Deutschlands. Fernab jeder Alpenseeromantik warten dort traditionsreiche Fischereibetriebe, Selbstversorgerhöfe und viel erlebbare Geschichte. Am schönsten aber ist das Einkehren.

Eine Dreiviertelstunde, länger brauchen stressgeplagte Berliner nicht bis ans Meer. Natürlich nur, sofern der Verkehr mitspielt – und man den Begriff »Meer« etwas weiter fasst. Am ­Scharmützelsee – der Schriftsteller Theodor Fontane nannte ihn wegen seiner stattlichen Größe von gut 1200 Hektar »Märkisches Meer« – ist die Luft frisch, es duftet nach Wald. In manchen Sommern liegt die Sichttiefe im See bei neun Metern, so sauber ist das Wasser. 

Die Sonne scheint zwar nicht so beständig wie zum Beispiel an der Adria. Den Hauptstadtstress wegatmen kann man hier aber allemal – was im Übrigen für weite Teile Brandenburgs gilt. Dafür sorgt nicht allein seine unvergleichliche Fülle an Gewässern, sondern auch das reiche ­gastronomische Angebot.

Mit rund 3000 Seen gehört ­Brandenburg zu den wasserreichsten Gebieten ­Deutschlands. Die von Berlin bis an die Grenzen Mecklenburg-Vorpommerns reichende brandenburgische Seenplatte ist eine der sehenswertesten und inzwischen auch kulinarisch interessantesten Landschaften Mitteleuropas. Diese Erkenntnis setzt sich schon bei der Ankunft in Bad Saarow am Nordufer des Scharmützelsees – von ­Berlin aus gesehen, dem Eingangstor ins aquatische und kulinarische Paradies – durch.

Die seit Anfang des 20. Jahrhunderts wegen ­ihres Moorheilbads und der Heilquelle als Erholungsort beliebte Gemeinde erhielt ihren Titel »Bad« vor exakt 100 Jahren. Schon jetzt weist alles im Ort auf die im August bevorstehende Feier hin. Etwa in der Konditorei »Le Gâteau rose« in Form kunstvoll durchdachter Jubiläumstörtchen: »Ihre Kirschfüllung soll die ­regionale Landwirtschaft symbolisieren«, erklärt die Verkäuferin, »der darüber liegende Salzkaramellring unsere Soletherme, der Schokoladenüberzug das Moor, Blue Curaçao den Scharmützelsee, Sesamchips symbolisieren die Fische und Kekskrümel sollen für den Strand stehen.« Wen in Bad Saarow die Lust auf Süßes packt, der ist dort genau richtig. 

Ein gastronomisches Highlight ist das Restaurant in der familiengeführten »Villa Contessa« mit einer fantasievollen, modernen Fine Cuisine und einer ­täglich wechselnden Abendkarte. Mit ihren acht liebevoll gestalteten Zimmern ist die ­Villa zugleich auch Deutschlands offiziell ­kleinstes Luxushotel. 

Bei Anglern ausgesprochen beliebt: das Nordwestufer des Großen Schauener Sees. Die Seenkette umfasst insgesamt sechs Flachgewässer rund um Storkow.
© Artprojekt Hospitality
Bei Anglern ausgesprochen beliebt: das Nordwestufer des Großen Schauener Sees. Die Seenkette umfasst insgesamt sechs Flachgewässer rund um Storkow.

Brandenburger Kulinarik

Zu einer rustikalen Stärkung, etwa nach Bestreiten einer der zahlreichen Wanderwege um Bad Saarow, lädt das »Freilich am See« mit bayrisch inspirierter Küche, idyllisch gelegen direkt im Cecilienpark, einer beliebten Badestelle. Für alle Gourmets verpflichtend ist zudem ein Abstecher nach Storkow zum nordwestlichen Ufer der Groß Schauener Seenkette. Seit vier Jahren entwickelt sich inmitten des dortigen Naturschutzgebiets ein außergewöhnliches Projekt, das unter dem Namen »Naturgut Köllnitz« firmiert. Eine Art Selbstversorgerhof mit angeschlossener Fischerei, 135 Hektar großer Landwirtschaft, Beeten mit 60 verschiedenen Gemüsesorten, die dort von Hand geerntet werden, Rindern, Wasserbüffeln und Hühnern. Ein Hofladen gehört dazu, das »Seehotel« und ein Restaurant mit ambitionierter Küche.

Eine Kombination, die deutschlandweit ihresgleichen sucht und für die es noch nicht einmal eine zutreffende Bezeichnung gibt. Geschäftsführer Christian Vieth umschreibt es so: »Wir machen hier etwas völlig Normales in einer unnormalen Welt: wertschätzend mit Lebensmitteln umgehen.«

Vieth ist, wie der Rest der 25-köpfigen Truppe, die sich um das Landgut und das gastronomische Angebot kümmert, im positiven Sinn ein Verrückter: Seit Februar ist der studierte Landwirt im Amt. Zuvor vermittelte er mit seiner Onlineplattform »Hof sucht Bauer« Nachfolger an vor dem Aus stehende Bauernhöfe. Zudem betrieb er in der Nähe von Kassel zusammen mit seiner Frau selbst einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb. Doch nun soll sie mit den vier gemeinsamen Kindern nachziehen.

Aus der Vogelperspektive: Mitten im Naturschutzgebiet an der Groß Schauener Seenkette liegt das »Naturgut Köllnitz«.
© Pascal Rohe
Aus der Vogelperspektive: Mitten im Naturschutzgebiet an der Groß Schauener Seenkette liegt das »Naturgut Köllnitz«.

Wie so vieles in Brandenburg verdankt auch das »Naturgut« seine Entstehung einem See. Hervorgegangen ist es aus der ehemaligen Fischerei »Köllnitz«, einem Ort, an dem sich beispielhaft die bewegte ­Geschichte Brandenburgs ablesen lässt: Bereits im Jahr 1209 wurde die Fischerei hier erstmals urkundlich erwähnt, nach dem Zweiten Weltkrieg zwangskollektiviert und mit Ende der DDR dann in eine Genossenschaft überführt, die 2018 vom heutigen Betreiber, dem Immobilienentwickler »Artprojekt«, übernommen und zur GmbH transformiert wurde. Das Fischereihandwerk jedoch wird hier immer noch so traditionell wie vor 100 ­Jahren betrieben. Sogar die Reusen baut der Fischermeister selbst. Und geräuchert wird noch traditionell über offenem Holzfeuer nach »Altonaer Art«, wie es im Fachjargon heißt. Daher auch die goldgelbe Färbung und der delikate Geschmack.

In Köllnitz wird noch traditionell über offenem Holzfeuer geräuchert.
© Artprojekt Hospitality
In Köllnitz wird noch traditionell über offenem Holzfeuer geräuchert.

Überhaupt hat die Fischerei in ­Brandenburg im deutschlandweiten Vergleich einen außergewöhnlich hohen Stellenwert. In keinem anderen Bundesland ist der Berufsfischerstand stärker ausgeprägt. Immerhin noch 145 haupterwerbliche Betriebe waren es bei der letzten Zählung. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch: In ­Brandenburg leben nur noch die wenigsten von der Fischerei allein, und das gilt auch für die Köllnitzer. Der Verkauf von Angelscheinen, Bootsverleih, die Vermietung von Ferienunterkünften, all das ist heutzutage ein unverzichtbares Zubrot für selbstständige Fischer. Die Verbindung allerdings aus biologischer Landwirtschaft und nachhaltigem Fischfang, die in Köllnitz ausgeübt wird, dürfte einzigartig sein.

Nach der Erweiterung der Traditions­fischerei folgte diesen März als ­logische Konsequenz auch die kulinarische Neukonzeptionierung der »Köllnitzer ­Fischerstuben« als erstes Farm-to-Fork-Res­taurant der Region, genannt »­Hofküche«. Wobei der Name viel zu rustikal klingt für das Niveau, auf dem dort gekocht wird. Herz und Hirn ist Küchenchef Stefan Ziegenhagen. Erfahrung sammelte der 38-Jährige, der zuvor als »Director of Food and Beverage«, wie man Neudeutsch sagt, also kulinarischer Leiter für das gesamte gastronomische Angebot der Unternehmensgruppe tätig war, in der Küche des »Hotels Adlon«, bei Daniel Achilles im »­reinstoff« und als Küchenchef des Berliner Restaurants »Neni«.

Vier Jahre lang hat Ziegenhagen Menüs und Karten für andere geschrieben. Dass er den bequemen Schreibtisch nun wieder gegen die aufreibende Arbeit in der Küche gewechselt hat, ist mehr als ungewöhnlich. Für die Gäste aber ist es ein wahrer Segen. Unbedingt zu empfehlen ist sein »Hof-Menü«, für das Ziegenhagen eine breite Palette der auf dem »Naturgut« entstehenden Lebensmittel verarbeitet und das etwa Schmorbraten vom grasgefütterten Rind, Filet vom Groß Schauener Wels oder hausgemachtes Lorbeereis umfasst. Ein besonderes Highlight ist der Karpfenschinken, den Ziegenhagen zusammen mit weißem Spargel und Erdbeeren serviert. Die außergewöhnliche Delikatesse wird, wie man es von Fleisch kennt, hier mittels Dry-Aging hergestellt, Trockenreifen also, eine für Fisch seltene Veredelungstechnik. 

Die »Hofküche« folgt einer strengen Regel: 70 Prozent der verarbeiteten Produkte müssen aus einem Umkreis von 70 Kilometern stammen. Ein nicht geringer Teil des Gemüses, mit dem im Restaurant gekocht wird, kommt sogar vom wenige Meter gegenüber liegenden Feld. Es könnte noch mehr sein, würde der dortige Boden nicht so zu schaffen machen. Er ist so trocken, dass Regen darauf stehen bleibt und die Pflanzen förmlich ertränkt. Doch die Suche nach geeigneterem Boden läuft bereits. Wenn es klappt, soll das Gemüse zusammen mit dem Fisch ab September nicht mehr nur im auf dem Gelände befindlichen Hofladen im Angebot stehen, sondern auch außerhalb in der Markthalle, die gerade an den Kurpromenaden von Bad ­Saarow entsteht. Dort sollen dann ausschließlich ­Brandenburger Produkte vertrieben werden. Eines der vielen Ziele, die hier angestrebt werden.


Tipps & Adressen

Bad Saarow 

Le Gâteau rose
Konditorei mit angeschlossenem niedlich einge-richtetem Café, in der streng auf Regionalität und hohe Produktqualität geachtet wird. Der Name kommt übrigens von der hauseigenen Spezialität: der rosaroten Torte nach einem uralten Familien-rezept. Auch frühstücken kann man dort herrlich.
Seestraße 11, 15526 Bad Saarow
T: +49 30 7860060, gateaurose.de

Villa Contessa
Im Flair der French Riviera ist die »Villa Contessa« eine der bezauberndsten Adressen Bad Saarows. Malerisch gelegen am Ufer des Scharmützelsees, bietet das Restaurant ein wunderschönes -Wohlfühlambiente mit fantasievoller Fine Cuisine und traumhaftem Seeblick.
Seestraße 18, 15526 Bad Saarow
T: +49 33631 58018, villa-contessa.de

Freilich am See
Gemütliches, idyllisch gelegenes Restaurant am Scharmützelsee. Hier gibt es modern interpretierte, bayerische Küche. Das Backhendl mit hausgemachtem Kartoffel-Gurken-Salat und Kürbiskernöl ist ein Traum. Die Schlemmereien des »Freilich am See« können bis Ende August außerdem auch direkt als Picknick auf der Wiese genossen werden.
Karl-Marx-Damm 47 a, 15526 Bad Saarow
T: +49 33631 598436, freilich.de


Storkow (Mark) 

Hofladen Köllnitz
Der kleine Hofladen ist das Herz des »Naturguts -Köllnitz«. Von Hechtbuletten, Bratschleie, Räucherfisch und Fischsuppe über Ochsenfleisch bis zu hausgemachten Salaten lässt das dortige Angebot kaum Wünsche übrig. Für alle, die lieber selbst am Herd stehen, gibt es eine große Auswahl an frischen heimischen Fischen, Eiern und Gemüse.
Groß Schauener Hauptstraße 31, 15859 Storkow (Mark)
T: +49 33678 41774, koellnitz.de/fischereihandwerk/hofladen/

Köllnitzer Hofküche
Wer auf gemüselastige Küche steht, wird die Kreationen von Küchenchef Stefan Ziegenhagen lieben. -Köllnitzer Biogemüse ist hier der Star. Dazu gibt es fangfrischen Fisch aus den Groß Schauener Seen, Weiderind und Fleisch von Köllnitzer Wiesen-hühnern. Highlight der Speisekarte ist das saisonal wechselnde »Naturgut-Menü« mit drei Gängen zum Teilen.
Groß Schauener Hauptstraße 31, 15859 Storkow (Mark)
T: +49 33678 61084, koellnitz.de/hofkueche/


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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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