© Sabrina Adeline Nagel

Weinfest gegen Rassismus: Kein Wein den Faschisten

Am Hamburger Millerntor jährt sich eine ungewöhnliche Liaison zwischen Fußball und Wein: Das Weinfest gegen Rassismus vereint die Leidenschaft für edle Tropfen und den Kampf gegen Vorurteile. Rund 30 Weingüter schenken ihre Weine aus und setzten damit ein politisches Statement.

Auch wenn Jana Hauck »kein großer Fußballfan ist«, ist sie immer mal wieder gerne am Hamburger Millerntor und dann ziehe sie die Atmosphäre gleich in den Bann. »Auf den Rängen ist so viel Energie zu spüren und das Publikum ist so entspannt, man kommt gleich miteinander ins Gespräch«, gerät sie ins Schwärmen.

Das Millerntor ist ihr inzwischen nach mehreren Besuchen vertraut, wenn sie den Weg zur Gegengerade hochgeht »an vielen bunten Graffitis vorbei«, liegen unter ihr die Trainerbänke und der Rasen, über ihr steht in riesigen Buchstaben: Kein Fußball den Faschisten.

© Sabrina Adeline Nagel

Die promovierte Winzerin, die im rheinhessischen Bermersheim das Weingut mit ihren Eltern betreibt, wäre auch gerne wieder dabei, wenn am 9. Mai am Millerntor das Weinfest gegen Rassismus stattfindet. Aber dieses Mal muss sie passen, da sie gerade Mutter einer Tochter geworden ist. »Es ist eine der nettesten Weinveranstaltungen überhaupt, die ich kenne«, sagt Jana Hauck.

HARMONISCHES MITEINANDER

Ihr Zwei-Generationen-Betrieb ist eines der Weingüter, die schon einige Jahre mit dem FC St. Pauli-Museum zusammenarbeitet, Jana Hauck keltert die beliebte Rotwein-Cuvée aus Merlot und Cabernet Sauvignon, die auch bei Heimspielen in der »1910-Weinbar« unterhalb der Gegengeraden ausgeschenkt wird – neben Weinen der Weingüter Van Volxem, Jakob Schneider oder Alexander Flick.

KLARE KANTE

»Kein Wein den Faschisten«, unter diesem Motto führt das FC St. Pauli-Museum eine eigene Weinkollektion, mit den Erlösen finanziert die gemeinnützige Einrichtung antirassistische Bildungsarbeit.

Wein und Fußball ist eine eher ungewöhnliche Liaison bei einer Klientel, die gewöhnlich mit vollen Bierbechern sozialisiert wird. Für Sönke Goldbeck, den geschäftsführenden Vorstand des Museums, das das Weinfest ausrichtet und die 1910-Weinbar im Stadion betreibt, passen Fußball und Wein »ganz hervorragend zusammen. Wir bieten Wein mit Haltung

 

Das Leben ist zu kurz, um unpolitischen Wein zu trinken.«

 

Goldbeck war auch dabei, als die Weinbar 2016 »halb privat eröffnete und schnell gewachsen ist. Der Erfolg war viel größer als gedacht«, sagt er.

ANDERS VORGESEHEN

Da, wo jetzt Weingläser geleert werden und gefeiert wird, sollten ursprünglich Zellen der benachbarten Polizeiwache stehen. Aber bekanntlich ist auf dem Heiligengeistfeld alles ein wenig anders: Wein und Fußball gehören zusammen wie Fußball und Politik.

Keine Toleranz von rechten Ideologien gehören seit den 1980er Jahren fest zur Fan- und Vereinskultur: Fußball gilt als unpolitisch, der FC St. Pauli will ein Klub sein, der auch das Leben außerhalb des Stadions mit seinen Werten und seiner Haltung prägt.

SECHSTE AUFLAGE

Nach seiner Premiere 2017 und einer Corona-Pause findet das Weinfest gegen Rassismus nun zum sechsten Mal statt. Wer will, kann auch eine Stadionführung buchen, dabei wird an drei Stationen Wein verkostet, auch an der Trainerbank des baldigen Erstligisten. Wer, wie das Weingut Hauck, hier seine Weine ausschenkt, bezieht auch Haltung gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Sexismus.

Ein Engagement, das nicht von allen gerne gesehen wird, wie Jana Hauck erfahren musste. In sozialen Medien habe es deswegen schon »einen kleinen Shit-Storm gegeben, der Richtung Rufmord ging«. Daraufhin kam auch der Familien-Rat zusammen, der sich schnell einig war: »Wir stehen dahinter, aktuell ist es besonders wichtig, politisch Haltung zu beziehen

BELIEBT

Rund 30 Weingüter sind am 9. Mai am Millerntor, anschließend beginnt in der »1910-Weinbar« wie gewohnt die Party mit DJs. 1300 Gäste werden erwartet, die Tickets für das Weinfest waren schnell ausverkauft, »wir wurden vom Erfolg überrannt«, sagt Sönke Goldbeck vom FC St. Pauli-Museum.


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Rainer Schäfer
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