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Sauvignon Blanc: Ein feines Näschen

Sauvignon Blanc kann grün wie Gras duften oder exotisch wie ein Korb Südfrüchte. Die Könner unter den Winzern aber suchen die Zwischentöne. Mit Erfolg.

Gesine Roll ist 34 Jahre alt, doch mit Sauvignon Blanc hat die Winzerin vom rheinhessischen Weingut Weedenborn bereits jede Menge Erfahrung: Schon vor 20 Jahren stand die Sorte in den Weinbergen der Familie, damals noch als Versuchsanbau, denn offiziell zugelassen wurde der Loire-Abkömmling in Deutschland erst 1999. »Ich erinnere mich noch gut an den Hitzejahrgang 2003, damals haben wir uns an Südtirol orientiert, weil wir kaum eigene Erfahrungswerte hatten.«

»Der Sauvignon ist eine echte Diva, eine Herausforderung, die dem Winzer unglaublich viel Handwerk abverlangt.«
Gesine Roll

Doch die rebbauliche Schwierigkeit des Sauvignon war für die junge Winzerin erst recht Reiz und Ansporn: »Der Sauvignon ist eine echte Diva, eine Herausforderung, die dem Winzer unglaublich viel Handwerk abverlangt.« Jede Maßnahme im Weinberg hat gleich immense Auswirkungen auf den späteren Geschmack: Lässt man Blätter in der Traubenzone stehen, fördert man jene grünlich-grasigen Aromen, für die der Sauvignon berühmt ist. Setzt man die Trauben durch Entblättern der Sonne aus, verwandeln sich die Aromen ins Exotische. Und auch jedes Oechsle Reife mehr oder weniger verändert den Stil des Weins. »Das Lesegut muss reif sein«, so Roll sibyllinisch, »aber eben auch nicht zu reif.«

Gesine Roll.
© melhubach photographie
Gesine Roll.

Heißt wohl abermals: Man braucht Erfahrung und Fingerspitzengefühl, um den richtigen Punkt zu treffen. »Ich mag den Sauvignon nicht, wenn er zu üppig ist«, so Roll weiter, »trotzdem hätte ich mich vor 2010 nicht getraut, einen Wein mit zehn Promille Säure einzulagern. Jetzt weiß ich, auch das geht. Und wenn Sie mich vor zehn Jahren gefragt hätten, hätte ich noch behauptet, Sauvignon habe im Holz nichts verloren. Inzwischen nütze ich immer besseres Holz mit immer kleineren Poren.«
Mit ihrer »Réserve« veranschaulicht Roll, wie ihr Sauvignon-Blanc-Ideal aussieht: aromatische Zurückhaltung im Duft, verbunden mit Komplexität. Und eine Gaumenstruktur, die nachweist, wie viel Ruhe der zuweilen so nervös inszenierte Sauvignon Blanc ausstrahlen kann. »Die Sorte transportiert viel Terroir«, so Rolls Credo. Und: »Ältere Weinberge, gute steinige Lagen, langer Hefekontakt«. Rolls beste Sauvignon-Lagen sind durchsetzt mit faustgroßen Kalksteinen.

Das Weingut Bernhard Ellwanger liegt im Remstal.
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Das Weingut Bernhard Ellwanger liegt im Remstal.

Kühle Frucht aus der Höhe

In der Luftlinie gut und gerne 150 Kilometer von Rheinhessen entfernt, hat sich auch Sven Ellwanger aus Großheppach im Remstal dem Sauvignon Blanc verschrieben. Sein Wein mit dem programmatischen Titel »junges Schwaben« beschreitet einen ganz anderen Weg als die Sauvignons des Weinguts Weedenborn. »Ein Aromenfeuerwerk«, so die Beschreibung aus der Falstaff-Verkostung, »viel Stoff eingepasst in einen weiten, aber nicht beschwerlich wirkenden Körper.« Eine Fruchtbombe also – aber eine, die nichts von der Vordergründigkeit besitzt, die man gemeinhin mit dem »lauten« Typus von Sauvignon Blanc verbindet.
»Für uns hat der Sauvignon große Bedeutung«, so Ellwanger. »Schon 1997 haben wir die ersten Reben gepflanzt, ganz nach oben in eine Höhe von 380 bis 400 Metern. Ich will da jetzt noch nicht von alten Reben sprechen, aber die Lage ist optimal, luftig und kühl. Wenn man den Boden anschaut, dann sieht der fast wie ein Sandkasten aus, es ist Stubensandstein, der dann aber auch wieder mit Lehmschichten durchzogen ist, sodass die Trauben auch keinen Trockenstress kriegen.« Das richtige Klima und der richtige Boden – und auf einmal funktioniert es, das aromatische Potenzial des Sauvignon Blanc voll auszureizen, ohne dass der Wein deswegen sättigend und plump ausfällt.
Sauvignon Blanc Trophy

Die Jugend liebt den Sauvignon

Mit Lisa Bunn (30) konnte sich gleich noch eine Jungwinzerin ganz vorn in der Falstaff Hall of Fame des deutschen Sauvignon Blanc platzieren. Der 2017er Fumé, den Bunn gemeinsam mit ihrem Ehemann Bastian Strebel erzeugt, hat bei der Verkostung mit einer butterzarten Gaumenstruktur fasziniert. »Wir haben den Most in gebrauchten Tonneaus vergoren und den Wein dann nach kurzem Hefelager schon im Februar abgefüllt. Denn wir haben das sehr genau beobachtet und waren dann an diesem Punkt zufrieden. Wir wollten auf keinen Fall, dass das Holz zu stark beeinflusst.«

»Sauvignon ist ein Nischen-produkt, liegt uns aber sehr am Herzen«: Lisa Bunn und Ehemann Bastian Strebel.
© Jason Sellers
»Sauvignon ist ein Nischen-produkt, liegt uns aber sehr am Herzen«: Lisa Bunn und Ehemann Bastian Strebel.

Und auch bei der Frage nach Kernigkeit oder Fülle gehen Bunn und Strebel ihren eigenen Weg: »Wir haben zwei Partien gelesen, die eine eher grün im Neuseeland-Stil, die zweite mit 90 Grad Oechsle und nur sechs Promille Säure. Da hatten wir schon Angst, dass das zu breit werden könnte. Aber der Verschnitt war dann genau das, was uns am besten gefällt.«

Ein kulinarischer Wein

Noch einen anderen Aspekt des Sauvignon Blanc hebt Werner Jülg aus dem Ort Schweigen im südlichsten Zipfel der Pfalz hervor: »Der Sauvignon Blanc muss zum Essen passen.« Gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Johannes und Friedrich hat Jülg einen der beiden höchstbewerteten Weine des Falstaff-Tests erzeugt: »Opus Oskar«, benannt nach Werner Jülgs Vater, dem Gründer des Weinguts.

Sie wissen nicht nur am Grenzstein, wo es langgeht: Werner Jülg und Sohn Johannes.
© Woodworks
Sie wissen nicht nur am Grenzstein, wo es langgeht: Werner Jülg und Sohn Johannes.

Von Trauben, die auf der Elsässer Seite der deutsch-französischen Landesgrenze gewachsen sind, ist der Familie ein »raffinierter Wein« gelungen, so der Wortlaut der Probennotiz, »ganz ohne plakative Noten, hintergründig und potenzialreich«. »Wir versuchen die Nase zurückzudrängen«, bestätigt Jülg, »stattdessen suchen wir Säure und Mineralität.« Im Tonneau bekomme der Sauvignon Blanc zusätzlich Struktur, »ich hab’ mir immer gedacht, wenn wir das auf unseren Kalkböden mit dem Chardonnay hinkriegen, warum dann nicht auch mit Sauvignon Blanc?« Und er beantwortet die Frage gleich selbst, mit einer Aussage, die zudem die Forderung nach kulinarischer Eignung wieder aufnimmt und pointiert: »Da können Sie jederzeit ein Hummersüppchen dazu essen.«
Zu guter Letzt gibt es übrigens neben dem stoffigen Stil à la Jülg und Weedenborn und dem opulenten à la Ellwanger auch noch einen dritten Weg, Sauvignon zu bereiten: edelsüß. Diese Traditionslinie – heute beispielsweise noch in der Pfalz von Oliver Zeter und vom Weingut Felix Waldkirch verfolgt – kann sich sogar auf einen historischen Vorläufer berufen, denn im Jahr 1830 pflanzte Freiherr Ernst Maximilian Zorn von Bulach in Durbach in Baden Sauvignon-Blanc-Reiser, die ihm Marquis de Lur Saluces überlassen hatte. Die Versuche, einen Ortenau-Yquem zu produzieren, riefen damals jedoch keine Nachahmer auf den Plan. Es sollte 160 Jahre dauern, ehe die Sorte schließlich Ende des 20. Jahrhunderts ein zweites Mal nach Deutschland kam. Diesmal offenbar, um zu bleiben.
Sauvignon blanc Trophy

Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2018

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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