Traumlage: Seit der Zeit der alten Griechen wird auf der Insel Ischia Weinbau betrieben.

Traumlage: Seit der Zeit der alten Griechen wird auf der Insel Ischia Weinbau betrieben.
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Neapel: Wein mit Meerblick

Rund um die Millionenstadt Neapel wird auch viel Wein angebaut. Erfrischende, mineralische Weiße und kernige Rote, häufig aus autochthonen Sorten. Das Geheimnis sind die vulkanischen Böden.

Caprettone – schon mal gehört? Er bildet die Grundlage für den weißen Lacryma Christi del Vesuvio. Angebaut wird dieser Wein an den Hängen des Vesuvs. Ganze sechs gewerbliche Betriebe gibt es dort derzeit, einer davon ist Casa Setaro. Über verwinkelte, enge Gassen gelangt man zur kleinen Kellerei in Trecase, oberhalb der Ausgrabungen von Pompei. Mit knapp 14 Hektar Weingärten zählt Massimo Setaro schon zu den Großen am Vesuv. Vor einigen Jahren begann Massimo, der das nötige Kleingeld für den Alltag immer noch als Ingenieur im Telekom-Bereich verdient, mit dem Ausbau seines eigenen Weines. Der Keller ist im Untergeschoß seines Wohnhauses untergebracht – noch. Denn weiter oben am Hang entsteht gerade ein neues Heim für die Weine von Casa Setaro, mit Keller und ordentlichem Verkostungsraum. Die Reben stehen auf reinem Vulkanboden. Die Stöcke sind wurzelecht und einige weit über 100 Jahre alt, wahre Methusalems. Mit vier Sorten arbeitet Massimo Setaro, zwei weiße, Caprettone und Falanghina, und zwei rote, Aglianico und Piedirosso. Die Weine schmecken deutlich salzig-mineralisch, zeigen saftige Säure und sind im Alkohol erfreulich leicht. 


ZUM TASTING


Supervulkan und Superwein

Vulkantätigkeit prägt auch die Campi Flegrei, die Phlegräischen Felder, nördlich der Millionenstadt Neapel. Allerdings gehen hier die Krater ins Erdinnere. Thermalquellen, ausströmende Fumarolen und Schwefeldämpfe erinnern daran, dass es darunter brodelt. Der Dichter Vergil vermutete hier einst den Eingang zur Unterwelt. Vulkanforscher sagen, die Campi Flegrei seien einer der Supervulkane unserer Erde. Obwohl die Bucht von Pozzuoli gleich nördlich an jene von Neapel anschließt, ist sie Auswärtigen nur wenig bekannt. Die Neapolitaner bleiben hier gerne unter sich. Verständlich, angesichts der wirklich spektakulären Natur. Da ist nicht nur die Bucht mit den Ortschaften Baia und Bacoli, da sind auch mehrere Brackwasserseen und unmittelbar vorgelagert die Inseln Procida und Ischia. Der Weinbau hat hier sehr lange Tradition – er wurde von den alten Griechen begründet. Einst umfasste das Anbaugebiet 300 Hektar, doch zu Zeiten des Baubooms in den 70er-Jahren musste ein Teil der Weinberge weichen. Heute beträgt die Anbaufläche noch rund 100 Hektar, die größtenteils in einem Naturpark liegen und um deren Erhalt man sehr bemüht ist. In den Campi Flegrei spielen Falanghina (weiß) und Piedirosso (rot) die Hauptrolle. Die sandigen, vulkanischen Böden bewirken, dass auch hier noch alle Reben unveredelt sind. 

Zu den bekanntesten Weingütern vor Ort zählt Cantine Astroni. Das Weingut befindet sich im einstigen Jagdgebiet der Bourbonenkönige, die Reben wachsen an den Hängen des Astroni-Kraters. Gerardo Vernazzaro und seine Mitarbeiter erzeugen einige charaktervolle Lagenweine, voll Saftigkeit und Spannung und mit erstaunlicher Frische. Gennaro Schiano von Cantine del Mare hat einen alten Steinbruch revitalisiert und mit Reben bepflanzt. Der Ausblick, den man von dort auf die Inseln Ischia und Procida hat, ist fantastisch. Einer von Schianos Rotweinen wird aus Reben erzeugt, die sich noch an Bäumen emporranken und über 150 Jahre alt sind. Beeindruckend! Vincenzo di Meo vom Weingut La Sibilla, berichtet, dass er beim Umpflügen der Weinberge immer wieder auf Fundstücke aus der Antike stößt. Wer Interesse an einem hervorragenden weißen Falanghina hat, dem sei auch das Weingut Agnanum empfohlen: Tag für Tag erklimmt Winzer Raffaele Moccia steil abfallende Weinterrassen aus vulkanischem Staub und Sand, um sie in Handarbeit zu bepflanzen, zu schneiden, zu pflegen und ihre Trauben zu ernten.

Enotria

»Land, wo der Wein wächst«, so nannten die alten Griechen einst Süditalien. Die ersten Siedlungen der Griechen aber entstanden nicht am Festland, sondern auf der Insel Ischia, die in der Antike für ihr Eisenerz bekannt war. Die Griechen brachten die Weinrebe aus dem Osten mit und begannen, auf Ischia Wein anzubauen. Bekanntester Produzent der Insel ist Casa D’Ambra. Die Familie D’Ambra, deren Weinberge sich an schwindelerregenden Steilhängen über der Küstenlinie emporranken, erzeugt seit 1888 Weine. Die prägenden Sorten auf Ischia sind Biancolella, Forastera und Rillo bei Weiß, und Per‘e palummo bei Rot. Ein weiterer empfehlenswerter Betrieb auf Ischia ist Pietratorcia. 

Lagen mit Meerblick 

Auf der Halbinsel von Sorrento und Amalfi wird Weinbau auf vielen kleinen Terrassen betrieben. Ein höchst interessanter, neu auf den Plan getretener Erzeuger ist Abbazia di Crapolla. Das Weingut liegt auf einer kleinen Hochebene steil über Vico Equense. Crapolla ist ein altes Kloster, das lange verlassen war. Der Rundblick von dort oben ist atemberaubend: Capri, Ischia, Procida, Neapel, der Vesuv und der gesamte Golf liegen einem zu Füßen. Im Rücken steht der Monte Faito, die höchste Erhebung der Halbinsel. Vor 15 Jahren erstand der Unternehmer Giuseppe Puttini das Kloster und das umliegende Land. Mit Hilfe von Luigi Moio, einem der führenden Önologen Kampaniens, begann er, die ersten Weinberge anzulegen. Heute geht ihm Moio-Schüler Arturo Erbaggio zur Hand. Hervorragend ist der weiße Sireo, eine Cuvée aus Fiano und Falanghina, der gekonnt im Holzfass ausgebaut wird. Seit vergangenem Jahr sind auch Giampaolo Motta (Tenuta La Massa), der in Neapel aufgewachsen ist, und Stéphane Derenoncourt, bekannter Berater aus Bordeaux, am Projekt mit beteiligt. Von Abbazia di Crapolla wird man in Zukunft sicher noch viel hören. Zwischen Amalfi und Positano erstreckt sich eine beeindruckende Steilküste. In der Ortschaft Furore hat die bekannteste Winzerin der Halbinsel ihren Sitz, Marisa Cuomo. In die Felsterrassen gehauen, scheinen die Weingärten förmlich über dem smaragdgrünen Meer zu schweben. 500 Meter über den tosenden Wellen liegt der Keller, der tief in den Kalkstein getrieben wurde. Ein einzigartiges Ambiente – so wie die Weine, die hier erzeugt werden. Aushängeschild von Marisa Cuomo und ihrem Mann Andrea Ferraioli, die neben feinen Weißen auch kraftvolle Rote erzeugen, ist der Fiorduva. Dieser außergewöhnliche Weißwein entsteht aus den lokalen Sorten Fenile, Ginestra und Ripoli. Er vereint den Geschmack von Meer und Felsen, duftet nach Sonne und reifen Früchten. 


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Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2023

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Othmar Kiem
Othmar Kiem
Chefredakteur Falstaff Italien
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