Michael Duscher © www.pov.at

Michael Duscher

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»Wir wollen vom Ausflugs- zum Haupturlaubsziel werden«

Im PROFI-Interview gibt der Geschäftsführer der »Niederösterreich Werbung«, Michael Duscher, Auskunft über Veränderungen im Tourismussektor und zukünftige Trends in der Branche.

von redaktion
19. Januar 2024

Niederösterreich verfügt über eine reiche Vielfalt an landschaftlicher Schönheit, kulturellem Erbe und historischen Sehenswürdigkeiten. Ob nun sanfte Hügellandschaften, zahlreiche Weinberge oder charmante Dörfer mit besonders reichhaltiger Kulinarik – die Region bietet Tourist:innen eine breite Palette an visuellen wie auch gastronomischen Angeboten.

Schätzungen zufolge wurden allein im Sommer 2022 rund 18,1 Millionen Tagesausflüge in und nach Niederösterreich unternommen und im Rahmen dieser Ausflüge etwa 680 Millionen Euro Umsätze generiert. Im Gespräch mit Falstaff PROFI spricht Michael Duscher, Geschäftsführer der Niederösterreich Werbung GmbH, über das Potenzial hinter Wein-Tourismus und wie die langfristige Vision von Niederösterreich-Werbung aussehen könnte.

PROFI: Herr Duscher, wie hat sich die Tourismusbranche in Niederösterreich seit dem Ende der Coronapandemie entwickelt?

Michael Duscher: Die vielen Lockdowns und Einschränkungen der Mobilität haben der gesamten Gastronomie- und Tourismusbranche sehr herbe Einbrüche beschert. Bis dahin war Niederösterreichs Tourismus jahrelang auf Erfolgskurs, die Nächtigungszahlen im Jahr 2019 gelten als »all time high« seit Beginn unserer Aufzeichnungen. Seit Ende der Pandemie arbeiten wir »am Weg zurück«, und der gelingt unter den aktuellen Voraussetzungen sehr gut.

Zugute gekommen ist uns auch der »touristische Dreiklang«, der in Bezug auf Nächtigungen auf die drei Standbeine Urlaubstourismus, Gesundheitstourismus und Wirtschaftstourismus setzt. Die hohe Qualität, die optimale Infrastruktur, die medizinische Kompetenz, die in Niederösterreich geboten werden und nicht zuletzt die hohen Sicherheits- und Hygienestandards, die auch in Pandemiezeiten garantiert wurden, sorgten dafür, dass im Gesundheitstourismus die Einbußen nicht ganz so dramatisch waren bzw. diese Tourismussparte halbwegs stabile Umsatz- und planbare Buchungszahlen hatte.

Könnten Sie einen Überblick über die aktuellen Tourismuszahlen für Niederösterreich geben?

Im Jahr 2023 nun können wir weiter zufrieden sein und uns trotz schwieriger Rahmenbedingungen durch hohe Kosten, hohe Inflation und Personalmangel in der Branche steigender Buchungszahlen erfreuen. Die traditionell stärksten Monate sind bei uns Juli und August, im September 2023 lagen wir mit 761.218 Nächtigungen sogar deutlich über dem Niveau von 2019. Bis inklusive Ende September 2023 liegen uns auch bereits die endgültigen Zahlen aus der Statistik vor: Seit Jahresbeginn konnten wir mit einem Plus von 13,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 5.819.047 Nächtigungen verzeichnen.

Das teilt sich auf 3.756.795 (plus 8,1 Prozent) Nächtigungen durch inländische Gäste, 655.363 (plus 13,7 Prozent) durch deutsche Gäste – unserem mit Abstand stärkstem Auslandsmarkt-, und 1.403.889 Gäste aus dem übrigen Ausland mit sogar 30,2 Prozent plus. Die Gäste kommen also gerne wieder nach Niederösterreich. Seit Kurzem liegen nun auch die endgültigen Zahlen inkl. Oktober 2023 vor: die touristische Sommersaison von Mai bis Oktober brachte uns heuer ziemlich genau 4,6 Millionen Nächtigungen.

Welche neuen Tourismustrends zeichnen sich seit dem vorläufigen Ende der Pandemie in Niederösterreich ab?

Nicht nur, aber auch in Niederösterreich verzeichnen wir die Tendenz, dass Gäste immer kurzfristiger kommen, Kurzurlaube werden häufig spontan und je nach Wetterlage gebucht bzw. angetreten. Auch bei uns ist zu sehen, die Menschen öfter und kürzer Urlaub machen als einen langen Haupturlaub allein. Was die Gäste sich von oder in Niederösterreich erwarten, sind Erholung, Naturerlebnis und Möglichkeiten zum Aktivurlaub. Von der Angebotspalette her werden in Niederösterreich vor allem die Themen Wandern und Radfahren, Wein, Kulinarik nachgefragt und immer mehr Gäste kommen auch wegen des Kulturangebots.

Niederösterreich besitzt nicht nur eine reichhaltige Kulinarik, sondern verkörpert oft Entschleunigung. Welchen Stellenwert besitzt diese Art des entspannten Tourismus bei Tourist:innen?

Bei Gästeumfragen auf Plattformen wie »T-Mona« oder »Manova Analyse Tagesausflüge« werden immer wieder die Themen Natur, Erholung und Bewegung – allen voran Wandern, Bergsteigen, Radfahren – als häufigster Anreiz für den Aufenthalt in Niederösterreich genannt. Hier versuchen wir den Gästen mit attraktiven Packages, Ideen für die individuell geplante Reise wie bei den Entdeckertouren und einer modernen, ansprechenden Kommunikation, die vielen Angebote Niederösterreichs bekannt zu machen und sie zu einem (weiteren) Aufenthalt in Niederösterreich zu begeistern.

© Horst Marka/Shutterstock

Wieviel Potenzial bietet das Weintourismusangebot sowohl für heimische als auch für internationale Reisende?

Niederösterreich als größtes Bundesland Österreichs wäre nicht denkbar ohne den Weinbau, der seit vielen Jahrhunderten Landschaft, Landwirtschaft, Menschen und Dorfleben prägt. Nicht umsonst sind wir auch größtes Weinland Österreichs. Der Weinherbst Niederösterreich mit seinen hunderten Veranstaltungen wie Weinfesten, Winzerkirtagen oder Verkostungen ist seit vielen Jahren ein fixer Bestandteil und ein wichtiger Umsatzbringer im Tourismusjahr. Auch hier haben wir die Angebote weiterentwickelt unter dem Motto »Traditionen liebevoll neu-interpretieren«.

Für nächstes Jahr ist unter anderem eine Neuorientierung und Neupositionierung der Marke »Weinherbst Niederösterreich« geplant – ein seit vielen Jahren beliebter Termin im Herbst, im Rahmen dessen bei Verkostungen, Winzerfesten oder Riedenwanderungen das Thema »Wein« verstärkt im Fokus steht. Wir wollen auch hier mit der Zeit gehen, um Bestehendes zu evaluieren und am Ball zu bleiben, um die Marke »Weinherbst Niederösterreich« weiterzuentwickeln und neu zu positionieren und vor allem Stammgästen immer wieder mit Neuem zu überraschen.

Gibt es Zusammenarbeiten oder Partnerschaften mit lokalen Winzern, Restaurants oder anderen Akteur:innen, um den Weintourismus zu stärken?

Ja, da gibt es einige sehr erfolgreiche Beispiele. Ganz aktuell sind es die vielen schönen Adventmärkte, die in vielen Gemeinden und Städten jetzt für Besucherströme sorgen. Besonders stimmungsvoll sind in diesem Zusammenhang die Adventmärkte in Kellergassen und Weinorten, die zum Beispiel entlang der Donau, in den Kellergassen des Weinviertels oder in den Weinorten des Wienerwaldes stattfinden. Im Sommer hatten wir bereits mehrere Auflagen der Veranstaltungsreihe »Kultur bei Winzerinnen und Winzern«.

Sehr eng kooperiert die Niederösterreich Werbung seit Jahrzehnten mit der Wirtshauskultur Niederösterreich, wo in 200 Wirtshäusern im ganzen Land hohe Qualität und gute Weine aus der Region und herzliche Gastfreundschaft besonders großgeschrieben werden. Zum Beispiel bieten unsere »Entdeckertouren« – fein kuratierten Reiseempfehlungen durch Niederösterreich – mehrere Tourenvorschläge, die auch dem Thema »Kulinarik in Niederösterreich« und »Wein« gewidmet sind.

© Alexandr Musuc/Shutterstock

Warum eignet sich Ihrer Meinung nach Niederösterreich als Tourismusregion eher für Weinliebhaber:innen als beispielseise das Burgenland?

Wir versuchen in Niederösterreich unsere Besonderheiten in den Vordergrund zu stellen, aber ohne uns jetzt zu sehr in einer Konkurrenzbeziehung mit anderen Bundesländern zu sehen: schließlich haben alle sehr viel zu bieten. Niederösterreich als größtes Weinland Österreichs verfügt über 60 Prozent aller Rebflächen in Österreich, davon drei Viertel für weiße Rebsorten. Als bekannteste und umsatzmäßig wichtigste Sorte darunter ist sicher der Grüne Veltliner zu nennen. Darüber hinaus gibt es auch viele prämierte oder noch als Geheimtipp firmierende Flaschen von Riesling, Zweigelt, Sankt Laurent und Pinot Noir. Als autochthone Sorten und eine Spezialität der südlich von Wien liegenden Weinorte sind noch Zierfandler und Rotgipfler wichtig.

Womit wir in Niederösterreich sicher noch zusätzlich punkten können, ist das umfassende Rundumprogramm, das wir unseren Gästen bieten können: Rad- und Wanderwege für jede Altersstufe und Fitnessgrad – vom gemütlichen Familien-Radweg über fordernde Mountainbike-Strecken, die zum Abschluss der Tour vielleicht zu einem gemütlichen Heurigen führen, über die vielen kulturellen Highlights und die vielen attraktiven Ausflugsziele, die ganz in der Nähe sind.

Wie sieht die langfristige Vision für den Tourismus in Niederösterreich aus?

Die aktuelle Tourismusstrategie läuft noch bis zum Jahr 2025 und ist voll in der Umsetzung. Die Themen »Qualität«, »Nachhaltigkeit«, »Authentizität« und »Regionalität« sind hier als zentrale Werte definiert und unser Wegweiser für die praktische Arbeit der nächsten Jahre. Sie fungieren in allen unseren Arbeitsbereichen und bei der Erstellung neuer Angebote für Gäste als Richtschnur und Leitbild, die es in der Praxis umzusetzen gilt: das reicht von Tourismuskongressen, die sich mit dem Thema »Nachhaltigkeit« befassen über die Attraktivierung der öffentlichen Anreise zu einem Ausflugs- oder Urlaubsziel bis hin zur Erarbeitung neuer Qualitätskriterien.

Auch durch die Kombination unserer Kompetenzfelder »Natur und Bewegungsräume«, »Regionale Kulinarik und Wein«, »Gesundheitsexpertise« und »Kunst- und Kulturerlebnis« ergeben sich für den Gast immer wieder Erlebnisse mit sehr vielen schönen Überraschungen und Mehrwert, die zum nochmal Kommen und länger Bleiben motivieren sollen. »Vom Ausflug zum Kurzurlaub, vom Kurzurlaub zum Haupturlaub« ist kurz gesagt unser großes Ziel und unser Motto für die nächsten Jahre! Niederösterreich soll als DAS Radland im Herzen Europas, als Kultur-und Festival-Land und als Kulinarik-Destination positioniert werden und sich erfolgreich behaupten – und ich denke, wir sind auf einem sehr guten Weg dorthin!

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