Massimiliano Alajmo (r.) und sein älterer Bruder Raffaele.

Massimiliano Alajmo (r.) und sein älterer Bruder Raffaele.
Foto beigestellt

Restaurant-Millionäre: Massimo Alajmo

Das Familienunternehmen um Chefkoch Massimiliano Alajmo gehört mittlerweile zu den Big Playern der europäischen Top-Gastronomie.

Das »Le Calandre« in einem tristen Vorort von Padua war seit Generationen im Besitz der Familie Alajmo, als 1994 Massimiliano, der jüngste Sohn von Emilio und Rita Alajmo, den Posten des Küchenchefs übernahm. Sein älterer Bruder Raffaele, der aussieht wie eine jüngere Version von Bud Spencer, wurde zeitgleich Geschäftsführer. Der Beginn einer Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält. Rita Alajmo hatte bereits im Jahr 1992 mit dem ersten Michelin-Stern für das Restaurant eine Steilvorlage für ihre beiden Söhne geliefert – Massimiliano als Chefkoch und Raffaele als Sommelier. Und die beiden jungen Männer nutzten ihre Chance: Im Jahr 1997 erhielt Massimiliano den zweiten Michelin-Stern, 2002 folgte der dritte, den das Restaurant bis heute hält. Da war er gerade 28 Jahre alt und somit der jüngste Drei-Sterne-Koch aller Zeiten.

Der Kult ums »Le Calandre«

Das Geheimnis hinter Massimiliano Alajmos Erfolg ist sein persönlicher Kontakt zu den Lieferanten einerseits und seine pro­funde Kenntnis regionaler und saisonaler Produkte andererseits, die er so einfach wie möglich und gleichzeitig ungewöhnlich ­kreativ verarbeitet. Zu seinen Signature-Gerichten gehört der Mandel-Mozzarella, eine Geschmacksexplosion aus Mandelmilch und Basilikum, sowie »Tiramisu in a pipe«, das tatsächlich in einer Tabakpfeife aus Muranoglas an den Tisch kommt und mittlerweile Kultstatus erlangt hat – wie auch ihr Erschaffer Massimiliano. Zwölf Mal wurde das »Le Calandre« bereits ins »The World’s 50 Best Restaurants«-Ranking aufgenommen. Zuletzt, im Jahr 2019, landete das Sterne-Restaurant auf Platz 31.

Expansion nach Venedig

Wenn jemand genial genug ist, an einer verkehrsumtosten Ausfallstraße zwischen tristen Shoppingcentern und Tankstellen über Jahre hinweg gewinnbringend auf höchstem Niveau zu kochen, dann ist die gastronomische Expansion quasi programmiert. 2011 kauften die Geschwister Alajmo das sagenumwobene »Caffè Quadri« auf dem Markusplatz in Venedig und staubten erst einmal die Kristallluster aus Muranoglas ab. Das Interieur des insgesamt dreistöckigen Café-Restaurants wurde in weiterer Folge vom französischen Stardesigner und Wahlvenezianer Philippe Starck zu einer fast surreal anmutenden Wunderwelt umgestaltet – nur der grandiose Blick auf den Markusplatz blieb! Massimiliano eta­blierte zur innenarchitektonischen Fusion von Tradition und Moderne im ersten Stock des eleganten »Quadri« eine Küche, die ebenfalls Tradition und Moderne in sich vereint.

Er interpretiert hier italienische Hausmannskost neu, orientiert sich dabei aber stark an den gastronomischen Traditionen der Lagunenstadt: Fische und Meeresfrüchte stammen vom Rialto-Markt, die Paccheri-Nudeln werden mit Pistaziensauce sowie rohem Fisch und Muscheln aus der Lagune serviert, und die violetten Artischocken aus Sant’Erasmo, der Gemüseinsel Venedigs, werden seit der Übernahme der Küche durch Massimiliano Alajmo zu einem kulinarischen Highlight innerhalb des Vier-Gänge-Menüs »Quattro Atti« verarbeitet. Im »Grancaffè Quadri« im Erdgeschoß und dem »Quadrino« mit seiner großen Terrasse direkt auf dem Markusplatz gibt es seit jeher Kaffee und Kuchen, Drinks und Häppchen für Touristen und Einheimische. Und 2016 eröffneten Massimiliano und Raffaele in Venedigs neuem Luxuskaufhaus T Fondacio dei Tedeschi am Canal Grande ein weiteres Caffè, das »Amo«.

»Mozart der Küche«

Nicht weniger bemerkenswert sind auch die zwei Alajmo-Ableger außerhalb Italiens: das »Caffè Stern« in Paris nahe der Oper, ebenfalls von Philippe Starck gestaltet. Und das erst im Januar eröffnete »Sesamo« in dem prachtvollen Fünf-Sterne-Hotel »Royal Mansour« in Marrakesch. Hier brilliert ­­der »Mozart der Küche« (wie Alajmo von Foodkritikern gerne genannt wird) mit ve­nezianischen Gerichten, die mit Produkten aus der Gegend entstehen – während im »Caffè Stern« in Paris neben perfekt gekochten simplen Nudelgerichten wie Spa­ghetti carbonara auch eine exzentrische ­Variation der Bolognese serviert wird: Statt auf Pasta wird dabei das Ragù auf Kartoffelpüree angerichtet. Massimiliano, Mitglied der ehrwürdigen Vereinigung Cava­lieri della Cucina Italiana (Ritter der italienischen Küche) geht es darum, die italie­nische Gastronomie durch Ex­perimente zu bereichern und so langfristig zu erhalten.

Der reichste Koch Italiens

Mittlerweile umfasst das Alajmo-Imperi­um zehn gastronomische Etablissements ­in ­Italien, eines in Frankreich und eines in Marok­ko. Etwa 300 Mitarbeiter beschäftigt die Alajmo-Gruppe, auch der Onlineshop mit handgefertigten Gläsern, Küchenmaschinen, Lebensmitteln und Geschenk­artikeln wirft ordentlich Gewinn ab. Die Alajmo-Brüder haben außerdem zwei he­rausragende Coffeetable-Kochbücher herausgegeben: »in.gredienti« und »Fluidità«, die für je wohlfeile 150 Euro angeboten werden. »in.gredienti« wurde 2007 mit dem Gourmand International – World Cookbook Award ausgezeichnet.

Im Jahr 2010 erwarb eine Private-Equity-Firma 25 Prozent der Anteile am Unternehmen. Seitdem stieg der Umsatz auf allen Ebenen. 70 Prozent der Einnahmen werden dabei nach wie vor von den Gastro-Betrieben erwirtschaftet, davon allein zwei Millionen jährlich vom Ur-»Le Calandre« bei Padua. Das frische Kapital machte den Na­men Alajmo aber zu einer Marke, die heute in vielen Geschäftszweigen erfolgreich ist: Publishing, Design, Catering, Kochkurse und Verkauf von Nahrungs­mitteln. Und ­es machte Massimiliano zum wohlhabend­sten Sterne-Koch Italiens.


Essen für jeden Gusto

alajmo.it

Le Calandre
Via Liguria 1 • 35030 Rubano (PD)
T: +39 049 630303 • info@alajmo.it
Die Keimzelle des Alajmo-Imperiums, seit 2002 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.

Il Calandrino
Via Liguria 1 • 35030 Rubano (PD)
T: +39 049 630303 • calandrino@alajmo.it
Die »kleine Schwester« des großen Calandre – Menüs ab 60 Euro sowie à la carte im
typischen, regional verwurzelten Stil.

Quadri • Grancaffè Quadri • Quadrino
Piazza San Marco 121, 30124 Venezia
T: +39 041 5222105 • info@caffequadri.it
Das »Grancaffè« ist Legende, die Preise sind es ebenfalls (Espresso 7,50 Euro). Das Bistro »Quadrino« bietet Italo-Klassiker. Das Restaurant »Quadri« im Obergeschoß zelebriert hohe Küchenkunst und wurde mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.

La Montecchia
Via Montecchia 12, 35030 Selvazzano Dentro (PD) • T: +39 049 805 5323 montecchia@alajmo.it
Auf vegetarische Küche sowie Fisch spezialisiertes Restaurant, ein Michelin-Stern.

Amo
T Fondaco dei Tedeschi by DFS
San Marco 5556, 30124 Venezia (VE)
T: +39 041 2412823 • amo@alajmo.it
Caffè und Restaurant in einem alten Lagerhaus an der Rialtobrücke. Klassiker und Streetfood auf höchstem Niveau.

Caffè Stern
47, passage des Panoramas, 75002 Paris
T: +33 1 75 43 63 10
info@caffestern.fr
Gran Caffè im Herzen von Paris. Standards im Alajmo-Style, dazu viel Atmosphäre.

Sesamo
Hotel Royal Mansour Marrakech
T: +212 529 80 82 82
restauration@royalmansour.ma
Italo-Chic trifft auf maghrebinische Üppigkeit, die Küche setzt auf Alajmo-Klassiker.

Erschienen in
Falstaff Nr. 02/2020

Zum Magazin

Corinna von Bassewitz
Autor
Mehr zum Thema
Arkadi Novikov mit seiner Ehefrau Nadeschda
Restaurant-Millionäre
Arkadi Novikov: Der Küchen-Zar
Arkadi Novikov ist Russlands erfolgreichster Gastronom. In 30 Jahren hat er ein sagenhaftes...
Von Herbert Hacker