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Bauernproteste: »Immer sind es die da oben«

Johannes Egger ist Landwirt in Gräfelfing bei München und er nimmt nicht an den Demonstrationen teil. Ihm gehe es gut, sagt er. Die Wurzel der Wut liege in der Abhängigkeit von Bauern vom Markt.

Falstaff: Johannes Egger, Sie sind Landwirt, nehmen allerdings nicht an den Protesten teil.

Johannes Egger: Das ist richtig.

Warum nicht?

Weil ich sie nicht nachvollziehen kann. Angeblich geht es den Bauern um die Streichung der Subventionen. Aber angenommen, ein Betrieb sei so auf Subventionen angewiesen, dass der Agrardieselrabatt darüber entscheiden kann, ob es ihn weiterhin gibt oder nicht – dann läuft da eindeutig etwas falsch.

Sie sind also nicht auf Subventionen angewiesen?

Nein. Das liegt daran, dass meine Frau und ich alles, was wir anbauen direktvermarkten. Wir sind eine vergleichsweise kleiner Betrieb, wirtschaften auf 2000 Quadratmetern. Aber wir versuchen die kleine Fläche so gut es geht zu nutzen, bauen Gemüse an und Pilze, aber zum Beispiel auch Blumen. Unsere Endkunden kaufen ein Abo bei uns und bekommen dafür regelmäßig unser Gemüse. Das sorgt dafür, dass wir kaum saisonales Risiko haben. Hätten wir beispielsweise einen Marktstand und es würde mal regnen, kämen nur noch die Hälfte der Kunden zum Markt. Das wäre schwierig. Die Abos sind eine finanzielle Sicherheit. Darüber hinaus verkaufen wir unseren Überschuss, den wir produzieren, damit wir mögliche Versorgungslücken schließen können, an Restaurants.

Das heißt, Sie können selbst bestimmen, wie viel Ihr Ertrag wert ist.

Und das ist der gravierende Unterschied zu konventionellen Landwirten. Die sind nämlich in der Regel in einem Abhängigkeitsverhältnis, das sie in die Passivität zwingt. Der Markt gibt die Preise vor, die Discounter handeln noch um Centbeträge und die Bauern müssen das Gefühl haben, dass sie selbst keinen Handlungsspielraum haben. Diese Art zu Wirtschaften wurde ihnen so beigebracht und zu dieser Logik werden sie auch von Vertretern der Industrie hinberaten. Wenn man also eh schon das Gefühl hat, dass über einen verfügt wird, dann braucht es nicht viel und die so entstandene Wut entlädt sich.

Haben Sie ein Beispiel?

Vielen Betrieben wird zum Beispiel dazu geraten, zusätzlich zur Landwirtschaft eine Pension aufzumachen. Denen wird gesagt: Investiert mal zwei Millionen, um Ferienwohnungen auf eurem Hof aufzubauen. Und dann finden die sich wieder mit hundert Landwirten in ihrer Umgebungen, denen zur gleichen Lösung geraten wurde. Dann sitzen sie da mit ihren leeren Ferienwohnungen und schimpfen auf die Politik. Was vielen Bauern fehlt, sind zwei Sachen: Bildung, was andere Formen des Wirtschaftens angeht, aber auch der Mut, andere Wege zu gehen.

Protest der Landwirte gegen die Pläne der Regierungen zur Senkung der Agrarsubventionen in Freiburg.
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Protest der Landwirte gegen die Pläne der Regierungen zur Senkung der Agrarsubventionen in Freiburg.

Wer berät denn die Landwirte?

Das wird der Bauernverband sein. Aber das müssen auch Vertreter der Industrie sein, die davon profitiert, wenn sich der Bauer eine neue Maschine kauft oder den Kuhstall automatisiert.

Die Bauern sind also selbst schuld für ihre Situation?

Nein, die wissen es einfach nicht besser. Die wirtschaften zum Großteil so wie diese Betriebe es schon seit Generationen tun, haben aber nie gelernt das zu hinterfragen.

Und jetzt schimpfen sie auf die Politik.

Immer sind es die da oben. Das ist für mich auch ein Symptom der Passivität, in die Bauern gezwängt werden. Da wird dann gefordert, die Ampel soll weg, aber was genau passieren soll, das scheinen die gar nicht zu wissen. Die sind wütend, aber ihre Wut ist nicht präzise auf ein Ziel gerichtet. Statt auf die Ampel zu schimpfen und wegen ein paar Tausend Euro Deutschland lahmzulegen, sollten sie vielleicht dafür kämpfen, mehr Stimmrecht in der Preisabsprache zu gewinnen.

Glauben Sie, dass es Ihr Glück ist, dass Sie Quereinsteiger in der Landwirtschaft sind?

Bestimmt. Wir sind mit einem ganz klaren Plan gestartet, wie viel Geld wir verdienen wollen und wie das gelingen kann. Wir haben gesagt, egal wie, wir wollen im Sommer Urlaub machen können. Wir wollen nicht, wie man das so häufig sieht, rund um die Uhr und das ganze Jahr alleine zuständig sein für den Betrieb, deshalb haben wir jemanden eingestellt, der uns unterstützt. Ich glaube schon, dass wir aus der Sicht traditioneller Betriebe eine unkonventionelle Herangehensweise haben. Aber wenn ich mir die Proteste und die darin sichtbar werdende Unzufriedenheit der Bauern anschaue, glaube ich, dass wir es richtig machen.

Aber es können ja nicht alle Landwirte im ganzen Land so agieren, wie Sie das auf Ihren 2000 Quadratmetern in München können.

Davon sind wir ja auch noch meilenweit entfernt. Ich habe auch keine klare Vorstellung davon, wie es aussehen könnte, wenn sich alle Landwirte in Deutschland dieser Skalierungslogik entziehen würden, die von einem verlangt, dass man als Betrieb immer weiter wächst und wenn man nicht wächst, muss man schließen. Wir Landwirte haben ja auch die Aufgabe, das Land zu ernähren.

Haben Sie eine Idee, wie sich dieser Konflikt für die Landwirte lösen ließe?

Direktvermarktung ist ein guter Weg, aus dieser Abhängigkeitslogik zu entkommen, und es gibt gute Beispiele für kleine wie auch große Betriebe, von Modellen der 'solidarischen Landwirtschaft‘ wie bei unserem Gemüse-Abo, bis hin zu Erzeugergemeinschaften, wo die Bauern selbst den Platz der Großhändler einnehmen und direkt mit Einzelhändlern verhandeln. In München macht das etwa das Tagwerk. In dieser Denkrichtung liegen meiner Meinung nach die Lösungen.
Die anderen Landwirte, die Direktvermarktung nicht nutzen wollen oder können, brauchen zumindest Berater, die sie nicht immer weiter in die Skalierungsfalle drängen, sondern ihnen helfen, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die sie unabhängig von Subventionen machen.
Was wir auch immer wieder feststellen, ist, dass immer mehr Konsumenten nach Alternativen suchen und durchaus bereit sind, den Landwirten die nötige Wertschätzung für gesündere Lebensmittel entgegenzubringen. Die Möglichkeiten sind längst noch nicht ausgeschöpft. Die einzigen, die den Bauern aber aus ihrer Situation heraus helfen können, sind sie selbst.


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Moritz Hackl
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