Lucas Pichler erzeugt seine tollen Smaragd-Weine auf so unverwechselbare Weise wie sein Vater F.X.

Lucas Pichler erzeugt seine tollen Smaragd-Weine auf so unverwechselbare Weise wie sein Vater F.X.
© Chris Singer

World Champions: F.X. Pichler

Franz Xaver Pichler hat Österreich in der internationalen Weinszene bekannt gemacht. Sein Sohn Lucas tut das heute mit der gleichen familientypischen Präzision.

Stolz blickt Altmeister F.X. Pichler vom Balkon des neuen Weinguts auf die Berge hinüber, wo die Terrassen der Familie liegen. Seine blauen Augen glänzen, während sie die Lagen vom Pfaffenberg im Osten bis zum Kellerberg und Dürnstein im Westen mustern. «Es ist der vielleicht schönste Platz in der Wachau», sagt er dann, und seine Worte sind nachvollziehbar – immerhin hat er von hier aus all jene Rieden im Blick, deren Trauben ihn zu einem der bekanntesten Winzer der Welt gemacht haben.
Familie Pichler blickt auf eine lange Winzertradition zurück, die nun bereits in die elfte Generation tritt. Mitte des 19. Jahrhunderts war mit Weinhauer Franz Xaver Pichler II. der Ururgrossvater von F.X. Pichler VI. von Rohrendorf bei Krems nach Oberloiben gezogen. Um 1905 wurde das Haus Nr. 27 in Oberloiben erworben, in dessen Keller­gewölbe bis zum Jahrgang 2008 die Basis für den Welterfolg gelegt wurde. Schon der 1906 geborene Vater Franz Xaver war ein echter Qualitätsfanatiker und führte Bücher, in denen er die Ergebnisse der einzelnen Weinstöcke vermerkte, um schliesslich das Erbgut der besten Grünen Veltliner für Neuanlagen zu vermehren. Er war Ende der 1930er-Jahre auch Gründungsmitglied der Winzergenossenschaft in Loiben, die den zahlreichen kleinen Hauern des Ortes das wirtschaftliche Überleben sichern sollte. Sohn Franz Xaver, der früh beschloss, ebenfalls den Weg als Winzer zu gehen, absolvierte die Kremser Weinbauschule und besuchte dann Fachkurse in Deutschland und im Elsass. Schritt für Schritt baute er seine Flächen aus, stets überzeugt vom enormen Potenzial seiner Heimat. «Wenn man tolle Trauben hat, muss man nicht viel dazu tun. Wozu also den Most aufzuckern oder entsäuern?», lautete sein Credo.

«Unsere Philosophie ist es, aus dem hervorragenden
Potenzial, das uns die Natur bietet, das Beste zu machen.»
Lucas Pichler Winzer, Oberloiben

Gesagt, getan. Bald fanden die Weine ihre Anhänger und der hauseigene Heurigen­betrieb, geleitet von Rudolfine Pichler, wurde schnell zur Anlaufstelle für Weinkundige. Die ersten Erfolge liessen nicht lange auf sich warten: 1984 wurde der Gelbe Muskateller zum «Wein des Jahres» gekürt, mit dem weltweit erfolgreichen Jahrgang 1990 öffneten sich die Türen zum internationalen Markt endgültig. Und F.X. Pichler reagierte richtig: Trotz erhöhter Nachfrage produzierte der Winzer nicht mehr, sondern bessere Weine. Im Jahr 1999 – mit dem Eintritt seines Sohnes Lucas, der nach dem Schulabschluss beim bekannten Riesling-Gut Müller-Catoir in der Pfalz an seinem Können gefeilt hatte – war auch an eine Erweiterung der Rebflächen zu denken.
Seit zwanzig Jahren steht nun bereits der Junior an der Spitze des Vinifikationsprozesses, während der Senior seine Aktivitäten zusehends auf die Weingärten gerichtet hat. Heute führt Lucas Pichler mit seiner Gattin Johanna das Weingut, und mit dem kleinen F.X. junior flitzt bereits die nächste Pichler-Generation durch den Verkostungsraum. Ausgelöst durch das verheerende Donau-Hochwasser von August 2002 wurde die Entscheidung getroffen, an einem sicheren Standort ein neues Weingut zu errichten, das den neuen Anforderungen und dem gewachsenen Platzbedarf des Betriebs voll gerecht wird.

Mitten in den Weingärten zwischen Dürnstein und Oberloiben liegt das neue Weingut F.X. Pichler.
© Chris Singer
Mitten in den Weingärten zwischen Dürnstein und Oberloiben liegt das neue Weingut F.X. Pichler.

Monumental und Unendlich

Aber zurück zum Wein: Bereits in den 1980er-Jahren hatte F.X. Pichler begonnen, seinen richtungsweisenden Weinstil zu entwickeln, der einerseits das spezielle Potenzial der einzelnen Rieden ausschöpft und andrerseits eine möglichst hohe Reife der Trauben anstrebt. Während viele Kollegen nach dem Weinskandal ihre Weissen leichtfüssig und säurebetont anlegten, wurden im Hause Pichler bereits deutlich stoffigere Weine aus Riesling wie Grünem Veltliner abgefüllt. Und es waren genau diese komplexen und dem Terroir verbundenen Smaragde, die bald darauf nicht nur in der Heimat, sondern auch im Export die Speerspitze des österreichischen Weinwunders bildeten. Zum Synonym dieser Entwicklung wurde bei Pichlers die Dürnsteiner Ried Kellerberg – zunächst beim Riesling, später auch für den herausragenden Veltliner.
Der schweigsame Franz Xaver Pichler ging penibel und rigoros daran, sein Projekt umzusetzen, die besten Weissweine der Wachau zu keltern. Die Rebflächen, von ihm selbst im Lauf der Jahre ausgewählt und gepflegt, haben sich über die Jahre vermehrt. «Als ich in den 1950er-Jahren von der Weinbauschule nach Hause kam, waren nur 0,7 Hektar Weingarten vorhanden, dafür mit bestem, vom Vater selektioniertem Rebmaterial, das wir weiter fortgeführt haben», erzählt F.X. Pichler heute. «Als ich den Betrieb übernehmen durfte, waren es immerhin schon drei Hektar. Heute kann Lucas bereits über gut 20 Hektar in Toprieden verfügen.» Diese liegen in direkter Nachbarschaft zum Weingut in Loiben und Dürnstein – ein klein wenig mehr als die Hälfte der Fläche ist mit Grünem Veltliner besetzt, die andere Hälfte mit Riesling. Dazu kommen eine sehr geringe Menge Sauvignon Blanc und wenige Flaschen Gelber Muskateller.
Etwa 50 Prozent der Reben wachsen in den steilen Urgesteinsterrassen, die nur von Hand zu bearbeiten sind: ein Wachauer Kulturgut, dessen intensive Pflege viele Jahrhunderte zurückreicht.

Stylish und funktionell – mehrere Jahre wurde das Weingut geplant, das Ergebnis ist nun optimal.
© Chris Singer
Stylish und funktionell – mehrere Jahre wurde das Weingut geplant, das Ergebnis ist nun optimal.

Flüssiges Urgestein

In der Hierarchie der Lagen des Weinguts nimmt der Kellerberg die Stellung eines primus inter pares ein. Das spezielle Mikroklima und extrem tief verwurzelte alte Reben lassen hier Weinkunstwerke entstehen, die von einer facettenreichen Fruchtexotik und einer kühlen Mineralität geprägt sind, die spielerisch die Kraft und Komplexität dieser langlebigen Gewächse vergessen lassen. Von ebenso grosser Bedeutung sind die Terrassengärten am grossen Loibner Loibenberg. Seine steilen Lagen bereichern das Pichler’sche Sortiment mit steinobstigen Rieslingen und rauchig-tabakigen Veltlinern wie den Ausnahmeweinen «M» und «Unendlich».
Szenenwechsel: Am östlichen Ende der Wachau, zwischen Loibenberg und Pfaffenberg, liegt ein kleiner Taleinschnitt mit tiefgründigen Gneisverwitterungsböden. Hier entsteht der hellfruchtige, stets lebendig-rassig angelegte Riesling Smaragd Ried Steinertal, der sich bei Weinfreunden seit Jahrzehnten einer treuen Anhängerschaft erfreut. Seit einigen Jahren neu im Programm ist der charaktervolle Grüne Veltliner Smaragd aus der Dürnsteiner Ried Liebenberg. Südsüdwestlich ausgerichtet entstehen auf diesen Steilterrassen vielschichtige, vom Glimmerschiefer geprägte, elegante Veltliner, die ihre Herkunft mit feiner Tropenfrucht, mineralischer Frische und kräutriger Würze verraten.

Drei Pichler-Generationen – F.X. Pichler senior, Lucas Pichler und F.X. Pichler junior.
© Chris Singer
Drei Pichler-Generationen – F.X. Pichler senior, Lucas Pichler und F.X. Pichler junior.

Einen idealen Einstieg in die Pichler’sche Weinstilistik erfährt man mit den Lagen-Federspielen, dem Grünen Veltliner Ried Klostersatz und dem Riesling Ried Burgstall. Aber damit nicht genug: F.X. Pichler geht auch über das Lagenkonzept hinaus, wenn es gilt, Weine von aussergewöhnlicher Konzentration und Komplexität zu kreieren. Und so entstand im Jahrgang 1991 der erste Grüne Veltliner Smaragd mit der Zusatz­bezeichnung «M». Die für diesen Ausnahmewein selektionierten Trauben entstammen in der Regel verschiedenen Terrassen am Loibenberg und werden je nach Jahrgang zwei bis drei Wochen nach den Lagenweinen gelesen. Weinautor Horst Dippel merkte völlig zu Recht an: «Wenn ›M‹ als Kürzel für ›monumental‹ Sinn macht, dann sicherlich für diesen überwältigenden Wein.» Ein Jahr später erblickte dann auch ein nach gleichem Konzept entwickelter Riesling «M» das Licht der grossen Weinwelt.

© Chris Singer

Doch damit schienen die Möglichkeiten für hochreifen und doch trockenen Riesling für F.X. Pichler noch nicht erschöpft zu sein. Im Jahrgang 1998 wurde die Premiere des Riesling «Unendlich» gefeiert, dessen strahlend blaues Etikett – angelehnt an Karl-Friedrich Schinkels legendäres Sternenhimmel-Bühnenbild aus der «Zauberflöte» – ein aussergewöhnliches Weinerlebnis verheisst. Mit diesem Wein hat sich Franz Xaver Pichler ein würdiges Denkmal gesetzt, wie auch «Wine Advocate» Robert Parker jun. versicherte: «Was das Château Latour in Bordeaux oder Domaine de la Romanée-Conti in Burgund ist, das ist F.X. Pichler in der Wachau.» Recht hatte er.
Heute sind die Pichler-Weine von den Weinkarten der internationalen Top-Adressen nicht mehr wegzudenken. Ein klares Credo gibt auch Lucas Pichlers Linie für die Zukunft vor: «Unsere Philosophie ist es, aus dem hervorragenden Potenzial, das uns die Natur bietet, das Beste zu machen. Eine Verantwortung zu übernehmen gegenüber unserer Familie, aber auch gegenüber der Natur, der Geschichte und dem Wein. Denn unser Kapital sind die Weingärten, die Reben und das erfahrene Wissen aus der Tradition in Verbindung mit Intuition und Weltoffenheit.»
Zum «Best of Pichler» Tasting

Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2018

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Peter Moser
Peter Moser
Chefredakteur Wein
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