Shiitake ist einer der bekanntesten Heilpilze.

Shiitake ist einer der bekanntesten Heilpilze.
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Die Heilkraft von Pilzen

Wie Pilze uns und unseren Planeten heilen können und warum unsere Zukunft in den Pilzen steht.

Sie sind die ersten, die kleinsten und die größten sowie artenreichsten Lebewesen auf der Erde. Genetisch sind sie uns näher als Pflanzen, sie atmen Sauerstoff, verdauen und kommunizieren. Sie wirken im Verborgenen. Was wir von ihnen sehen, sind nur ihre Früchte. Der eigentliche Pilz – das Myzel – lebt unter unseren Füßen, sein mysteriöses Reich zieht sich kilometerweit in die Tiefe.

Pilze – die dritte große Lebensform auf unserem Planeten – wirken an der Schnittstelle zwischen Leben und Tod, denn sie sind die großen Recycler, die den Kreislauf der Natur im Gange halten. Ohne Pilze wäre Leben auf der Erde nicht möglich. Mykologen wie Paul Stamets sprechen ihnen wahre Superkräfte zu, denn die Fähigkeit zur Heilung ist ihnen inhärent. In seinem Sammelwerk und dem begleitenden Dokumentarfilm dazu »Fantastic Fungi« (2019) erklärt er, wie Pilze heilen, unser Bewusstsein erweitern und den Planeten retten können.

No fungi, no future!

Pilze eröffnen ungeahnte Lösungen zu den drängendsten Problemen unserer Zeit, dabei haben wir ihr gigantisches Potenzial noch nicht ansatzweise ausgeschöpft. Pilze sind Meister der Biochemie. Bei der Lösung der Umweltverschmutzung kann ihnen eine Schlüsselrolle zukommen, denn sie können Schadstoffe in Nährstoffe umwandelt und so zum Beispiel Ölkatastrophen, Mikroplastik und sogar Atommüll abbauen. Pilze binden außerdem einen Großteil des CO2s in der Erde.

Pilze gegen den Welthunger

Pilze sind zugleich besonders nährstoff- als auch ertragreich, dazu ist ihr Anbau ressourcenschonend. Denn Pilze wachsen auf Pflanzenabfällen und Viehmist und ermöglichen so eine perfekte Kreislaufwirtschaft. (Ein Kilogramm Champignons benötigt nur acht Liter Wasser, Rindfleisch dagegen 15.000. Auf einem Hektar wachsen im Jahr 800 Tonnen Pilze, aber nur 1,67 Tonnen Schweinefleisch.) Auch in der veganen Ernährung kommt Pilzen eine Schlüsselrolle zu. Viele Fleischersatzprodukte basieren bereits auf Pilzen.

Pilze als Medizin

Pilze sind nicht nur Delikatessen, die als Fleischersatz in immer mehr Gourmet-Küchen Verwendung finden, in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) werden sie schon seit Jahrhunderten als Heilmittel eingesetzt. Nun entdeckt auch die westliche Wissenschaft zunehmend die erstaunliche Heilkraft von Pilzen. Die Pharmaindustrie forscht intensiv an Pilz-Präparaten in Kapsel- oder Pulverform, die man bequem dem morgendlichen Kaffee beimengen kann. Die bekanntesten Heilpilze sind der Austernseitling, der Shiitake und der Reishi, doch auch in unseren heimischen Gefilden wachsen Pilze mit medizinischer Wirkung.

Vitalpilze regulieren das Gleichgewicht in unserem Körper und können so chronische Krankheiten heilen, indem sie unser Immunsystem stärken. Viele wirken entzündungshemmend, antioxidativ, antibakteriell und helfen bei Virusinfektionen. Manche bauen unser Mikrobiom auf und stärken so unseren Magen-Darm-Trakt. Und einige heilen sogar Krebs. Doch der Wunder nicht genug. Der Löwenmähnen-Pilz kann neue Nervenzellen im Gehirn nachwachsen lassen und so Demenz lindern. Viele Pilze steigern außerdem die körperliche und kognitive Leistungsfähigkeit.

Magische Pilze als Wunderheiler

Psychoaktive Pilze werden seit Urzeiten rituell eingesetzt. Manche vermuten sogar, dass ihnen eine Schlüsselrolle in der Evolution des menschlichen Gehirns zukommt (»Stoned Ape Theory«). Bereits in den 1960ern zeigten zahlreiche Studien die Wirksamkeit von Zauberpilz-Therapien bei psychischen Leiden auf. Während die Forschung zu dem psychoaktiven Wirkstoff Psilocybin im Rahmen von Präsident Nixons »War on drugs« über 50 Jahre lang verboten war, nimmt sie heute, obwohl er in den meisten Ländern weiterhin illegal ist, wieder Fahrt auf und erzielt insbesondere in der Psychotherapie erstaunliche Erfolge.

Keine andere Substanz wirkt so effektiv gegen Suchterkrankungen (insbesondere gegen Alkohol- und Nikotinsucht), Zwangsstörungen und Depressionen wie psychoaktive Pilze. Denn durch ihren Wirkstoff Psilocybin lösen sich festgefahrene Denkmuster im Gehirn und angewöhnte destruktive Verhaltensweisen, Negativspiralen – meist die Ursache psychischer Erkrankungen – können die Patienten im Rahmen einer professionell geführten Psilocybin-Therapie entkommen. Hospiz-Patienten helfen Zauberpilze ihre Angst vor dem Tod hinter sich zu lassen.

Es bleibt also noch einiges zu entdecken im mysteriösen Reich der vielfach unterschätzen Pilze.

Paula Pankarter
Paula Pankarter
Redakteurin Online
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