Reife Leistungen: Die Sieger der Chardonnay Trophy 2024
In den 90er-Jahren waren Deutschlands Chardonnays blass, in den Nullerjahren fett, in der 2010er-Dekade mauserten sie sich zu ernsthaften Burgundern. Und heute? Treten Sie ein in eine Phase der reifen stilistischen Ausdifferenzierung – mit oder ohne »Reduktion«.
Ja, die »Reduktion«! Dieser Fachbegriff aus dem Keller-Sprech begleitet die Welt des Chardonnays auf Schritt und Tritt. Vorgemacht haben es emblematische Burgunder aus Burgund: die Puligny-Montrachets von Etienne Sauzet etwa oder die Meursaults von Rémi Jobard. Der Reduktionston in all seinen aromatischen Spielarten (von Bäckerhefe, Gummi, Schießpulver bis zu Bittermandel und Lauch) ist eine Folge des intensiven Kontakts der Hefe mit dem Wein.
In Burgund sind viele Winzer der Meinung, dass hochwertige Kalkböden die Reduktion fördern – sie sprechen gerne von der »réduction noble«. Sicher ist, dass die weniger noble Reduktion – im Deutschen auch »Böckser« oder »Bock« genannt – den Wein langfristig verunstalten und ihm zudem einen Bitterton verleihen kann. Doch solch fehlerhafte Töne findet man kaum noch: Die Winzer haben gelernt, mit Augenmaß – und gesunder Hefe! – zu arbeiten. Vielleicht stimmt auch, was manche behaupten: dass Hefen aus Weinen, die spontan vergoren wurden, die feineren und für die Entwicklung des Weins positiveren Reduktionstöne ausbilden.
Deren positiver Effekt ist unumstritten: Da die Hefe ein Antioxidans ist, hilft der reduktive Ausbau, die Frische des Weins zu bewahren. Insofern ist der Reduktionston eher wie eine Art biochemische Frischhaltefolie zu verstehen. Ihn als Element der Aromatik bewusst zu suchen, ist eigentlich nur bedingt sinnvoll, denn mit der Flaschenreife verschwinden diese Aromen. Selbst in der Jugend des Weins kann man die Töne in einer Karaffe zum Verblassen bringen: Nach ein, zwei Stunden machen sich die fruchtigen, würzigen und mineralischen Aromen bemerkbar, die das eigentliche Pfund dieser Weine sind.
Auch die diesjährige Trophy beweist, dass man von Reduktionstönen keine Angst haben muss. Viele der Weine, die schon durch ihre Phenolstruktur auf Langlebigkeit zielen, sind reduktiv angelegt. Allerdings stellten wir dieses Jahr eine größere Vielfalt fest als zuletzt: Auch das nicht-reduktive Lager erhält wieder mehr Zulauf.
Sortenprofil
Chardonnay
Die Sorte stammt aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Mâconnais, wo es auch einen Ort namens »Chardonnay« gibt. Der Name könnte sich vom Lateinischen »cardonnacum« ableiten: »ein Ort, an dem Disteln wachsen«. Genanalysen haben gezeigt, dass die Sorte als Kreuzung aus Pinot noir und Gouais blanc (weißem Heunisch) entstanden ist – mutmaßlich auf natürlichem Wege in einem mittelalterlichen Mischsatz.
Deutscher Chardonnay
Die Sorte erhielt im Jahr 1991 die Sortenzulassung in Deutschland. Ganz wie in ihrer Heimat Burgund (und in der Champagne) liefert die Traube auch hierzulande auf Kalkböden die besten Resultate.